Lewis Hamilton in der Formel 1:In Sennas Windschatten

Lesezeit: 3 min

Auf Weltmeisterkurs: Lewis Hamilton in Singapur (Foto: Getty Images)
  • 53 Punkte Vorsprung: Lewis Hamilton dominiert in dieser Saison die Formel 1.
  • Gewinnt der Brite auch in Singapur, hat er erbenso viele Rennen gewonnen wie sein Vorbild: Ayrton Senna.
  • Es sieht so aus, als würde Hamilton am Saisonende auch nach Titeln (drei) mit Senna gleichziehen.

Von Elmar Brümmer, Singapur

Es ist der letzte Auftritt des Tages für Nico Rosberg, längst ist es tiefe Nacht im Fahrerlager an der Marina Bay in Singapur. Aus dem Dunkel kommt eine Frage, die vorrangig mit den 53 Punkten Vorsprung seines Mercedes-Team- kollegen Lewis Hamilton zu tun hat. Vor allem aber mit der souveränen Gelassenheit des britischen Formel-1-Spitzenreiters, unter der Rosberg sichtlich leidet. Demonstrativ hatte Rosberg bei der Talkrunde zuvor aus einem Wasserglas getrunken, das Hamilton stehen gelassen hatte. Es sollte ein Witz sein, vielleicht auch eine Art Symbol für mentale Stärke. Und dann dieser Gesprächseinstieg: "Nico, nimmt Dich Lewis überhaupt noch Ernst?"

Der 30-Jährige, vor kurzem Vater einer Tochter geworden, zuckt nicht zurück: "Ich weiß nicht, was er denkt. Ich rede nicht so viel mit ihm. Wir haben uns auseinandergelebt."

Die Zahlen sind eindeutig: Seit Einführung der neuen Sechszylinder-Hybrid-Motoren im vergangenen Jahr und dem Beginn der Mercedes-Dominanz steht es nach Siegen 18:8 für Hamilton, nach Pole-Positionen 18:12, nach Titeln anderthalb zu null. Hamilton muss nicht zwingend jedes Rennen gewinnen, um wieder Weltmeister zu werden, wenn er regelmäßig Zweiter wird, würde ihm das schon reichen. Rosberg wehrt sich trotzdem gegen die Vorstellung, dass schon alles verloren sein könnte. Er sagt: "Du hast die Chance, dran zu glauben oder nicht. Ich habe mich entschieden, dran zu glauben."

Hamilton gelingt der Grand Slam

Mit dem Glauben an sich hatte Hamilton noch nie ein Problem. Er lebt sich aus, auf und neben der Strecke, und die rasanten Lebens- und Fahrstile scheinen sich gegenseitig zu beschleunigen. Beim jüngsten Auftritt vor zwei Wochen in Monza fuhr er einen der seltenen Super-Grand-Slams ein: alle Führungsrunden, die Bestzeiten in allen Trainings- und Qualifying-Abschnitten, die Pole-Position, Start-Ziel-Sieg und die schnellste Rennrunde.

Zehn Zylinder der Formel 1
:Vettel in der roten Flut

Sebastian Vettel erfährt, weshalb er zu Ferrari wechseln musste. Und Kimi Räikkönen wird plötzlich kommunikativ. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer, Monza

"Ich fahre nun seit 22 Jahren Rennen, aber ich glaube, dass ich noch nie eine bessere Saison hatte", sagt der 30-Jährige. Und es soll noch besser kommen. Wiederholt Hamilton seinen Vorjahreserfolg auf dem Marina Bay Street Circuit, bringt er es in 161 Rennen auf 41 Siege und würde damit exakt die Bestmarke seines Idols Ayrton Senna einstellen. Sollte er an diesem Samstag die zwölfte Pole-Position in diesem Jahr erreichen, wäre es seine achte in Serie; ein weiterer Senna-Rekord wäre damit egalisiert.

Hamilton, der in seiner Persönlichkeit zwischen rotzigem Narzissmus und tiefer Gläubigkeit pendelt, sagt leise und beinahe demütig: "Ich denke, dass ich mich so etwas wie einem Meilenstein in meiner Karriere nähere." Er erinnert sich daran, wie er als kleiner Junge nach der Schule in einem Londoner Vorort häufig eine Videokassette von Senna in den Rekorder schob: "Ich wollte so sein, so fahren wie er." Genau das tut er nun - in einer für die Konkurrenz schwer auszurechnenden Mischung aus Intuition, Konzentration und Aggressivität.

Zehn Zylinder der Formel 1
:Hamilton legt das Gewehr nieder

Lewis Hamilton hantiert ungeschickt mit einer Waffe. Romain Grosjean hat einen Rat für Fast-Papa Nico Rosberg - und Sebastian Vettel ist schockiert. Die Höhepunkte vom Formel-1-Wochenende.

Von Elmar Brümmer, Spa

Dass mit der Statistik habe er bis kurz nach Monza, als er schon wieder bei der Fashion Week in New York in der ersten Reihe saß, gar nicht auf dem Schirm gehabt, gibt Hamilton an. "Jetzt, wo ich es weiß, erfüllt mich Stolz, dass ich seine Marke erreichen kann. Aber ich weiß auch, dass er noch viel mehr Rennen und Titel gewonnen hätte, wenn er nicht verunglückt wäre." Und dann kommt ein Satz, aus dem nun wirklich viel Bedeutung spricht: "Für mich fühlt es sich an wie ein Staffellauf. Ich übernehme den Stab von ihm und trage ihn von nun an weiter - für uns beide." Hamilton ist überzeugt: "Wenn er noch unter uns wäre, würden wir Freunde sein." Vor allem hätte er den Brasilianer gerne als Teamkollegen.

Hamilton ist sein Geld wert, findet er

Es sieht so aus, als sei der WM-Spitzenreiter nur noch durch Defekte oder Unfälle davon abzuhalten, am Saisonende mit Senna auch nach Titeln (drei) gleichzuziehen. Doch gerade die Nacht-Strapazen von Singapur, wo es im Cockpit 60 Grad heiß werden kann, bergen ein verstärktes Risiko. "Natürlich will ich nichts anderes, als an diesem Wochenende zu gewinnen. Das wäre ein sehr emotionaler Moment. Aber wann ich Ayrtons Bestmarke erreiche, ist egal, so lange ich sie erreiche. Ich will ihn ja auch nicht schlagen, ich wollte immer nur das gleiche tun wie er. Dass das auch von den Resultaten her so ist, empfinde ich nur als Bonus."

Mit geschätzten 30 Millionen Dollar Jahressalär ist Lewis Hamilton der am höchsten bezahlte Athlet der Insel. Das findet er nicht besonders ungerecht, und erklärt es am Beispiel des Vorwurfs, im besten Rennwagen könne ja jeder gewinnen: "Alle Spitzenfahrer, die phasenweise die Formel 1 dominiert haben, ob Sebastian Vettel oder Michael Schumacher, saßen bei Top-Teams in großartigen Autos. Aber es gibt immer noch signifikante Unterschiede zwischen den Fahrern. Das mögen nur Zehntelsekunden pro Runde sein, aber das ist in unserer Welt unheimlich viel Geld wert, denn die Teams müssen Millionen dafür ausgeben, um das über die Technik zu schaffen.

© SZ vom 19.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: