Der große Boxer und Philosoph Mike Tyson hat einen Satz gesagt, der bis in alle Ewigkeit zitiert werden darf, wenn es um die Unmöglichkeit geht, sich auf alles vorzubereiten, was das Leben bereithält. "Jeder Mensch hat einen Plan - bis er eine auf die Fresse kriegt." Natürlich ist so ein Satz umso wirkungsvoller aus dem Mund eines Faustkämpfers seines Kalibers, denn wer kann sich vorbereiten darauf, von ihm eine gezimmert zu kriegen? Wer kann sich vorbereiten als Torhüter - auf den Freistoß von Lionel Messi? Als Tennisspieler - auf ein Duell gegen Novak Djokovic oder Carlos Alcaraz? Wobei zu Djokovic der große Tennisspieler und Philosoph Andy Roddick bereits gesagt hat, was einen dabei erwartet: "Erst nimmt er Dir die Beine, dann die Seele."
Der 20-jährige Alcaraz verändert das Tennis grundlegend durch diese dynamische, fantasievolle, mächtige Spielweise. Zu bestaunen war das zuletzt im Wimbledon-Finale und im Endspiel von Cincinnati, jeweils gegen den Bein- und Seelen-Dieb Djokovic. Der weiß freilich, wie es ist, gegen Alcaraz zu spielen - verrät es aber nicht gern; denn wenn er es verriete, würde der spanische Weltranglistenerste bis zur nächsten Partie eine komplett neue Strategie entwickeln. Die Besten im Tennis sind wirklich so paranoid und kreativ.
Eine Stunde durchhalten, nahm sich Koepfer vor
Man hätte nun gerne Dominik Koepfer, 29, aus Furtwangen gefragt, wie es ist, gegen Alcaraz zu spielen. Schließlich trat er am Dienstagabend bei den US Open im Arthur Ashe Stadium gegen den Spanier an - doch das ging dann so: Jeder Mensch hat einen Plan, bis er sich nach wenigen Minuten einer Partie den Fuß vertritt.
Denn schon beim achten Ballwechsel knickte Koepfer um, er musste sich sofort behandeln lassen. Dann verkam diese Partie zu einer Farce, denn, wie Koepfer der Schiedsrichterin mitteilte: "Ich gebe nur deshalb nicht nach 20 Minuten auf, weil hier 20 000 Leute im Stadion sind." Er hielt eine Stunde lang durch, dann ging es nicht mehr. Beim Stand von 2:6, 2:3 gab er auf. Die Diagnose danach, laut Koepfer: Riss des vorderen Seitenbandes im linken Knöchel, es sei aber nichts gebrochen. "Ich wollte eigentlich mindestens zwei Sätze durchhalten. Es ist doch das Tollste, was man als Tennisprofi erleben kann: gegen den Besten der Welt, im größten Stadion der Welt", erklärte er: "Es war die coolste Erfahrung meines Lebens - bis zum Einstand im ersten Spiel. Es wurde immer schlimmer, also habe ich mir gesagt: eine Stunde."
In den vergangenen eineinhalb Jahren hat Koepfer immer wieder pausieren müssen, meist wegen Verletzungen an der linken Schlaghand. Erst im Sommer kehrte er zu den größeren Turnieren zurück, die Ergebnisse konnten sich sehen lassen: Viertelfinale in Atlanta, Halbfinale in Los Cabos, dritte Runde zuletzt beim Vorbereitungsturnier in Winston-Salem. Er kletterte auf Platz 75 der Weltrangliste und ist damit wieder automatisch für die Grand-Slam-Turniere qualifiziert. In New York erfuhr er dann, dass er gegen Alcaraz antritt, Night Session im größten Tennisstadion der Welt. Ein grandioses Erlebnis, das nach wenigen Minuten zur schmerzhaften Erfahrung wurde.
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"Es ist nichts gebrochen, ich kann laufen - das sind die guten Nachrichten", sagte Koepfer, der nun ein paar Wochen wird pausieren müssen. Der Plan von Alcaraz freilich ist ein ganz anderer: Er hofft, zwei Wochen lang jeden zweiten Tag zu zeigen, dass all seine Gegner so lange einen Plan haben gegen ihn - bis sie zum ersten Mal die Wucht oder Raffinesse seiner Schläge zu spüren bekommen.