US-Fußballer:Und Obama fragt Klinsmann ...

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Führte die USA 2014 noch bis ins WM-Achtelfinale: Jürgen Klinsmann. (Foto: Getty Images)
  • Die USA verpassen die Fußball-Weltmeisterschaft - wegen einer 1:2-Niederlage gegen Trinidad und Tobago.
  • Elf Monate nach der Entlassung von Jürgen Klinsmann ist die Nation blamiert.
  • Eine Chronologie des Scheiterns.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Taylor Twellmann will sich gar nicht mehr beruhigen. "Was mich aufregt, das ist die Arroganz des amerikanischen Fußballs", schimpfte der einstige Nationalspieler und aktuelle Guru des Sportsenders ESPN nach der 1:2-Niederlage der US-Nationalelf in Trinidad und Tobago: "Wir debattieren darüber, ob wir Kolumbien und Belgien und Argentinien besiegen können - und dann gewinnen wir nicht einmal gegen Trinidad?" Weil gleichzeitig Panama gegen Costa Rica gewann und Honduras gegen Mexiko, verpassen die Amerikaner zum ersten Mal seit 32 Jahren eine WM-Endrunde. "So was hätte niemals passieren dürfen, das ist eine unfassliche Blamage", sagt Twellmann und rät den Fans, sich nun ja nicht über das Phantomtor zu echauffieren, das Panama den Sieg brachte, oder über die grotesken Gegentreffer der Mexikaner: "Wir sind selbst schuld und haben es nicht verdient, in Russland dabei zu sein. Es liegt nicht an diesem einen Abend und dieser einen Niederlage."

Woran liegt es dann? Ein Rückblick auf elf turbulente Monate im US-Fußball.

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11. November 2016: Wer glaubt, dass es nur um Fußball geht an diesem Abend, der hat weder vom Fußball noch vom Leben viel Ahnung. Donald Trump ist gerade zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt worden, die Amerikaner spielen gegen den Nachbarn Mexiko, den Trump im Wahlkampf wiederholt beleidigt hatte. Die mexikanischen Fans haben ein Plakat dabei, auf dem ein altes Sprichwort geschrieben ist: "Armes Mexiko. So weit von Gott entfernt und den USA so nah." Mexiko gewinnt 2:1. Trainer Jürgen Klinsmann teilt den Leuten zwar seit Jahren mit, dass sie aufhören müssen, Fußball als Alle-vier-Jahre-Spektakel zu betrachten - sie sollten eine Fußball kultur etablieren. Doch von seinem Ziel, die US-Elf zu einer der besten der Welt zu machen, ist Klinsmann so weit entfernt wie Mexiko von Gott.

15. November: Die USA verlieren in Costa Rica. 0:4. Manche TV-Gurus halten Klinsmann nach wie vor für einen Visionär - immerhin hat er 2013 den Gold Cup (also die Kontinentalmeisterschaft) gewonnen, die Elf bei der WM 2014 erfolgreich durch die sogenannte Todesgruppe mit Deutschland, Portugal und Ghana geführt und bei der Copa América Centenario 2016 den vierten Platz erreicht. Die meisten TV- Gurus halten ihn inzwischen aber für einen Hochstapler, der als Trainer stets die Schuld bei anderen sucht (Schiedsrichter! Spieler!) und als Technischer Direktor die Nachwuchsteams nicht voranbringt.

19. November: Der scheidende US-Präsident Barack Obama fragt Klinsmann bei einem Abendessen in Berlin: "Ist nicht so gut gelaufen in Costa Rica, oder?" Dessen Antwort: "Nein, Mr. President - lief gar nicht gut." Auch nicht für ihn selbst. Verbandschef Sunil Gulati sagt zwei Tage später: "Entwicklung und aktuelle Form haben uns davon überzeugt, dass wir einen anderen Weg einschlagen müssen."

21. November: Der Verband verpflichtet Bruce Arena als Klinsmann-Nachfolger, der zuvor als TV-Guru der Klinsmann-ist-ein-Hochstapler-Fraktion zuzurechnen war. Tenor: "Nationalspieler sollten Amerikaner und nicht in anderen Ländern geboren sein. Und ich denke, ein Amerikaner sollte die Nationalelf trainieren."

22. November: Der Trainer Arena erklärt die Aussagen des TV-Gurus Arena zu Geschwafel eines TV-Gurus. Er wolle an Klinsmanns Praxis festhalten, auch in Europa ausgebildete Spieler mit US-Wurzeln zu berufen: "Ich möchte nur klarstellen, dass alle mit ganzem Herzen dabei sind."

März 2017: Die Spieler sind offensichtlich mit ganzem Herzen dabei. Es gibt ein 6:0 gegen Honduras und ein 1:1 in Panama. TV-Gurus loben Arena für seine Verlässlichkeit bei Taktik und Aufstellung.

11. Juli: Nach dem 2:0 zu Hause gegen Trinidad und Tobago sagt Stürmer Jozy Altidore: "Es herrscht eine andere Atmosphäre als vorher - eine, bei der alle hinter dem Trainer stehen." Verteidiger Geoff Cameron ergänzt: "Die Jungs sind nun positiver gestimmt und selbstbewusster." Die WM-Qualifikation ist mindestens so nah wie Mexiko.

26. Juli: Die Nationalelf schafft unter Coach Arena eine Serie von 14 Partien ohne Niederlage und gewinnt erneut den Gold Cup. Wer Vier-Minuten-Zusammenfassungen der Spiele sieht, der denkt: Läuft prima. Wer eine Partie über die komplette Spielzeit hinweg verfolgt, der erkennt: Arena überlegt quasi dauerhaft, ob er eine 4-5-1-Formation wählen soll oder doch lieber eine 4-5-1-Formation, und dann probiert er es mal mit einer 4-5-1-Formation. Das wissen jetzt auch die Gegner. Das US-Team wird berechenbar. Im Fußball gilt jedoch, was in jeder Sportart gilt: Wer gewinnt, hat recht. Arena verliert zumindest nicht.

1. September: TV-Guru Alexi Lalas, selbst 96 Länderspiele, später Wortführer der Klinsmann-ist-ein-Hochstapler-Fraktion, gibt dem Trainer Arena eine "Eins plus" für seine Arbeit.

5. September: TV-Guru Lalas sagt nach dem 0:2 gegen Costa Rica: "Klinsmann hat zu Hause gegen Mexiko verloren. Arena gegen Costa Rica. Bruce, du bist jetzt alleine verantwortlich." Er schimpft die Spieler "verweichlichte, tätowierte Millionäre".

6. Oktober: Die Nationalelf gewinnt 4:0 gegen Panama. Gegen Trinidad und Tobago, seit acht Spielen ohne Sieg, genügt nun ein Unentschieden zur WM-Qualifikation. TV-Guru Lalas wird gelobt für seinen Weckruf zur rechten Zeit.

10. Oktober: Die USA verlieren 1:2. Torwart Tim Howard sieht bei beiden Gegentreffern älter aus, als er jemals werden wird. Panama und Honduras gewinnen. "Wir müssen die Samthandschuhe ausziehen", fordert TV-Guru Twellmann: "Wir alle müssen den US-Fußball hinterfragen."

Vielleicht ja so: Die Mehrzahl der Amerikaner behandelt Fußball so, wie die meisten Deutschen mit Disziplinen wie Curling und Kugelstoßen umgehen: Alle vier Jahre ist das interessant, dazwischen eher nicht. Sie behandeln die populärste Disziplin der Welt wie eine Alle-vier-Jahre-Sportart und erwarten dennoch, zu den Besten der Welt zu gehören. Wie soll das gehen?

Vielleicht sollte ihnen mal jemand mitteilen, dass das so nicht funktioniert. Nur: Der Typ, der ihnen das immer wieder gesagt hat, den haben sie vor knapp elf Monaten entlassen.

© SZ vom 12.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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