1860 München:Von himmlischem Aufbruch zu höllischem Chaos

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Er will nicht mehr hinschauen: der 1860-Spieler Rubin Okotie (Foto: Bongarts/Getty Images)

Bierselig in einem Taxi über die Chefs zu lästern, kann sich rächen. Im Fall der vier suspendierten Profis von 1860 München ist aber vor allem das Strafmaß kritisch zu hinterfragen. Die Unruhe schadet dem ganzen Klub.

Von Markus Schäflein

Wenn man in ein Taxi steigt, kann man einiges verlieren: den Geldbeutel, das Handy, die Contenance - und gleich den ganzen Job. Das mussten jene vier 1860-Profis, die einen Abend vor einem trainingsfreien Mittwoch zum Ausgehen nutzten und dann nicht den Nachtbus nehmen wollten, nun schmerzlich erfahren.

Der Taxifahrer rief beim Verein an und meldete nicht nur die nachtschlafende Uhrzeit der Fahrt, sondern auch gleich die Gesprächsinhalte des munteren Grüppchens - das offenbar bierselig über die Bosse lästerte. Nun sind die Spieler vom Training der Profis suspendiert.

Suspendierte Spieler von 1860 München
:"Es war ein Fehler, den wir bereuen"

Die vier Profis von 1860 München, die am Montag wegen Disziplinlosigkeit in die U21 versetzt wurden, ringen sich zu einer öffentlichen Entschuldigung durch. Die Verantwortlichen des Fußball-Zweitligisten reagieren zurückhaltend.

Ihr Ausflug war selbstredend weder profimäßig noch besonders intelligent. Abgesehen vom Denunziantentum des Dienstleisters sorgte rund um die Grünwalder Straße aber vor allem die Frage für Gesprächsstoff, ob bei kolportierter Sachlage Vergehen und Strafe, vor allem deren Außenwirkung, in angemessenem Verhältnis stehen. Ob es nicht etwa eine Geldstrafe oder andere interne Maßnahmen auch getan hätten. Selbst unter den Löwenfans, die seit den Zeiten von Trainer Lorant noch mehrheitlich den eisernen Besen zu schätzen wissen, kritisierten etliche das Vorgehen des Vereins.

Zu den Sünderlein zählt auch der 18-jährige Julian Weigl, den Sport-Geschäftsführer Gerhard Poschner und Trainer Ricardo Moniz in einem atemberaubenden Tempo vom Talent zum Mannschaftskapitän und nun vom Kapitän zum Büßer gemacht haben. Rekordverdächtig schnell, selbst für Löwen-Verhältnisse, hat die neue Führung auch den Turnaround von himmlischer Aufbruchstimmung zu höllischem Chaos geschafft.

1860 befindet sich mitten in einem riesigen Umbruch und hat zudem zwei Auftaktniederlagen erlitten - sie ereigneten sich gegen schwere Gegner, was aber keine Rolle spielt, weil die Protagonisten selbst zum Weltuntergangsvokabular greifen. Sie schämen sich zu Tode, finden alles unterirdisch, und Moniz erklärte: "Letzte Woche waren wir tot. Jetzt ist es noch schlimmer."

Statt ohne Not die höchste Eskalationsstufe zu zünden, würden sich bei einem Neuaufbau andere an die wenigen Konstanten klammern - dazu gehört ein Kapitän. Und ein Torwart. Gabor Kiraly war nicht bei der Taxifahrt dabei, wurde aber gleich mitverbannt, weil er einen Mitspieler in der Leipzig-Partie an den Haaren gezogen hatte; Oliver Kahn wäre bei diesen Maßstäben seine gesamte Karriere lang suspendiert gewesen.

Der TSV, hatte Poschner angekündigt, dürfe keine Wohlfühl-Oase mehr sein. Diesen Vorsatz hält er. Die Hoffnung, dass Sechzig keine Chaos-Oase mehr ist, kann man zu den Akten legen.

© SZ vom 13.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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