Fehlstart bei TSV 1860 München:"Du schämst dich kaputt"

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So ist das bei 1860 München: Trainer Ricardo Moniz. (Foto: dpa)

Nach dem 0:3 gegen RB Leipzig ist die Stimmung beim TSV 1860 München nicht mies, sondern verheerend. Trainer Moniz schämt sich, Sport-Geschäftsführer Poschner beklagt den Fitnesszustand - und fünf Spieler werden aus dem Kader gestrichen.

Von Markus Schäflein

Dass die Stimmung mies sein würde an diesem verregneten Montagvormittag an der Grünwalder Straße, war abzusehen gewesen nach der 0:3-Niederlage des TSV 1860 München gegen RB Leipzig; dass sie allerdings derart verheerend sein würde, damit war dann doch nicht zu rechnen.

"Du schämst dich kaputt", sagte Trainer Ricardo Moniz, "das ist ein katastrophales Ergebnis, da gibt es nichts drumrumzureden." Sport-Geschäftsführer Gerhard Poschner meinte, die Mannschaft habe einen "unglaublich unfrischen und müden Eindruck gemacht". Und wo schon alles nach Fiasko klang, wurden dann auch noch gleich fünf Spieler aus dem Kader gestrichen - aus disziplinarischen Gründen.

Saison-Fehlstart bei 1860 München
:Moniz degradiert fünf Profis

Erster Knall der Saison beim TSV 1860 München: Nach der Heimniederlage gegen RB Leipzig verbannt das Trainerteam fünf Profis in die U21. Darunter sind Torhüter Gabor Király und der junge Kapitän Julian Weigl.

Torwart Gabor Kiraly, der in der Partie seinen Verteidiger Gary Kagelmacher nach einem Wortgefecht an dessen schönem Zopf zog und dafür die gelbe Karte erhielt, muss zudem eine Geldstrafe zahlen. Kagelmacher, der Kiraly verbal attackiert hatte, ihn allerdings nicht an den Haaren gezogen hatte (womöglich aus Mangel an Haaren), muss ebenfalls eine Strafe zahlen, bleibt aber im Kader. "Man kann verlieren, aber miteinander und mit Respekt. Wenn das wegfällt, werde ich scharf", sagte Trainer Ricardo Moniz, "so etwas will ich nicht mehr sehen."

Als der Trainer vor Saisonbeginn noch sagte, er habe gerne schwierige und aufbrausende Charaktere im Kader, weil diese einen weiterbrächten, meinte er damit offenbar etwas anderes als diese Szene im Oliver-Kahn-Stil. Sport-Geschäftsführer Gerhard Poschner sagte, die Entscheidung hätten Trainer und Klubführung unisono getroffen: "Es ist für einen Verein inakzeptabel, dass es auf dem Platz zu handgreiflichen Attacken kommt."

Wer dachte, das sei jetzt schon genug, wurde noch mit einer Überraschung konfrontiert: Aus Gründen, die laut Poschner "nichts mit dem Trainings- oder Spielbetrieb zu tun" haben, wurden vier weitere Akteure zum Training der Regionalliga-U21 geschickt. Das Quartett soll im Vorfeld des Spiels gegen Leipzig beim Feiern über die Stränge geschlagen haben; der Verein teilte zu den Gründen der Suspendierung, die "auf unbestimmte Zeit" (Poschner)

gilt, nichts Offizielles mit. Neben Ersatztorwart Vitus Eicher und den Mittelfeldspielern Yannick Stark und Daniel Adlung trifft dies auch den erst 18-jährigen Julian Weigl, von dem man bislang dachte, er müsse zu Hause sein, wenn die Straßenlaternen angehen. Moniz hatte den jungen Mittelfeldspieler kürzlich zum Kapitän gemacht, was Diskussionen auslöste. "Er hat sich selbst von der Binde befreit", sagte Poschner nun.

Eine Rückkehr der Spieler in den Profikader ist laut dem Sport-Geschäftsführer nicht ausgeschlossen: "Die Tür ist sperrangelweit offen für jeden, der an Bord sein will und die Regeln beachtet", sagte er, "aber sie ist offen in beide Richtungen." Dass etwa Kiraly am Wochenende im Pokalspiel bei Drittligist Holstein Kiel schon wieder mitwirken wird, "wage ich zu bezweifeln", sagte Poschner; für ihn stünde Zugang Stefan Ortega im Tor.

Als Poschner von jenem zweiten Vorfall erfahren hatte, der seines Wissens nach vier Spieler betraf, ging er am Montagvormittag in die Kabine. "Ich habe gesagt: Die, die dabei waren, sollen jetzt aufstehen, das ist eine Chance für sie", berichtete er, und, siehe da, genau vier standen auf. "Es spielt keine Rolle, ob ich enttäuscht bin", sagte er, "sondern ob sie selber von sich enttäuscht sind." Schließlich gebe es da diese "Tafel mit Regeln" im Spielertrakt, die alle Akteure unterzeichnet hätten: "Und da ist ein Wort dabei, das heißt Respekt."

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:In die Realität gestolpert

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Aus dem Stadion von Andreas Babst

So dermaßen viel Aufregung war selbst für Löwen-Verhältnisse verblüffend. Klar, der Saisonstart war mal wieder verpatzt, aber er war ja nicht gegen irgendwen verpatzt worden, sondern gegen Kaiserslautern und gegen das ambitionierte Fußball-Projekt von Red Bull, mit dessen Durchmarsch viele rechnen. Wo andere auf dieses schwere Startprogramm zumindest verwiesen hätten, suchten die Sechziger die Schuld mit irritierend harschen Worten ausschließlich bei ihrem eigenen Team.

"Die Mannschaft ist körperlich in einem Loch", sagte Poschner, was zu Saisonbeginn nicht der Fall sein sollte. "Das hat man in Kaiserslautern ab der 60. Minute gesehen, und gestern war es von der ersten bis zur letzten Minute so. Das sieht man auch an der Auswertung der Laufleistung, die war unterirdisch." Wer mag, hört Kritik an Trainer Moniz, doch so wollte das Poschner nicht gemeint haben. Es könne aber halt sein, "dass die Mannschaft so eine intensive Vorbereitung nicht gewohnt war".

Drittligist Kiel, danach die Aufsteiger Heidenheim und Darmstadt - es kommen jetzt weniger spektakuläre Gegner, gegen die Sechzig liefern muss. "Kurzfristige Ergebnisse gehören dazu, dessen sind wir uns bewusst", sagte Poschner. "Wir haben hier etwas komplett Neues aufgebaut, mit allen Risiken. Wir haben gleich richtig in die Scheiße gegriffen, jetzt wird sich zeigen: Sind wir Männer oder nicht?" Immerhin, die Mannschaft sei "definitiv besser, als sie sich präsentiert hat", sagte Poschner: "Wenn ich nicht daran glauben würde, müssten wir nach Hause gehen. Und dazu sind wir nicht bereit."

© SZ vom 12.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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