Union schlägt Wolfsburg:Nach Köpenicker Art

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Taiwo Awoniyi (kniend) bejubelt sein sechstes Saisontor, nur Haaland und Lewandowski haben mehr. (Foto: Julius Frick/imago)

Union Berlin bleibt auch im 21. Spiel zu Hause ungeschlagen. Trotz einer unansehnlichen ersten Hälfte und nur drei Schüssen aufs Tor steht am Ende ein 2:0. Wolfsburgs Trainer Mark van Bommel hadert - doch diese Siege sind typisch für Union.

Von Jens Schneider, Berlin

Jedes Fußballspiel hat seine eigene Geschichte, bei manchen freilich ist diese Geschichte, dass die beiden Mannschaften neunzig Minuten nach ihr suchen. Da ist dann viel Bewegung auf dem Platz, aber zu erzählen gibt es erst mal nichts. Wären da nicht ein oder gar zwei Momente, für die sich alles gelohnt hat, so wie an diesem Tag für Union Berlin.

Die erhoffte Geschichte dieses Nachmittags in Köpenick hätte die eines Spitzenspiels der Bundesliga sein können. Denn es traf ja der Champions League-Teilnehmer Wolfsburg auf ein Union Berlin, das nun erneut Richtung Europa strebt. Nur nach Spitze sah es höchstens nach dem Schlusspfiff aus, als die Berliner Zuschauer ihr Team feierten, das nun auf den fünften Platz gesprungen ist, nur einen Punkt hinter einem Champions-League-Rang.

Lange ist es ein kümmerliches Spiel

Vor diesem Sprung hatten die Fans allerdings eine kümmerliche erste Halbzeit gesehen, in der Berlin und Wolfsburg so spielten, wie es ihre Statistik vermuten lässt: Sie verstehen sich aufs Verteidigen. Tore erzielten die Wolfsburger in dieser Saison bisher wenige - nur neun in acht Spielen, zehn waren es vor dem Spiel bei Union, und lange Zeit gab es an diesem Samstag wenig Aussicht auf mehr. Beide Teams begegneten einander mit großer Vorsicht, blockierten sich im Mittelfeld, agierten in einer auf Sicherheit bedachten Spielweise.

Auch die Besten greifen mal daneben: Wolfsburgs Torwart Koen Casteels rutscht ein harmloser Kopfball von Sheraldo Becker (links) über die Linie, zum 2:0 für Union. (Foto: Matthias Koch/imago)

Dabei zeigten die Wolfsburger mehr Initiative als die Heimmannschaft, kontrollierten das Spiel und hatten in dieser ereignisarmen ersten Hälfte die einzige Chance. Dodi Lukebakio traf in der 25. Minute nach schöner Vorlage von Lukas Nmecha aus kurzer Distanz den Pfosten.

Eine gute Aktion von Max Kruse genügt

Ein Tor in diesem Moment, und die Geschichte dieses Spiels hätte gelautet, dass die spielbestimmende, bis dahin bessere Mannschaft vorn läge. "Wenn wir das Tor schießen, gewinnen wir das Spiel auch", sagte Wolfsburgs Trainer Mark van Bommel. Dann hätte seine bis dahin spielbestimmende Mannschaft Räume gehabt. Kann sein - aber wenn nicht, kommt es halt anders.

Union Berlin zeigte zunächst weiterhin wenig Ideen, auch Spielmacher Max Kruse konnte keine Lücken für gescheite Pässe oder Ablagen finden. Einmal verstolperte er gar den Ball kurz vor der Pause unbedrängt im gegnerischen Strafraum. Aber wen interessiert das, wenn der Spielmacher - der so langsam wirkt und so schnell schaltet - wieder mal einen besonderen Moment hat, einen nur: Diesmal in der 49. Minute, da leitete Kruse einen Pass direkt auf Genki Haraguchi weiter, der Taiwo Awoniyi frei spielen konnte. Der Stürmer erzielte das Führungstor, sein sechster Saisontreffer, nur Erling Haaland und Robert Lewandowski haben mehr.

Mark van Bommel hadert - Union habe kaum Torschüsse gehabt

Dies sei der erste Ball von Union auf das Wolfsburger Tor "zwischen den Pfosten gewesen", stellte Wolfsburgs Trainer van Bommel fest, um den extrem effizienten Stil des Gegners zu beschreiben. Wolfsburg hatte nun noch häufiger den Ball, Union verteidigte robust, konnte nach Balleroberungen einige schnelle Konter spielen. Es wurde ein Spiel ganz nach Köpenicker Art, wozu auch gehörte, dass Wolfsburg Chancen hatte, vor allem durch den spät eingewechselten Wout Weghorst, dabei aber nur harmlose Kopfbälle heraus kamen oder Unions Torhüter Andreas Luthe parierte.

Und Union traf noch mal. Andreas Voglsammer hatte von links geflankt, Sheraldo Becker köpfte aufs Tor, nicht mal zwingend platziert, aber Wolfsburgs Torhüter Koen Casteels ließ den Ball durch seine Hände über die Linie rutschen.

Drei Schüsse aufs Tor brachte Union insgesamt zustande. Das Wort Effizienz hört man oft in Köpenick, an diesem Abend noch häufiger als sonst, auch von Berlins Trainer Urs Fischer. "Wir waren heute wirklich sehr effizient", bestätigte er gern. Er räumte auch ein, Spielglück gehabt zu haben.

In Wolfsburg will man nichts von "Krise" hören

Das bedeutet aber nicht, dass er Effizienz und Spielglück für einen falschen Weg hält - wobei Wolfsburgs Trainer seinerseits darauf beharrte, dass der Fußball seiner Mannschaft "gar nicht so schlecht", er also auch auf dem richtigen Weg sei. Seine Mannschaft hatte deutlich mehr Ballbesitz, viel häufiger geflankt und aufs Tor geschossen. Er werde so ruhig weiter machen, als hätte er vier Mal hintereinander gewonnen, sagte van Bommel, als ein Reporter nach nun drei Niederlagen nacheinander unbedingt von ihm ein Wort wie "Krise" hören wollte.

Nach solchen Spielen wird gern gesagt, das Zustandekommen des Sieges sei doch egal. Das ist ganz und gar falsch. Im Leben wie im Fußball wird die Lobpreisung dem unansehnlichen Erfolg zu oft verweigert. Es ist diese Art zu gewinnen, die Union Berlin ausmacht, jetzt seit 21 Spielen im eigenen Stadion ohne Niederlage. Es waren schon ansehnlichere Spiele darunter, aber das Rezept ist immer das gleiche.

Das war am Ende die Geschichte dieses Spiels. "Man genießt das natürlich", sagt Trainer Urs Fischer, dennoch sei das eine Momentaufnahme. Seine Zielsetzung bleibe der Klassenerhalt. Eine Haltung, die zwingend zur Köpenicker Art gehört.

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