Union Berlin unterliegt Leipzig:22 Männer mit Klappmessern

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Hatte viel zu tun: Schiedsrichter Daniel Schlager (Mitte) leitete eine aufgeheizte Partie - und zückte einmal sogar glatt Rot. (Foto: O.Behrendt/Imago)

Der 1. FC Union verliert nach eineinhalb Jahren mal wieder ein Bundesliga-Heimspiel. Beim 0:3 gegen Leipzig schauen zwei Prominente von der Bank zu - und ein Neu-Berliner sieht Rot.

Von Javier Cáceres, Berlin

Mit der gleichen schleichenden Beiläufigkeit, mit der allmählich der Herbst in Berlin Einzug hält, hat RB Leipzig der imposanten Heimserie des 1. FC Union Berlin von 24 Partien ohne Niederlage ein Ende bereitet. Die Leipziger siegten am Sonntag mit 3:0 - und erzielten damit das gleiche Resultat, das am 13. Februar 2022 auf der Anzeigentafel aufgeschienen war, als mit Borussia Dortmund letztmals ein Gegner Köpenick eingenommen hatte. Trainer des BVB war damals Marco Rose, der nun die Leipziger trainiert.

Die Sachsen schoben sich in der Tabelle an den punktgleichen Berlinern vorbei und stehen nun mit sechs Zählern auf dem vierten Rang. Mildernde Umstände durften für die Unioner insofern gelten, als sie wegen einer roten Karte eine gute halbe Stunde in Unterzahl spielen mussten.

Union-Fans mit bekanntem Protest gegen das "Konstrukt RB Leipzig"

Eine Visite von RB Leipzig in Köpenick ist immer und notwendigerweise eine Erinnerung an den ersten Tag, den Union Berlin in der Bundesliga verbrachte. So wie damals im Sommer 2019 gab es auch am Sonntag wieder ein fünfzehnminütiges Protest-Silentium der Union-Fans gegen das "Konstrukt RB Leipzig". Doch das war's dann auch schon weitgehend mit den Ähnlichkeiten. Union ist nicht mehr jenes schüchterne Gebilde, dass sich mit 4:0 daheim überrennen lässt wie damals - sondern ein Team, das einen etablierten Champions-League-Teilnehmer wie Leipzig duzt. Und sich, umgekehrt, dessen Respekt erarbeitet hat.

Man konnte das, unter anderem, an der verbissenen Ernsthaftigkeit ablesen, mit der Leipzig ins Spiel ging. Sie war dem Standard, den Union regelmäßig abliefert, absolut ebenbürtig. Die Ästhetik eines Spiels leidet zwangsläufig, wenn sich 22 Männer mit Klappmessern gegenüberstehen. Es sei denn, sie heißen zufällig "Jets" oder "Sharks" und spielen gerade beim Tanz-Klassiker "West Side Story" mit. Aber: Das hieß am Sonntag nicht, dass die Partie geringzuschätzen oder bar jeder Spannung gewesen wäre. Im Gegenteil.

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Dass sich die Zahl der Torgelegenheiten in der ersten Halbzeit in Grenzen hielt, hatte vor allem mit der Aufmerksamkeit der jeweiligen Abwehrreihen zu tun. Union fand im Grunde ein einziges Mal eine kleine Ritze in einem dichten Defensivgitter der Gäste, als Startelfdebütant Kevin Volland aus vollem Lauf per Kopf an RB-Keeper Janis Blaswich scheiterte (13.); Leipzig versuchte sich via Yussuf Poulsen (15.) und Xavi Simons (20.) aus der Distanz. Ansonsten sah Unions Last-Minute-Zugang Leonardo Bonucci aus Italien das, was man jenseits der Alpen intensità nennt. Auch die Leipziger hatten einen Promi unter den Bankdrückern: Timo Werner, gerade von Bundestrainer Hansi Flick ausgebooteter Stürmer. Er kam wie Unions Bonucci nicht zum Einsatz.

Eine schlecht getimte Grätsche zwingt Union Berlin in die Unterzahl

Was sie kurz nach der Pause sahen, war ein Bluff. Das Aroma der Partie würde sich nicht verändern - das war die Botschaft, die von den ersten Minuten ausging. Dann aber trieb Kevin Kampl den Ball vor sich her, bis er Benjamin Henrichs entdeckte, und dieser den Ball zurück auf Xavi Simons legte. Der Niederländer mit dem katalanischen Vornamen zirkelte den Ball aus 17 Metern gefühlvoll unter die Querlatte (51.) - und erzielte damit das 1:0 für Leipzig. Kurz danach zog Schiedsrichter Daniel Schlager die Scheinwerfer auf sich: Nachdem er in der ersten Halbzeit einen unsicheren Eindruck gemacht hatte, übte er sich nun in Gewissheit und stellte Unions Stürmer Volland wegen einer schlecht getimten Grätsche gegen Mohamed Simakan mit glatt Rot vom Platz. Rose nahm den in den folgenden Sequenzen brutal ausgepfiffenen Simakan vom Feld. Auch in dem Wissen, dass ihm die Überzahl nur in die Hände spielen konnte.

Das lag auch daran, dass sich nun noch viel deutlicher bemerkbar machte, wie sehr Union gerade im Mittelfeld unter Verletzungssorgen leidet. Leipzig regierte mit großer Souveränität und Sachlichkeit; zu den wenigen Momenten, in denen so etwas wie Kunst aufschien, zählte ein 20-Meter-Lupfer von Dani Olmo, den Union-Torwart Fredrik Rönnow brillant parierte. Oder auch ein Schuss von Henrichs nach Olmo-Vorlage (83.). Und eben das 2:0 und das 3:0 für Leipzig, die der eingewechselte Benjamin Sesko erzielte: das 2:0 (85.) nach einem Konter, den er durch Schnelligkeit und filigrane Ballfertigkeit zum Erfolg führte, das 3:0 durch einen Kopfball nach Außenristlupfer von Olmo (86.). Das war zu einem Zeitpunkt, da die Ränge in Stille verfallen waren. Jedoch nicht wie zu Beginn der Partie aus Protest, sondern wegen eines Notarzteinsatzes im Gästeblock.

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