Union Berlin:Meister der Körperlichkeit

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Die Zeit ist auf ihrer Seite: Christian Streich (links) und Urs Fischer haben den Reifeprozess ihrer jeweiligen Mannschaften mehr als zwei Spielzeiten begleitet. (Foto: Ralph Orlowski/AFP)

Union Berlin gewinnt in Freiburg mit 1:0. Im Duell der wohl beliebtesten Trainer der Liga macht der unterlegene Christian Streich dem Team seines Kollegen Urs Fischer danach ein besonderes Kompliment.

Von Christoph Ruf

Vor dem Berliner Auswärtssieg in Freiburg unterhielten sich Urs Fischer und Christian Streich auffallend lange am Spielfeldrand. Man darf davon ausgehen, dass das in ihrem jeweiligen Dialekt geschah, was all die wundern dürfte, die meinen, dass der im Kanton Luzern geborene Fischer und der 80 Kilometer weiter nordwestlich an der Schweizer Grenze aufgewachsene Streich auch vor den Kameras bereits Dialekt redeten. Der Grund für den freundlichen Plausch im Heimat-Idiom war dann auch schnell ermittelt: Fischer feierte am Samstag seinen 55. Geburtstag, und das ja "fast in der Heimat", wie Deutschlands zweitbester Trainer fand.

Der Kicker hatte in der vergangenen Woche eine Umfrage durchgeführt, an der über 50000 Leser teilnahmen und bei der es auch darum ging, die Arbeit der einzelnen Bundesligatrainer mit Schulnoten zu bewerten. Platz eins sicherte sich Fischer, knapp dahinter folgte Streich. Offenbar hat die Leserschaft des Fachblattes zurecht den Verdacht, dass es auch etwas mit dem Übungsleiter zu tun haben könnte, wenn Vereine wie Union und Freiburg auf Platz sieben und neun der Tabelle stehen.

Wenn die Berliner den Ball bekommen, geht es flott

Am Samstag war es allerdings Fischer, der beim Aufeinandertreffen der beiden Einserschüler mehr Grund zur Zufriedenheit hatte. Zumal der Berliner 1:0-Sieg nicht zuletzt das Ergebnis einer Herangehensweise war, mit der Freiburg nicht zurande kam. Vor allem im ersten Durchgang erinnerte Union an ein Krokodil, das träge in der Sonne liegt, um zielgerichtet zuzuschnappen, wenn angemessen große Beute vorbeischwimmt. Zwar hatte der SC am Ende 64 Prozent Ballbesitz. Doch Union bewies die ganze Partie über konsequent, wie wenig hohe Ballbesitzquoten für den Gegner aussagen, wenn für ihn der eigene Strafraum Tabuzone bleibt.

Erst im Mittelfeld griffen die Berliner Freiburg an - das dafür aber überfallartig. Und wenn danach tatsächlich mal der Ball am Fuß eines Berliners blieb, ging es flott. Joel Pohjanpalos Fallrückzieher landete in den Armen von SC-Keeper Florian Müller (15. Minute), ein Schuss von Robert Andrich verfehlte das Freiburger Tor nur um einen Meter (29.). Und im zweiten Durchgang köpfte Grischa Prömel in der 64. Minute nach schöner Flanke von Marcus Ingvartsen das Tor des Tages.

"Er hat sich einen Sieg gewünscht, den hat er bekommen", sagt Loris Karius

Freiburg brachte hingegen nur zwei Torchancen zustande: Lucas Höler (52.) und Roland Sallai (73.) vergaben sie. "Ich kenne keine Mannschaft in der Bundesliga, die diese Körperlichkeit auf den Platz kriegt wie Union", sagte Streich, der damit sicher die Tatsache meinte, dass die im Schnitt gefühlt 20 Zentimeter größeren Union-Spieler fast jedes Kopfballduell gewannen. Er wunderte sich aber auch nicht ohne Grund, dass Niko Gießelmann nach einer rustikalen Notbremse gegen Wooyeong Jeong auf Kniehöhe nur die gelbe Karte sah (83.)

Streichs Kollege Fischer kleidete sein Lob über die Defensivleistung seiner Elf derweil in die schöne Formulierung, man habe "solidarisch verteidigt". Und da Max Kruse trotz auskurierter Blessur über 90 Minuten auf der Bank blieb, übernahm es der Keeper, den Freudentag des Coaches noch mal zu würdigen: "Er hat sich einen Sieg gewünscht, den hat er bekommen. Ein perfekter Tag für ihn", fand Loris Karius nach einem aus seiner Sicht ausgesprochen langweiligen Nachmittag bei 17 Grad Celsius.

Für Freiburg, das bis zur Niederlage gegen Union in sieben Heimspielen in Serie ungeschlagen geblieben war, folgen nun zwei Partien, in die sie eher nicht als Favorit gehen. Doch sowohl in Leverkusen als auch zu Hause gegen Leipzig dürfte es der jeweilige Gegner sein, der öfter am Ball ist. Nach den Erkenntnissen vom Samstag ist das eher eine erfreuliche Perspektive.

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