Union verliert gegen Hoffenheim:Da zürnt sogar Urs Fischer

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"Ich darf von einem Profi schon auch erwarten, dass er auch mal zwei Spiele innerhalb von drei Tagen spielen kann": Unions Trainer Urs Fischer. (Foto: Andreas Gora/dpa)

Nach der vierten Niederlage in Serie prangert der sonst so ruhige Union-Trainer die phasenweise "Nichtleistung" gegen Hoffenheim an. Seine Halbzeitansprache bewirkt zwar eine Reaktion - doch die TSG verteidigt wie Union in besten Zeiten.

Von Javier Cáceres, Berlin

Urs Fischer hat gemeinhin die Ruhe weg. Und es kommt eher selten vor, dass die Lautstärke seiner Äußerungen variiert. Am Samstag, in der Halbzeit des Spiels gegen die TSG 1899 Hoffenheim, war das jedoch eingestandenermaßen anders. "Ich war laut", sagte der Trainer des 1. FC Union Berlin, und "ich glaube, die Worte kamen an." Das Gute aus seiner Sicht war, dass Letzteres eine eindeutige Leistungssteigerung seines Teams bedeutete. Das Schlechte, dass es nicht reichte. Und am Ende doch stand, dass die Alte Försterei ihren einschüchternden Charakter zu verlieren droht.

Zwei Wochen nach der ernüchternden 0:3-Niederlage gegen RB Leipzig unterlag Union am Samstag Hoffenheim mit 0:2 (0:2). Der Sieg der Kraichgauer gehe absolut "in Ordnung", sei verdient, sagte Fischer noch. Und erlegte sich selbst in der Pressekonferenz ein weitgehendes Silentium auf. Nicht, dass er via Medien noch ein Wort fallen lässt, das er bereut.

Bonucci ist an beiden Gegentreffern beteiligt - er ist der einzige Unioner, der alt aussieht

Wegen der 0:2-Niederlage hat Union zum ersten Mal seit 2019/2020 vier Niederlagen nacheinander aufzuweisen, im Gegensatz zu damals wettbewerbsübergreifend. Nun kann man gegen Leipzig, in Wolfsburg, bei Real Madrid und gegen dieses Hoffenheim schon mal verlieren. Fischer sprach am Samstag aber von einer "Nichtleistung" seiner Mannschaft, er sei darob "angefressen". Einen direkten Zusammenhang mit der Champions-League-Partie bei Real Madrid vom Mittwoch (0:1 in der 94. Minute) sah Fischer aber ausdrücklich nicht. Die zweite Hälfte habe eindrucksvoll belegt, dass dieses Spiel nicht in den Beinen der Spieler steckte. Denn nach der Halbzeitansprache stimmten die Basics wieder. Immerhin.

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Das galt auch für Unions italienischen Europameister Leonardo Bonucci, 36, der drei Tage nach seinem Auftritt in Madrid in der Königsklasse auch in der Bundesliga für die Berliner debütierte. Blöd nur: Er war auf den Fotos der beiden Gegentreffer gut zu sehen. Erst verschuldete er den Foulelfmeter, der in die Hoffenheimer Führung mündete, indem er Andrej Kramaric an den Bizeps gegriffen und ihn damit im Strafraum umgerissen hatte. Kramaric selbst verwandelte den Strafstoß sicher (21.). Beim 2:0 wiederum war Bonucci zu spät, als Maximilian Beier einer flachen Hereingabe von rechts entgegenlaufen und den Ball mit einem Ausfallschritt ins Tor verlängern konnte. Allerdings war, siehe oben, Bonucci nicht der einzige Unioner, der zu diesem Zeitpunkt der Partie alt aussah.

Hoffenheims Abwehrarbeit steht den besten Union-Defensivleistungen in nichts nach

Den Hoffenheimern war zu diesem Zeitpunkt etwas anzumerken, was das ganze Spiel über hielt: das Selbstbewusstsein nach zuvor drei Siegen in Serie. Und der Wille, in der Defensive auf jeden überflüssigen Schnörkel zu verzichten und im Zweifelsfall mit stählernen Füßen dazwischenzufahren. Keine Szene illustrierte das besser als ein Befreiungsschlag des enorm bissigen TSG-Innenverteidigers John Anthony Brooks. In der 5. Minute schoss er den Ball aus dem Stadion.

Mit ihrer engmaschigen Verteidigung, die den besten Union-Defensivleistungen der Vergangenheit in nichts nachstand, verhinderten die Hoffenheimer in der ersten Halbzeit mit großem Geschick längere Ballbesitzphasen der Köpenicker. Nicht, dass die Unioner außerordentlich berühmt dafür wären, den Ball kreisen zu lassen wie die niederländische WM-Mannschaft von 1974. Aber derart viele und einfache Ballverluste im Aufbau waren auffällig. Vielversprechende Abschlüsse waren Mangelware, körperliche Verteidigung ebenfalls. Und die Berliner konnten kurz vor der Pause von Glück reden, dass der Videoschiedsrichter den Referee Deniz Aytekin korrigierte: Ein Foul von Danikho Doekhi war zweifelsfrei außerhalb des Strafraums gewesen, der von Aytekin verhängte Elfmeter wurde annulliert.

Stark am Ball, aber unglücklich im Abschluss: Berlins David Datro Fofana (li.) schießt gegen Hoffenheim kein Tor. (Foto: Andreas Gora/dpa)

Danach folgte doch die Union-Reaktion. Zwar setzte der Hoffenheimer Ihlas Bebou kurz nach seiner Einwechslung einen Ball ans Außennetz. Danach aber war unverkennbar, dass Union gegen das Resultat aufbegehrte. Der Berliner Klub hatte Chance um Chance, durch Kevin Behrens (59./60.), zweimal durch Lucas Tousart - und vor allem durch David Datro Fofana, der zur zweiten Halbzeit eingewechselt wurde. Beim ersten Mal ließ der Ivorer den Ball im Strafraum wie ein Seehund in der Luft tanzen; bei seinem Schuss aber bekam ein Hoffenheimer noch ein Bein dazwischen (68.). Kurz danach setzte sich Fofana mit einem spektakulären Dribbling bis in den Fünfmeterraum durch, doch bei seinem Schuss aus spitzem Winkel war Hoffenheims Torwart Oliver Baumann zur Stelle. Baumann zeichnete sich ein weiteres Mal aus, als Janik Haberer nach der folgenden Ecke aus zehn Metern den Ball per Kopf aufs Tor wuchtete.

Auch Trainer Fischer beteiligte sich am Angriffsdrang und wechselte alles ein, was nach Attacke roch: Es kamen Mikkel Kaufmann, Aïssa Laïdouni, Benedict Hollerbach. Doch am Ende reichte es nicht, weil sich Hoffenheim sehr tief einbuddelte, im Zweifelsfall im eigenen Strafraum. Schiedsrichter Aytekin ordnete sechs Minuten Nachspielzeit an. Doch in der Alten Försterei passierte nicht, was Union am Mittwoch in der Champions League bei Real Madrid ertragen musste: dass die Partie noch eine letztminütige Wendung nahm. Und dennoch war's in Köpenick am Ende wie immer: Die Mannschaft wurde von den Fans mit einer Standing Ovation gefeiert, als hätte es die erste Halbzeit nie gegeben.

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