Union Berlin verliert erneut:"Er hat den Job, er behält den Job"

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Verliert ständig, soll aber bleiben: Union-Trainer Urs Fischer. (Foto: Michael Taeger/Jan Huebner/Imago)

Gegen Frankfurt kassiert der 1. FC Union Berlin ein 0:3 und damit die zwölfte Niederlage nacheinander. Gleichwohl wird Trainer Urs Fischer im Amt bestätigt - und vom Anhang in beispielloser Weise gefeiert.

Von Javier Cáceres, Berlin

Der Fußball hat seine eigene Zeitrechnung, doch er kennt einen ätherischen Begriff namens Ewigkeit. Und wie man aus empirischen Erhebungen weiß, ist das Gefühl der Ewigkeit niemals stärker als bei Niederlagenserien. Am Samstag konnte man sich wieder einmal beim 1. FC Union Berlin erkundigen, wie sich unendliche Geschichten so anfühlen - und frappierende Antworten erhalten.

Vor dem Duell mit Eintracht Frankfurt hatte Union in Liga, Pokal und Champions League elf Mal hintereinander verloren, seit Samstag ist das Dutzend an Pleiten voll. Die Eintracht siegte nach einer 2:0-Halbzeitführung mit 3:0 und stürzte Köpenick auf den 16. Tabellenplatz. "Es ist schwierig, schon in dieser Phase der Saison von Abstiegskampf zu sprechen. Aber wir müssen es tun", sagte Kapitän Christopher Trimmel.

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Die Partie hatte noch lange nicht begonnen, da schien sie einen Sieger geboren zu haben, der dann doch, wie in letzter Zeit gehabt, als Verlierer dastand: Unions Trainer Urs Fischer. Der Kader lief sich gerade warm, als Fischer zum obligatorischen Interview am Spielfeldrand geführt wurde und sich auf den Rängen ein Chor erhob: "Urs Fischer! Urs Fischer!" Fischer lächelte. Später sollte er sagen, dass es "großartig" gewesen sei, weil die Unterstützung "auch ein bisschen diesen Zusammenhalt von Union beschreibt, der wird nicht nur erzählt, sondern gelebt".

Es dauert nur zwei Minuten, dann geht Frankfurt in Führung

Nur: Er half nichts. Denn noch ehe die Partie alt genug war, den Unionern die Chance auf Sicherheit zu bieten, war Eintracht Frankfurt schon in Führung gegangen. Das heißt: nach rund zwei Minuten.

Das Tor widerfuhr Union auf die klassisch erbarmungslose Weise, die noch jede Mannschaft kennengelernt hat, die jemals "unten drinhing", wie man so schön sagt. Der Frankfurter Farès Chaibi schlug von der linken Seite einen Freistoß an den Strafraumrand, dort rumpelte Unions Mittelfeldspieler Alex Kral den Ball vor die Füße von Kapitän Trimmel, und dieser hatte keine Chance, auch nur zu reagieren. Die Folge: Omar Khaled Marmoush hatte freie Bahn, um aus 14 Metern flach einzuschießen. 0:1.

Gut zehn Minuten später hatte die Eintracht nicht nur ein ums andere Mal gezeigt, dass sie auf der linken, von Robin Gosens eher schlecht als recht gehüteten Abwehrseite der Berliner Öl vermutete. Und dann nutzte sie das aus. Hugo Larsson stieß durch, konnte von Unions Innenverteidiger Diogo Leite nicht mehr gestellt werden, und Gosens war gerade missing. Larsson konnte quer auf Marmoush legen, der Ägypter schob aus drei Metern ein. 0:2.

Berlins Fans unterstützen Trainer Urs Fischer. (Foto: Uwe Koch/Eibner/Imago)

Der Treffer traf die Unioner erkennbar ins Mark; gleichwohl vermochten sie es, sich vors Tor der Frankfurter zu quälen. Auch weil David Fofana - zuletzt eine Woche lang suspendiert, weil er bei einer Auswechslung den Handschlag mit Trainer Fischer verweigert hatte - um Rehabilitation bemüht war. Er wagte einen ersten Schuss aufs Tor, der von der Brust von Eintracht-Torwart Kevin Trapp abprallte; dann traf Fofana bei einem Kopfball nach Trimmel-Flanke lediglich die Unterkante der Querlatte (19.). Und natürlich sprang der Ball von dort ins Feld und nicht hinter die Torlinie. Als hätte Union in den Jahren des ununterbrochenen Aufstiegs, der seit 2019 anhält, auch das letzte Nanogramm Glück aufgebraucht.

Danach war die Partie fest in der Hand der stoischen Frankfurter. Den Unionern fiel es schwer, dem eigenen Hadern Herr zu werden und eine klare Spielidee zu entwickeln. Das änderte sich erst mit der Hereinnahme von Neu-Nationalstürmer Kevin Behrens, der in der 56. Minute für Benedict Hollerbach kam, kurz danach eine erste Gelegenheit hatte - und damit eine kurze Drangperiode der Unioner einleitete. Es war wieder Fofana, der die aufsehenerregendste Chance hatte - mit einem Drehschuss aus 14 Metern, den SGE-Keeper Trapp um den Pfosten lenkte (58.).

Zehn Minuten später setzte Behrens nach einer Laidouni-Flanke neben das Tor - und vergab damit eine dieser Chancen, die er vor drei Monaten noch ins Tor gewuchtet hätte. Danach haderte er nicht mehr im übertragenen, sondern im Wortsinne; wegen eines möglichen Foulelfmeters an Laidouni, der einerseits nicht zwingend genug war, um gepfiffen zu werden, andererseits im Nachhinein wohl kaum vom Videoschiedsrichter moniert worden wäre, hätte ihn der Referee tatsächlich verhängt. Am Ende aber war es ein haarsträubender Rückpass des insgesamt enttäuschenden Robin Gosens, der zum 0:3 führte - just als Fischer einen letzten Dreierwechsel vorbereitete.

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Frankfurts Joker Nacho Ferri, ein Spanier aus dem Nachwuchsleistungszentrum, fing den Ball ab und spielte mit dem ebenfalls eingewechselten Mario Götze Doppelpass; der Torschuss war für den Spanier nach der genialischen Aktion des Weltmeistertors von 2014 nur eine Formsache - und Union vor dem Champions-League-Ausflug nach Neapel auf einen Abstiegsplatz gestürzt.

Was dies für die berufliche Zukunft von Trainer Fischer bedeutet? Trotz der formidablen Zahl von zwölf Niederlagen: nichts. "Er hat den Job, er behält den Job", hatte Präsident Dirk Zingler unmittelbar vor der Partie im TV gesagt, Fischer selbst sagte, er sehe keinen Anlass für einen Rücktritt. Das galt auch nach dem Spiel.

Zinglers Worte ratifizierten übrigens die Einlassungen, die er in einem Grußwort im Stadionheft an die Besucher gerichtet hatte. Es werde ein mühsamer Weg, schrieb Zingler: "Aber was wären wir für Unioner, wenn wir ihn nicht voller Überzeugung beschreiten würden?" Und das heißt vorerst weiter: mit Fischer, nicht ohne ihn.

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