Union Berlin verliert in Bochum:Aufgefressen vom eigenen Spiegelbild

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Stolpern im Westen: Andras Schäfer im Zweikampf mit Kevin Stöger. (Foto: David Inderlied/dpa)

Der Tabellenführer Union Berlin unterliegt beim vormaligen Tabellenletzten VfL Bochum mit 1:2. Der Vorsprung auf den FC Bayern beträgt nur noch einen Punkt.

Von Philipp Selldorf, Bochum

Auf dem Weg zur zwar absolut inoffiziellen, aber historisch einmaligen Weltmeisterschaft-Meisterschaft (in Vertretung der Weihnachtsmeisterschaft) ist der 1. FC Union Berlin überraschend gestolpert. Beim VfL Bochum gab es für den Tabellenführer eine 1:2-Niederlage, an deren Folgerichtigkeit kein Zweifel bestehen durfte. Die Bochumer gewannen nicht verdient, sondern hochverdient, und die Berliner mussten dabei das Gefühl haben, dass sie ständig in den Spiegel schauten - sie wurden mit ihren eigenen Mitteln besiegt. Der VfL ließ den Gegner auf keinem Quadratzentimeter des Rasens ungestört, begab sich in ungefähr tausend Zweikämpfe und unterdrückte mit seiner aggressiven Gegenwehr jegliche Spielentwicklung des Favoriten.

Hektik kam im Bochumer Strafraum lediglich in der Schlusssequenz der Nachspielzeit auf, nachdem Milos Pantovic den Anschlusstreffer erzielt hatte. Ein letzter Angriff rollte anschließend noch heran, der Ball gelangte in den Strafraum, und mancher Bochumer hielt vermutlich die Luft an, als Pantovic im Gerangel zu Boden fiel. Aber Deniz Aytekin zeigte sofort an, dass ihm der Fall keinen Pfiff wert war. Als der Schiedsrichter kurz darauf die Partie beendete, hatten die Bochumer erstmal Mühe, sich angemessen zu freuen. Die meisten waren zu erschöpft, um richtig zu jubeln. Nach dem Pokalerfolg beim SV Elversberg haben sie binnen fünf Tagen den nächsten Tabellenführer geschlagen. "Bochum war schärfer und frecher, sie haben uns ein bisschen aufgefressen in der ersten Hälfte", stellte Urs Fischer fest.

Ein wesentlicher Bestandteil der Spielidee, die VfL-Trainer Thomas Letsch entworfen hatte, war schon bald nach dem Anpfiff enthüllt. Die schnellen Jordi Osei-Tutu und Christopher Antwi-Adjei hatten den Auftrag, einerseits den wesentlich weniger schnellen Mittelstürmer Philipp Hofmann im Strafraum einzusetzen und andererseits den Berliner Spielaufbau zu stören. Beide nahmen sich der Aufgabe mit großem Eifer an. Frederik Rönnow im Berliner Tor sah sich nach Rückgaben seiner Vorderleute jedes Mal aufs Neue Stress ausgesetzt, wenn ihn die Bochumer Flügelstürmer anliefen. Der dänische Keeper hielt es aus und blieb cool, aber der Kniff verfehlte seine Wirkung nicht, die Berliner fanden partout nicht in den Vorwärtsgang. "Wir haben es von der ersten Minute an geschafft, den Gegner unter Druck zu setzen", resümierte Bochums Trainer Thomas Letsch.

Bochum hat Glück, dass Verteidiger Ivan Ordets nicht vom Platz gestellt wird

Unions gefürchtetes Sturmduo sah den Bochumer Strafraum meist nur aus der Ferne. Während Jordan Siebatcheu immerhin sichtbar am Spiel teilnahm und einige raue Duelle mit seinen Bewachern für sich entscheiden konnte, blieb Sheraldo Becker ein anonymer Statist. Nach einer Stunde entschied Urs Fischer, den Paradesturm abzuberufen. Fischer: "Auf den letzten 30 Metern waren wir einfach zu unpräzise."

Die Partie hätte allerdings auch einen ganz anderen Verlauf genommen, wenn Aytekin nach 18 Minuten Bochums Verteidiger Ivan Ordets für sein Foul an Janik Haberer härter bestraft hätte. Die gelbe Karte war eine mehr als gnädige Sanktion für den ukrainischen Abwehrspieler, der mit hochgradig übertriebener Härte ins Tackling gegangen war. Haberer erhob sich nach der medizinischen Behandlung zum Weiterspielen. Aber wenig später musste er sich dann doch auswechseln lassen. "Da lag Herr Aytekin einfach falsch. Mit der Geschwindigkeit zu attackieren, mit offener Sohle - da hatte Bochum einfach Glück", meinte Fischer. Mit zehn Mann hätte der VfL logischerweise eine andere Linie verfolgen müssen, so aber rang er die Unioner Stück für Stück nieder. Hofmanns Führungstor durch den platzierten Kopfball nach einer Ecke kurz vor der Pause fiel nicht überraschend.

Die Partie änderte auch im zweiten Abschnitt nicht die Richtung. Bochum suchte weiterhin die Offensive, Berlin die Mittel, um endlich Fahrt aufzunehmen. Doch das 2:0 war stets näher als das Ausgleichstor. Dem eingewechselten Gerit Holtmann war es schließlich beschieden, eine starke Kombination über Kevin Stöger und Antwi-Adjei zum 2:0 abzuschließen (71.). Kurz darauf verpasste Union die unverhoffte Chance zur möglichen Wende, als Pantovic zum Foul-Elfmeter antreten durfte (77.). Er schoss halbhoch - und Manuel Riemann wehrte ab. Alte Weisheit: Wenn gar nichts geht, dann geht nicht mal ein Elfmeter.

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