FC Bayern ohne Manuel Neuer:Probezeit für einen verdienten Mitarbeiter

Lesezeit: 2 min

"Man bereitet sich ja jede Woche auf einen möglichen Einsatz vor, damit man ready ist": Sven Ulreich bei der Arbeit. (Foto: Mladen Lackovic/imago)

Sven Ulreich, 33, wird in den kommenden Wochen den verletzten Manuel Neuer vertreten. Seine Leistungen könnten darüber entscheiden, wie die Bayern auf der Torwartposition weiter planen.

Von Christof Kneer

Der Fußballprofi Sven Ulreich war erst 26 Jahre alt, als er die Entscheidung traf, nicht mehr so oft Fußball spielen zu wollen. Als er diese Entscheidung traf, beschloss er gleichzeitig, künftig sehr viele Titel zu gewinnen und sehr viel mehr Geld zu verdienen. Also verließ er im Sommer 2015 seinen Heimatverein, den VfB Stuttgart, für den er als Stammtorhüter 176 Bundesligaspiele bestritten hatte, und wechselte zum FC Bayern - wo sich seine Erwartungen übererfüllten.

Er gewann sehr viele Titel und verdiente sehr viel Geld, aber vor allem bestritt er 46 Spiele - eine Art Weltrekord in einem Verein, in dem Manuel Neuer spielt. Neuer ist kein Unmensch, aber er ist unfassbar gefräßig. Von der Vorspeise in der Saisonvorbereitung bis zum allerletzten Nachtisch (einem Saisonabschlusskick gegen den dritten Fanklub von links) nimmt er, was er kriegen kann; wer sich mit ihm Tisch und Tor teilt, weiß, dass er von ein paar Bröseln satt werden muss.

Aber Ulreich hatte sich eine historische Zeit beim FC Bayern ausgesucht. Es war die Zeit, als der Siegfried im Tor seine Schwachstelle offenbarte, die sich entgegen der Mythologie am Mittelfuß befand. Neuer fiel lange aus. Ulreich spielte, meistens sogar gut, und als der Siegfried wieder fit war, trug Ulreich im Training der kleinen Torwartgruppe zu einem harmonischen Betriebsklima bei, das einem Leistungsklima nicht widersprach.

"Sven wird eine gute Leistung bringen, auch die nächsten Wochen", hat Bayerns Trainer Julian Nagelsmann an diesem Freitag gesagt, man sei "im Tor gut aufgestellt". Es ist mal wieder so weit: Neuer hat sich zur allgemeinen Überraschung einer Knie-OP unterziehen müssen und wird ein paar Wochen ausfallen, wie es bei Bayern etwas vage heißt. Er sei "bereit für das Spiel", hat Ulreich, 33, vor der Auswärtspartie in Bochum nun mitgeteilt, "man bereitet sich ja jede Woche auf einen möglichen Einsatz vor, damit man ready ist".

Der Bielefelder Stefan Ortega war und ist ein Kandidat - im Sommer ist er ablösefrei

Die Frage, wie ready Ulreich noch ist, wird kaum über den Ausgang der deutschen Meisterschaft entscheiden, die der FC Bayern wohl nur dann verspielen würde, wenn sämtliche Mittelfüße im Klub gleichzeitig zu Bruch gingen. Für die internen Geschäftsvorgänge dürften die kommenden Wochen aber durchaus relevant werden: Die Bayern müssen entscheiden, wie sie im Tor weiter planen.

Ulreichs Vertrag läuft im Sommer aus, und so kommt es zur kuriosen Situation, dass dieser verdiente Mitarbeiter nochmal eine Art Probezeit bestehen muss. Unter Nagelsmann hat sich der Münchner Fußball weiter vom klassischen Torwartspiel wegentwickelt, mehr denn je braucht es einen Keeper, der ständig auf dem Sprung nach vorne ist - um dort jene Lücken zu stopfen, die Bayerns offensive Abwehr manchmal klaffen lasst. Keine einfache Aufgabe für Ulreich, der das Torwartspiel eher klassisch versteht - und dem es an jener Spielpraxis fehlt, die zur Einschätzung von Gefahrensituationen hilfreich ist.

Noch immer ist der FC Bayern offiziell im Besitz des nach Monaco verliehenen Keepers Alexander Nübel, 25, aber je wahrscheinlicher eine Vertragsverlängerung mit Neuer ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass Nübel nach München zurückkehrt.

Die Bayern werden also genau prüfen, ob sie Ulreich noch mal einen neuen Vertrag als stellvertretender Siegfried aushändigen wollen - oder ob sie sich lieber auf dem Markt umschauen. Am Bielefelder Stefan Ortega, 29, waren die Bayern schon mal interessiert, und eines hat er mit Sven Ulreich gemein: Sein Vertrag läuft aus. Er ist im Sommer ablösefrei.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: