U21-Nationalmannschaft:Und ständig ist ein Spieler weg

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Spielt in Zukunft für Frankfurt und die Türkei: Can Uzun. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Trainer Antonio Di Salvo fehlen bei der U21 wie so oft zahlreiche Talente. Das hat für den DFB mal erfreuliche Gründe wie Berufungen zur A-Nationalmannschaft - oder bedauerliche wie bei der Entscheidung von Can Uzun für die Türkei.

Von Ulrich Hartmann

Die Stimmung in der U21-Nationalmannschaft kann der Trainer Antonio Di Salvo in vier Wörter fassen: "Alle Daumen nach oben!" Der 44-Jährige ist voll des Lobes über seine vielen formstarken Fußballtalente. Spieler wie die Freiburger Noah Atubolu und Merlin Röhl, der Mainzer Brajan Gruda und der Gladbacher Rocco Reitz erhalten in der Bundesliga bereits viel Spielpraxis. Und doch fallen gerade der U21 aus diversen Gründen immer wieder relevante Spieler weg. Beim aktuellen Lehrgang sind das etwa der Hoffenheimer Maximilian Beier, der Dortmunder Karim Adeyemi und der Kölner Max Finkgräfe.

Im vergangenen Jahr ist die U17 Europa- und Weltmeister geworden. Über die Jahre hinweg gibt es beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) aber keine Mannschaft, die bessere Chancen auf einen Titel verspricht als die U21. Die älteste Nachwuchsauswahl wurde 2009 unter dem Trainer Horst Hrubesch sowie 2017 und 2021 unter dem Trainer Stefan Kuntz Europameister. Die U21 müsste demnach eine Institution in der Karriereplanung der größten Talente sein, doch das ist sie nicht immer bei allen. Di Salvo muss gelegentlich auf Spieler verzichten, weil es bei den größten Nachwuchshoffnungen viele Aspekte zu berücksichtigen gilt.

Seit Montag hat Di Salvo die U21-Nationalspieler zum Lehrgang in Leipzig versammelt. In der EM-Qualifikation stehen zwei Spiele an: am Freitag (18 Uhr) in Chemnitz gegen Kosovo und nächsten Dienstag in Halle/Saale gegen Israel. Zwei Siege sind fest eingeplant. In der Sechsergruppe steht die deutsche Mannschaft mit vier Siegen aus vier Spielen an der Spitze. Es scheint sich mal wieder ein titelreifer Jahrgang zu entwickeln. Zu den besten Spielern gehören auch der Gladbacher Luca Netz, der Frankfurter Ansgar Knauff und der Dortmunder Youssoufa Moukoko.

Trotz der starken Besetzung gehören bei diesem Lehrgang einige starke Spieler nicht zum Kader. Der Hoffenheimer Beier wurde vom Bundestrainer Julian Nagelsmann in die A-Nationalmannschaft geholt. Der Dortmunder Adeyemi sowie der Kölner Finkgräfe verblieben zum Training in ihren Vereinen. Der Herthaner Marton Dardai sowie der Nürnberger und künftige Frankfurter Can Uzun (laut Bild unterschrieb er einen Fünfjahresvertrag bis 2029) spielen künftig gar nicht mehr für Deutschland, sondern für Ungarn und die Türkei. Aus vornehmlich drei Gründen, abgesehen von Verletzungen, fallen Spieler immer mal wieder für die U21 aus: für unentbehrliches Training im Verein, beim Wechsel des nationalen Verbands und wegen einer Berufung in die A-Mannschaft.

Tillman, Stanisic, Samardzic - zuletzt entschieden sich einige Talente gegen den DFB

Wenn ein Spieler, so wie jetzt Beier, von Nagelsmann nominiert wird, dann freut sich sogar der U21-Trainer für ihn: "Maxi hat zuletzt tolle Leistungen gezeigt", sagt Di Salvo, "diese Berufung ist eine Chance für ihn." Für die U21 endgültig außen vor ist Beier damit nicht. Es gibt Spieler, die pendeln zwischen den Mannschaften. Selbst wenn Beier diesen Sommer bei der EM mitspielen sollte, spräche nichts dagegen, 2025 auch die U21-EM mitzumachen.

Die U21-EM gewiss nicht mehr für Deutschland bestreiten werden Dardai und Uzun. Sie sind aktuelle Beispiele für junge Spieler, die sich in Bezug auf die Nationalmannschaft zwischen ihrer Heimat und der Heimat ihrer Eltern entscheiden können. Meist gewinnt bei dieser Entscheidung jener Verband, in dem ein Spieler bessere Chancen für sich sieht. "Wir zeigen allen Spielern offen und ehrlich ihre Perspektiven bei uns auf", sagt Di Salvo. Wenn sich Spieler daraufhin für einen anderen Verband entscheiden, "dann respektieren wir das". Dardai spielt künftig für Ungarn, Uzun für die Türkei. Im vergangenen Jahr hatte der Deutsche Fußball-Bund bereits Malik Tillman an den amerikanischen, Josip Stanisic an den kroatischen und Lazar Samardzic an den serbischen Verband verloren.

Und dann sind da noch jene Spieler, die aus individuellen Gründen in ihren Vereinen trainieren, statt zur U21 zu kommen. Finkgräfe ist mit dem abstiegsgefährdeten 1. FC Köln in der Länderspielpause eigens in ein Trainingslager nach Spanien gereist - das er allerdings mit Rückenbeschwerden bereits wieder gen Heimat verlassen musste. Di Salvo sagt, man sei hinten links gut besetzt. Grundsätzlich gilt Finkgräfe aber als heißer Kandidat für die U21. "Wir haben ihn voll auf dem Zettel", sagt Di Salvo.

Unwägbar erscheint die Situation beim Dortmunder Adeyemi. Er hat bereits vier Mal für die A-Mannschaft gespielt, kehrte vergangenes Jahr für eine Maßnahme zur U21 zurück, verzichtete im Herbst dann aber auf eine Berufung durch Di Salvo mit dem Hinweis, sich im Training beim BVB für wieder mehr Einsätze im Klub empfehlen zu wollen. Auch diese Woche fehlt Adeyemi bei der U21. Nicht lang her, da kurierte er einen Syndesmoseanriss aus. "Wir hatten gute Gespräche mit Edin Terzic und Sebastian Kehl", sagt Di Salvo, "wir haben gemeinsam entscheiden, dass Karim in Dortmund bleibt." Adeyemi ist weiterhin Kandidat für beide Nationalteams. Man wird sehen, wo er als Nächstes auftaucht: im A-Team oder in der U21.

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