Markus Schubert ist nicht der gefragteste Nationalspieler bei der U21-Europameisterschaft, aber das heißt nicht, dass er nichts zu sagen hat. "Schubi haut nichts raus", sagte der Stürmer Luca Waldschmidt und lachte, im Team ziehen sie den Torhüter damit auf, dass Wechselgerüchte über ihn im Internet stehen. Schubert verriet nicht, wohin er den Zweitligisten Dynamo Dresden verlassen wird, als er wie Waldschmidt unter der Woche in einer Gesprächsrunde mit Journalisten im Mannschaftshotel in Fagagna saß, einem Vorort von Udine. Er erzählte dafür eine Geschichte, die für das Fortkommen der U21 wichtig ist, für die Entwicklung der Talente, gewissermaßen für den deutschen Fußball. Sie handelte von seinem Trainer.
Schubert ist der dritte Torhüter, es ist also fast unerheblich für das Turnier, wie er drauf ist. Aber Stefan Kuntz, sagte Schubert, sei es wichtig, wie es dem dritten Torwart geht. "Er redet viel mit einzelnen Spielern, egal, ob die in der Startelf sind oder nicht. Da gibt's ein lockeres Gespräch neben dem Trainingsplatz oder beim Essen. Er gibt mir das Gefühl: Du bist wichtig."
Wer Kuntz, 56, in der ersten Turnierwoche der EM beobachtete, der bekam ein kohärentes Bild zu sehen. In der Pressekonferenz vor dem 3:1 gegen Dänemark saß er neben Jonathan Tah und grüßte den Kapitän nach einer gelungenen Antwort mit der Ghettofaust. Nach dem Spiel deutete er an, dass er dem zweimaligen Torschützen Marco Richter unter anderem geholfen hatte, gesünder zu essen, was ein Grund für dessen gewaltigen Formanstieg sei. In der Pressekonferenz vor dem 6:1 gegen Serbien saß Benjamin Henrichs neben ihm, sie tuschelten und lachten, dann legte der Trainer kurz seinen Kopf auf die Spielerschulter. Während des Spiels am Donnerstag jubelte er mit Richter, der wieder ein Tor schoss, mit einem verabredeten Handzeichen, das beide nicht erklären wollten. Waldschmidt, der gegen Serbien dreimal traf und nun als bester Schütze des Turniers schon vier Tore dazu beigetragen hat, dass Deutschland am Sonntag gegen Österreich ein Unentschieden fürs Halbfinale und für die Qualifikation für Olympia 2020 reicht, lobte die Tipps des früheren Stürmers Kuntz beim Torabschluss.
Kuntz steht für eine Neuausrichtung beim DFB
Man kann es gewöhnlich finden, wenn sich Spieler mit ihrem Trainer verstehen. Das Ungewöhnliche daran ist, dass der Trainer früher über sich selbst sagte, der Trainerjob sei nicht der richtige für ihn, um danach eine mäßig erfolgreiche Funktionärskarriere zu beginnen und 2016 als Nachfolger von Horst Hrubesch bei der deutschen U21 wieder Trainer zu werden, unter Verwunderung der Öffentlichkeit: Kuntz, wieso das denn?
Inzwischen steht unter anderem Kuntz für eine Neuausrichtung beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), von der sie sich in Zukunft im Nachwuchs wieder jenen Erfolg erhoffen, der in den jüngeren Jahrgängen gerade ausbleibt. Kuntz ist der Trainer, der 2017 mit der U21 Europameister wurde. Und er ist der Trainer, dessen Mannschaft am Donnerstag gegen Serbien begeisternden Fußball spielte.
Kuntz gewann 1996 mit der Nationalelf die Europameisterschaft, er war Profi und gleichzeitig Polizist, die Sportschau begleitete ihn mal bei einer Verkehrskontrolle. Er wurde zweimal Bundesliga-Torschützenkönig und erfand einen Jubel: die Kuntz-Säge. Er ist ein Trainertyp, zu dessen Vorlieben die von vielen seiner Kollegen in den vergangenen Jahren zur Maxime erklärte, akademisierte Interpretation des Spiels wohl eher nicht zählt.
Als er vor ein paar Tagen die Entscheidung für Torhüter Alexander Nübel als Nummer eins erklärte, berichtete er von Gesprächen mit Torwarttrainer Klaus Thomforde über "Raumverteidigung" und "Zielverteidigung". Er habe da ab und zu nachfragen müssen. Als er zu den taktischen Gründen für den gnadenlos überlegenen Sieg gegen Serbien gefragt wurde, stellte er seiner Antwort voran: "Ah, das geht jetzt ins Fußballfachsimpeln hinein." Wenn Meikel Schönweitz, als Cheftrainer der Juniorenmannschaften beim DFB für den Nachwuchs zuständig, über die Trainer beim DFB spricht, dann benutzt er ein Wort besonders gern, es klingt wie aus der Mottenkiste des Fußballs: "Mentalität". Das Fehlen der richtigen Mentalität hat er als wichtigen Grund dafür ausgemacht, dass die U17 und die U19 gerade keinen großen Erfolg haben. Als Co-Trainer für die U15 hat der DFB vor Kurzem Heiko Westermann verpflichtet, als Trainer für die U18 Christian Wörns, zwei ehemalige Verteidiger der Nationalelf. Wörns nennt Schönweitz ein "Mentalitätsmonster".