Twitter-Satire über den HSV-Trainer:Wo sich Michael Oenning im Klo einschließt

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Auf Twitter gibt sich ein Unbekannter als HSV-Trainer Michael Oenning aus und bringt mit seinen ironisch-satirischen Botschaften die Fußballfans zum Lachen. Der echte Oenning findet das weniger lustig und geht zusammen mit dem Klub offenbar juristisch gegen seinen Doppelgänger vor. Ob das klug ist?

Thomas Hummel und Johannes Kuhn

Michael Oenning ist derzeit eine bedauernswerte Figur. Der Trainer des Hamburger SV hat mit seiner verjüngten Mannschaft den schlechtesten Bundesliga-Start der Klubgeschichte hingelegt. Die von ihm betreuten Profis verlieren dabei nicht nur, sondern bieten dem erstaunten Publikum ein wahres Spektakel an Ungeschicklichkeiten. 1:3 in Dortmund, 0:5 gegen Bayern, 3:4 gegen Köln. Die Anhänger in Hamburg wanken zwischen Empörung und dem Amüsement, der eigenen Mannschaft beim Versagen zusehen zu dürfen.

Hat es derzeit nicht leicht: Hamburgs Trainer Michael Oenning. (Foto: REUTERS)

Michael Oenning muss aufpassen, sich als Trainer einer hilflosen Truppe nicht lächerlich zu machen. Doch damit nicht genug. Jetzt kämpft er auch noch dagegen an, dass er auf der Internetplattform Twitter trefflich auf den Arm genommen wird. Ein Doppelgänger verfasst dort unter seinem Namen kleine Botschaften, die auf satirische Weise das ganze Dilemma Oennings illustrieren und durchaus auch den Charakter des 45-jährigen Trainers beschreiben.

Der Twitter-Doppelgänger geht dabei auf das Image des Trainers ein: "Fußball-Lehrer der neuen Generation mit einer ganzen Menge Konzept im Gepäck." Außerdem schreibt er unter dem Namen "Mad", eine Anspielung darauf, dass Michael Oenning 1997 in der ARD-Kuppel-Sendung "Herzblatt" auftrat und sich als "Mad aus Münster" vorstellte.

Außerdem macht er sich zunutze, dass Oenning in der Krise nicht den vitalsten Eindruck hinterlässt, sondern wirkt nachdenklich und bisweilen gar verzagt. Nach dem 0:5 gegen Bayern sagte der echte Oenning in München: "Wir wussten, dass es schwer wird. Aber dass wir so hilflos sind? Das war schon erschreckend."

Der Twitter-Oenning schrieb zur Halbzeit des Auswärtsspiels in Bremen: "Habe mich im Klo eingeschlossen. Dino Hermann ( HSV-Maskottchen, Anm.d.Red.) hält die Halbzeitansprache. Kann die Fratzen nicht mehr ertragen." Und nachdem die Partie 0:2 geendet hatte: "Nur 2 Gegentore, meine Defensivtaktik fruchtet und wird verinnerlicht. Ende Februar sollte der erste Punktgewinn durchaus realistisch sein."

Dabei ist das Twitter-Double gut informiert. Er nutzt das sich stets wiederholende Fußballdeutsch, das positives Denken betonen will und sich zumeist anhört, als müsse man vor dem Eintritt in den Kickerbetrieb einen Kurs in motivierender Kommunikation durchlaufen. Zudem benutzt er Aussagen des echten Oennings und dreht sie ins Ironische. Während der Woche sagte der Trainer: "Wir bleiben ruhig und klar und gehen den Weg der kleinen Schritte." Der Twitter-Oenning antwortete: "Wir werden jetzt nicht in Panik geraten und mit einem Sieg gegen Gladbach rechnen, wir gehen den Weg der kleinen Schritte."

Material findet der falsche Oenning auch auf der HSV-Homepage. Vor dem Testspiel am Dienstag gegen den Landesligisten SC Concordia Hamburg hieß es dort: "Eine positive Ungemütlichkeit kommt auf. Anstelle einer üblichen Trainingswoche wird der Ernstfall gegen die hochmotivierten Spieler des SC Concordia geprobt. Erbarmungsloser Einsatz und absoluter Wille kann unter diesen Wettkampfbedingungen geprobt werden." Als der HSV das Duell 7:0 gewonnen hatte, schrieb Oennings Double: "Klares 7:0 bei Colonia Hamburg - wofür unsere bestechende Frühform noch gut sein wird, muss man jetzt in Ruhe analysieren und bewerten."

Pechvögel der Bundesliga
:Bitter, ganz bitter

In dieser Statistik will niemand vorne stehen: Der Mainzer Noveski rückt auf Platz zwei der "erfolgreichsten" Eigentorschützen aller Zeiten vor. Freiburgs Barth macht Gomez das Treffen leichter, Bobadilla macht Gladbach fassungslos und die Hertha muss sich von Rummenigge ärgern lassen. Die Pechvögel des Spieltags. In Bildern.

Satirische Prominenten-Accounts gehören inzwischen fest zur Twitter-Kultur: Ein falscher Chuck Norris hinterlässt auf der Plattform Sprüche wie "Chuck Norris kann Bierdosen mit den Zähnen aufmachen, zieht es aber vor, die Zähne anderer Menschen zu benutzen", die britische Queen twittert: "Ich habe Premierminister Cameron nach Russland geschickt, um für die Herzogin von Cornwall Wodka zu kaufen."

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Auch Unternehmen werden häufig parodiert, so erregte vor einigen Monaten ein falsches Konto der deutschen Atomlobby Aufmerksamkeit, weil dort die PR-Sprache der Lobbyisten nach der Atomkatastrophe in Fukushima ins Lächerliche gezogen wurde.

Twitter gibt an, seine Plattform nach falschen Konten zu durchsuchen. Prominente lassen meist ihren Account verifizieren, ein Häkchen neben dem Profil zeigt dann an, dass es sich um den echten Schauspieler, Sportler oder Politiker handelt.

Allerdings will das Portal Satire tolerieren, soweit dies im Profil ersichtlich ist. Das der falschen Queen beispielsweise ist die Beschreibung schlicht mit einem "fiktional" versehen - das genügt. Dies ist beim falschen Oenning-Konto nicht der Fall, zudem könnte der echte HSV-Trainer den verwendeten Nutzernamen @michaeloenning einfordern. So ging auch der umstrittene Baseballer Roger Clemens vor, über dessen Twitter-Konto @rogerclemens ihn zuvor ein Unbekannter satirisch als Steroid-Freak porträtiert hatte.

Wie man elegant mit falschen Profilen umgehen kann, zeigt die Reaktion von Chicagos Bürgermeister Rahm Emanuel auf einen Twitter-Doppelgänger.

Der falsche Emanuel hatte das lose Mundwerk des ehemaligen Obama-Stabschefs parodiert und seine Twitter-Botschaften mit zahlreichen Flüchen versehen. Als der Bürgermeister jedoch eine Spende von 5000 Dollar für einen gemeinnützigen Zweck versprach, sollte sich der Parodist zu erkennen geben, lenkte dieser ein, veröffentlichte seinen echten Namen und verzichtete auf weitere Tweets.

"Er hat manchmal genau das ausgedrückt, was ich mir oft gedacht habe", bekannte der echte Rahm Emanuel bei der Scheckübergabe.

Michael Oenning und der HSV bevorzugen offenbar den juristischen Weg. Der Trainer hat nach einerm Bericht der Zeitung Die Welt einen Rechtsanwalt eingeschaltet und möchte das Profil unter seinem Namen sperren lassen. Der Verein hat sich an die Twitter-Geschäftsführung gewendet. "Wir nutzen selbst soziale Netzwerke und haben kein Problem damit, uns auch mal auf die Schippe zu nehmen. Aber in diesem Fall wird eine Grenze überschritten. Es ist nicht zu akzeptieren, wenn sich Einträge gegen Trainer und andere Klubs richten", sagte Mediendirektor Jörn Wolf.

Einmal machte sich der Doppel-Oenning über den Gladbacher Trainer Lucien Favre und dessen französisch-gefärbtes Deutsch lustig. "Lobhudelei an jeder Ecke für Herrn Favre und seine Leistung mit Gladbach. Nun gut, immerhin müssen meine Interviews nicht untertitelt werden." Ein anderes Mal äußerte er sich abschätzig über die Fans des Nord-Konkurrenten aus Bremen: "Interessante Fanszene bei Werder Bremen. Nur Frauen, Kinder und Rollstuhlfahrer. Hab ich in der Form noch nicht erlebt."

Weil Twitter aber nur über den Kundenservice in den USA erreichbar ist, könnte die Abschaltung des falschen Oenning auf sich warten lassen. Die ganze Aufregung um das Double führt jedenfalls dazu, dass der Doppel-Oenning immer mehr Anhänger findet. Folgten am Dienstag noch etwa 200 Nutzer seiner Satire, sind es am Donnerstag schon mehr als 700.

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