Torhüter Loris Karius:Von den eigenen Fans gedemütigt

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Loris Karius wurde in der Sommerpause für zwei Jahre an Beşiktaş Istanbul ausgeliehen. Nun verklagt er den Klub wegen ausstehender Monatsgehälter. (Foto: Fredrik Varfjell/dpa)
  • Torhüter Loris Karius hoffte nach seinem Wechsel vom FC Liverpool zu Beşiktaş Istanbul auf einen Neuanfang.
  • Doch auch in der Türkei wird der Deutsche verhöhnt und vom eigenen Trainer bloßgestellt.
  • Erschwerend kommt ein Rechtsstreit hinzu, nachdem er auf einige Monatsgehälter hat warten müssen.

Von Dominik Wolf

Es lief die 19. Minute im Stadion von Beşiktaş Istanbul, als Loris Karius vor ein paar Tagen zum einsamsten Menschen unter 25 000 wurde. Konyaspors Stürmer Ömer Ali Şahiner hatte, mehr aus Verzweiflung, aus der Distanz abgezogen, Karius sah den Ball kommen, tauchte ab und ließ ihn unter seinen Armen zum Ausgleichstor hindurchrutschen. Karius starrte ausdruckslos in den Himmel, als wüsste er, was nun folgen würde. Die Fans auf den Rängen verspotteten ihren Torhüter fortan bei jeder Aktion. Auch nach dem zweiten Gegentor, bei dem er machtlos war, machten sie weiter.

Zwar schoss Shinji Kagawa Beşiktaş am Sonntag vor einer Woche in letzter Minute noch zum Sieg und bewahrte seiner Mannschaft den dritten Platz in der türkischen Süper Lig, doch Trainer Şenol Güneş trat nach Abpfiff genauso unversöhnlich auf wie die Fans. "Karius stagniert ein wenig, irgendetwas stimmt nicht mit seiner Energie, seiner Motivation, seinem Eifer. Es war von Anfang an so. Er hat Talent, aber es hat bis jetzt nicht funktioniert", sagte er, nur, um im nächsten Satz noch drastischer zu werden: "Lasst es mich so sagen: Wenn Tolga einsatzfähig gewesen wäre, hätte ich ihn sofort aufgestellt." Er meinte damit seinen Ersatzkeeper Tolga Zengin, einen 35-Jährigen, den der Trainer nach einer Auseinandersetzung aus dem Kader geworfen hatte.

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Vom Publikum verhöhnt, vom Trainer öffentlich bloßgestellt. Dabei war Karius vor der Saison nach Istanbul gewechselt, um dort jene Selbstverständlichkeit wiederzufinden, die er am 26. Mai 2018 verloren hatte. An diesem Tag schien er auf dem Gipfel seiner Karriere angelangt zu sein, mit gerade einmal 24 Jahren. Er, der Junge aus Biberach an der Riß, der vorher fünf Jahre für Mainz 05 gespielt hatte, bis der frühere Mainzer Jürgen Klopp ihn zum FC Liverpool holte. Jetzt stand er im Champions League-Finale gegen Real Madrid, die erfolgreichste Vereinsmannschaft der Welt. Mehr geht eigentlich nicht. Doch dann patzte er zweimal auf groteske Art und Weise und Liverpool verlor.

In England sahen sich all diejenigen bestätigt, die Karius schon vorher als "Flutschfinger" bezeichnet hatten. Der FC Liverpool holte im Sommer für 72,5 Millionen Euro Alisson Becker aus Rom - mehr Geld, als jemals für einen Torhüter bezahlt worden war. Und obwohl Jürgen Klopp keine Gelegenheit ausließ zu betonen, dass dieser Transfer ganz unabhängig von Karius' Fehlern lange gewünscht war, ließ er sich im Überschwang eines Sieges sogar zu der Behauptung hinreißen, er hätte für Alisson "das Doppelte bezahlt", wenn ihm die wahren Fähigkeiten des Torhüters bewusst gewesen wären. Das Finale gegen Real Madrid war das letzte Pflichtspiel, das Loris Karius für Liverpool machte.

Karius klagt gegen den eigenen Klub

In der Sommerpause wurde er für zwei Jahre an Beşiktaş Istanbul ausgeliehen. In Liverpool hoffte man wohl, sich eines Problems entledigt zu haben. Und Karius hoffte, dass er in der Türkei jene Fehler vergessen machen würde können: "Ich wusste: Ich muss mich wieder aufraffen und kann mich nicht verbuddeln und nur mit der Vergangenheit beschäftigen", sagte er nach seinem Wechsel in einem Bild-Interview. Sein Start in Istanbul war schwierig. Bei seinem Debüt gegen Bursaspor zögerte er beim Herauslaufen, ein paar Wochen später unterschätzte er im Europa-League-Spiel in Malmö eine Flanke. Die Unsicherheit schien ihm weiter anzuhaften. Karius blieb nur in fünf seiner insgesamt 26 Spiele für Beşiktaş ohne Gegentor. Unter den Süper-Lig-Torhütern mit den meisten Paraden liegt Karius mit 57 gehaltenen Bällen gerade noch auf Platz zehn.

Aus Istanbul hört man seitdem regelmäßig Widersprüchliches. Im Oktober hieß es, man wolle die Leihe so schnell wie möglich wieder beenden. Im November, Karius hatte sich als Stammkraft etabliert, war dann zu hören, man wolle Karius unbedingt dauerhaft an sich binden, die Kaufoption ziehen. Und jetzt, fünf Monate später, legte die harsche Kritik seines Trainers nahe, dass die Verantwortlichen von diesem Vorhaben wieder abgewichen sind.

Vor zwei Wochen wurde jedoch ein Detail bekannt, die Güneş' Aussagen in einem anderen Licht erscheinen lassen. Wie die Bild-Zeitung berichtete, hat Karius schon im Februar bei der Fifa Klage gegen Beşiktaş eingereicht. Der Grund dafür sollen vier ausstehende Monatsgehälter sein. Zehn Tage gewährte der Weltverband dem türkischen Erstligisten, um die Differenz zu begleichen. Diese Frist ist abgelaufen. Legt die Fifa ihre eigenen Regularien streng aus und entscheidet zugunsten von Karius, drohen Beşiktaş ein Punktabzug in der Liga bis hin zum Ausschluss aus der Europa League. Der FC Liverpool unterstützt nach Angaben des Liverpool Echo den Torhüter in der Sache.

Sein Vertrag in Liverpool läuft noch bis 2022

Karius zählt mit einem kolportierten Jahresgehalt von fünf Millionen Euro zu den Spitzenverdienern bei Beşiktaş, die Hälfte davon soll aber weiterhin der FC Liverpool bezahlen, wo sein Vertrag noch bis 2022 läuft. Karius ist nicht der erste Spieler, dessen Gehalt nicht pünktlich gezahlt wird, türkischen Medienberichten zufolge liegen der Fifa die Klagen von neun Spielern vor. Unter anderem hatte der Portugiese Pepe im Oktober juristische Schritte eingeleitet, nachdem er monatelang auf Zahlungen hatte warten müssen. Die Klubführung reagierte recht undiplomatisch und betonte, jeder Spieler würde sein Geld bekommen. Pepe verließ Beşiktaş daraufhin in der Winterpause.

Nach Informationen türkischer Medien ist Beşiktaş mit fast 400 Millionen Euro verschuldet. Schuld daran ist vor allem die Währungskrise. Die Lira hat im Vergleich mit dem Euro enorm an Wert verloren. Die türkischen Fußballklubs bestreiten ihre Einnahmen fast nur in der türkischen Währung, müssen Spielergehälter aber zumeist in Dollar oder Euro auszahlen. Die Folge: Beşiktaş musste das Budget um die Hälfte auf 40 Millionen Euro senken und die Verträge mit einigen Spitzenverdienern auflösen. Der Klub ist aber bei weitem nicht der einzige in der Süper Lig, der finanziell strauchelt. Die Verbindlichkeiten der 18 türkischen Klubs belaufen sich auf etwa 2,3 Milliarden Euro.

Şenol Güneş, der zänkische Trainer, hat seine Drohung übrigens nicht wahrgemacht. Im Ligaspiel gegen das abstiegsgefährdete Göztepe am Samstag stand Loris Karius wieder im Tor. Beşiktaş gewann 1:0. Karius blieb fehlerfrei.

© SZ vom 17.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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