FC Bayern:Hoeneß erstaunt mit Milde

  • Der FC Bayern zeigt sich beim 6:0 gegen Mainz erholt vom bitteren Erlebnis gegen Liverpool.
  • Die Spieler treten ähnlich beschwingt auf wie in den vorherigen Ligaspielen.
  • Präsident Hoeneß sagt, dass er die Kritik an Mannschaft und Trainer zuletzt übertrieben fand.

Aus dem Stadion von Matthias Schmid

Der rot-weiße Schal, der gefährlich wacklig aus der Jacke heraus hing, hielt den Erschütterungen stand. Das war fast das Erstaunlichste an diesem Sonntagabend nach dem 6:0-Sieg des FC Bayern über den FSV Mainz. Als Uli Hoeneß kurz vor dem Ausgang der Fröttmaninger Arena stehen blieb, um seine Sicht der Dinge darzulegen, hatten ja zunächst alle geglaubt, dass ein feuriger Vortrag folgen würde. Hastig bauten sich Mikrofone und Kameras vor Hoeneß auf, die jede noch so kleine Regung des Münchner Präsidenten einfangen wollten.

Themen, über die er sich aufregen konnte, gab es ja genug: Die Verbannung von Thomas Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng aus der Nationalelf. Bayerns Aus in der Champions League nach einem saftlosen Auftritt gegen den FC Liverpool. Borussia Dortmund natürlich und die Klub-WM des Fifa-Präsidenten Gianni Infantino, gegen die sich die europäischen Spitzenklubs angeblich ausgesprochen hatten.

Und was machte Hoeneß? Sprach sanft und warm wie ein Priester in der Sonntagspredigt, es gab kein Beben, sein mächtiger Körper ruckelte und zuckelte nicht, der Schal blieb in der Jacke stecken, die sich Hoeneß unter den Arm geklemmt hatte. "Die Mannschaft hat sehr engagiert gespielt und auch in der Höhe verdient gewonnen", stellte Hoeneß vergnügt fest. Nichts an seinen Worten, seiner Gestik und Mimik deutete auf einen Wutanfall hin, gleichmütig beantwortete er alle Fragen. Sogar als er die Berichterstattung nach dem 1:3 gegen Liverpool monierte, sprach er bemerkenswert leise und unaufgeregt weiter.

"Die generelle Kritik habe ich nicht verstanden", hob Hoeneß hervor, "man kann nicht ein Spiel hernehmen und eine Generalkritik über den FC Bayern machen. Die Spieler haben am Mittwoch mit zu wenig Mumm gespielt, das hätten sie anders machen können. Sie haben sehr schwach gespielt, das kann mal vorkommen. Daraus jetzt aber abzuleiten, dass der FC Bayern international nicht konkurrenzfähig ist, das ist mir zu weit hergeholt."

Die Milde von Hoeneß passte irgendwie zu diesem Abend, an dem sich plötzlich wieder alle lieb hatten beim FC Bayern und sich sogar der 18-Jährige Alphonso Davies als Torschütze hatte feiern lassen dürfen. Kritik an der eher defensiven Spielweise des Trainers Niko Kovac? Alles verdrängt und vergessen. Das 6:0 gegen harmlose Mainzer war natürlich die perfekte Rückkehr in den Alltag, nachdem die Festwochen in der Champions League so jäh zu Ende gegangen waren. Es war eine ziemlich kurze Trauerarbeit, ganz vorbei ist sie auch noch nicht, wie Hoeneß zugab: "Ich brauche noch ein paar Tage".

Er erfreute sich aber genauso wie Kovac an der Aussicht, dass die Bayern zum siebten Mal in Serie Meister werden können. Sieben Tore beträgt ihr Vorsprung in der Tabelle nun vor den punktgleichen Dortmundern. "Wir haben gezeigt, dass wir dabei sind und was können", bekannte Kovac. "Wir haben es geschafft, die Enttäuschung, die wir zwei Tage in uns trugen, gleich wettzumachen."

Die Mainzer waren dabei ein dankbarer Aufbaugegner, sie dachten nicht im Geringsten daran, die Bayern so früh und lästig anzugreifen, wie es die Liverpooler gemacht haben, im Gegenteil. Sie wollten Unheil von ihrem Tor fernhalten, mit zwei Viererketten suchten sie Schutz vor dem eigenen Strafraum. Doch der Plan war schon nach zwei Minuten in sich zusammengefallen wie die beiden Verteidigungsringe, nachdem Robert Lewandowski zum 1:0 getroffen hatte. Zur Pause führten die Münchner nach weiteren Toren von James Rodríguez (32.) und Kingsley Coman (38.) mit 3:0. "Ich habe viel Esprit, Spielwitz und gute Aktionen gesehen", befand Kovac.

James spielt überragend

Vor allem James deutete mit drei Toren an diesem Abend seinen spielerischen Wert für die Mannschaft an, was er allein mit seinem linken Bein anstellte, entzückte das Publikum. "Es hat Spaß gemacht heute", bestätigte auch Thomas Müller, der die Niederlage gegen Liverpool von der Tribüne aus verfolgt hatte. "Wir haben variabel gespielt und die Räume sehr gut besetzt. Die letzten drei Bundesligaspiele waren eine Duftmarke."

Ziemlich parfümierte Auftritte waren das sogar, die mit 5:1 (gegen Gladbach), 6:0 (gegen Wolfsburg) und nun gegen Mainz 6:0 endeten. Auch Hoeneß hatte am Sonntagabend keine Lust darauf, sich diese Bilanz samt Tabellenführung durch den Auftritt gegen Liverpool schlechtreden zu lassen, nachdem sich seine Spieler mehrfach flink und fantasievoll durchs Mittelfeld kombiniert hatten. "Ich finde", sagte der 67-Jährige, dass wir im Großen und Ganzen seit etwa drei Monaten sehr guten Fußball spielen."

Er ließ sich bei seinem Auftritt am Sonntagabend auch nichts anmerken, ob er und der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge der Meinung sind, dass Kovac der Mann ist, dem sie den Umbruch beim FC Bayern auch in der kommenden Saison weiter anvertrauen werden. Als "starke Frage" bezeichnete Kovac jedenfalls selber in der Pressekonferenz eine Nachfrage, die sich genau damit befasste, ob er der richtige Trainer für diesen Übergang sei, was manche Kritiker ja schon angezweifelt haben.

Bei seinen Bossen für sich werben könnte Kovac dann, wenn es ihm tatsächlich gelingen sollte, nach dieser Saison und einem zwischenzeitlichen Rückstand von zehn Punkten auf Dortmund Meister zu werden. Doch so weit will der 47-Jährige nicht in die Zukunft blicken, ihn interessiert nur die Gegenwart, "und da können wir können jetzt beruhigt in die Länderspielpause gehen", sage Kovac.

Über Löws Entscheidung, künftig auf Müller, Boateng und Hummels verzichten zu wollen, mochte Hoeneß dann auch nicht eingehen. "Ich habe mich entschlossen, dieses Thema mit Jogi Löw unter vier Augen zu besprechen", flötete er nur. Thomas Müller hat sich mit seiner Verbannung schon arrangiert und will die gewonnene Freiheit sinnvoll nutzen: "Wir haben jetzt mehr Zeit für unsere Frauen und unsere Familienangehörigen."

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