TSV 1860:Ein Adler für die Löwen

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Doppelchance in Minute 17: David Richter pariert erst gegen den Münsteraner Niko Koulis, dessen Nachschuss klatscht an die Latte. (Foto: Hendrik Gräfenkämper/Jan Huebner/Imago)

Ersatztorwart David Richter rettet dem TSV 1860 München in seinem Drittliga-Debüt bei Preußen Münster dank mehrerer Flugeinlagen beinahe den 1:0-Sieg - bis doch noch der Ausgleich fällt.

Von Korbinian Eisenberger und Markus Schäflein

Es war eigentlich anders gedacht. Die tausenden Adler auf den Tribünenrängen sollten ja einzig und allein der Inspiration der Heimmannschaft dienen: Also den Spielern von Preußen Münster, die den Adler im Vereinswappen auf der Brust tragen und bisweilen eventuell gar dahinter im Herzen. Aber die Adler im Münsteraner Stadion inspirierten eher einen, der seinerseits einen Löwen auf der Trikotbrust führt.

Der Fußballtorhüter David Richter wurde bisher stets als Ersatzmann des Klubs TSV 1860 München geführt. Nach einer Trainingsverletzung von Marco Hiller, der Nummer eins der Münchner Löwen, kam nun Richter am frühen Sonntagabend zum ersten Mal in der dritten Liga zum Einsatz. Richter rettete den Münchnern vor der Pause das 0:0, ehe seine Vorderleute endlich mal wieder ein Tor erzielten - und am Ende den 1:1-Ausgleich kassierten.

TSV 1860 München
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In der 17. Minute rettete Keeper Richter erst gegen den Münsteraner Niko Koulis, dessen Nachschuss klatschte an die Latte. Spätestens in Minute 37 wurde dann sichtbar, dass der Löwen-Ersatztorwart ganz offenbar adlerhafte Züge in sich trägt. Münsters Simon Scherder hatte scharf von rechts in den Münchner Strafraum geflankt und perfekt für Angreifer Gerrit Wegkamp serviert, der den Ball per Kopf aus kurzer Distanz Richtung Tor drückte. Und er hätte auch getroffen, doch plötzlich segelte, nein düste, ein Mann durch die Strafraum-Luft, spannte seine Hände (oder gar Flügel?) und lenkte den Ball über die Querlatte. Eine Rettungstat für den Jahresrückblick.

Eventuell waren es nicht ausschließlich die Münsteraner Wappen-Adler, sondern auch die 1500 mitgereiste Sechziger-Anhänger, die Richter und seine Vorderleute antrieben. Mit insgesamt 11 418 Zuschauern war das Stadion ausverkauft.

Löwen-Coach Maurizio Jacobacci hatte auf insgesamt drei Positionen umgestellt, Verteidiger Niklas Lang für den verletzten Leroy Kwadwo gebracht - und offensiv Valmir Sulejmani für Eroll Zejnullahu. Der Trainer hatte seinem Team nach dem jüngsten 0:0 gegen Tabellenführer Dresden "Selbstbewusstsein" attestiert: "Wir haben schon Argumente, um in dieser Liga etwas zu bewirken."

Und eines dieser Argumente ließ schließlich Zugang Joel Zwarts erkennen. In Halbzeit eins hatte der Angreifer noch eine hundertprozentige Torchance vergeben, in Minute 54 machte er es besser, schüttelte nach einem Pass in die Spitze zwei Münsteraner Verteidiger ab und schoss den Ball an Keeper Maximilian Schulze Niehues vorbei zum 1:0 ins Netz.

347 Minuten plus diverse Nachspielzeiten war es bis dato keinem Spieler der Jacobacci-Elf mehr geglückt, einen Fußball während eines Drittligaspiels ins gegnerische Tor zu schießen. Letztmals hatte Julian Guttau am 23. September in Halle zum 2:0 ein Löwentor geschossen, den 1:0-Siegtreffer für die Löwen gegen Verl erzielte der Gegner selbst. Und so durfte dieses Zwarts-Tor, das Siegtor in Münster, als die beste aller Löwen-Nachrichten seit längerer Zeit eingestuft werden.

Ismaik wehrt sich gegen Behauptungen, er wolle seine 1860-Klubanteile verkaufen

In der Woche vor der Partie war ja einmal mehr das bekannte Spiel um die Anteile von 1860-Investor Hasan Ismaik an der Profifußball-KGaA gespielt worden. Das e.V.-nahe Portal Löwenmagazin berichtete, dass es einmal mehr Interessenten gebe, die die Anteile Ismaiks erwerben wollen und "äußerst lukrative Angebote" bei dessen Firma HAM International abgegeben hätten. Der investorennahe Blog dieblaue24 konterte umgehend: "Hasan Ismaik liegen weder lukrative Kaufangebote vor, noch hat der Jordanier irgendein Interesse, seine 60 Prozent an der Profifußball-Firma zu verkaufen." Und schließlich wurde Ismaik selbst in der Abendzeitung zitiert: "Der Klub steht nicht zum Verkauf", sagte er - es ist mittlerweile je nach Sichtweise ein legendärer oder langweiliger Satz.

Und Ismaik legte noch gegen den e.V.-Präsidenten Robert Reisinger nach: "Ich habe die Spekulationen vernommen und von mehreren Quellen gehört, dass der Präsident behauptet, ich hätte Verkaufsangebote. Nur weil der Mann einen Traum hat und sich dazu entschlossen hat, in der Alm (Vip-Bereich, d. Red.) darüber zu sprechen, wird er nicht Realität. Diesen Traum träumt er umsonst. Es ist von meiner Seite ausgeschlossen." Ob das in dieser Grundsätzlichkeit gilt oder ob die Definition eines lukrativen Angebots mal wieder auseinanderklafft, bleibt das große Diskussionsthema - wie immer, wenn das Anteils-Spiel beim TSV 1860 gespielt wird.

Dem Fußball-Torhüter David Richter war von all dieser Unruhe nichts anzumerken. "Ich bin gelassen, verspüre gar keinen Druck, weil ich weiß, was ich kann", sagte er nach dem Spiel bei Magentasport zu seiner Rolle als Ersatzmann. Löwen-Coach Jacobacci analysierte: "Wir haben es am Schluss nicht verstanden, mehr Geduld mit dem Ball zu haben und den Ball zu schnell verloren. So kommt natürlich Hektik auf."

Keeper Richter war 86 Minuten erfolgreich durch die Münsteraner Lüfte geflogen, er hatte alles wegpariert - ehe Abwehrmann Scherder drei Minuten vor dem Ende ungeahnte Angriffsqualitäten offenbarte und eine Freistoßhereingabe per Kopf im Münchner Torwinkel zum leistungsgerechten 1:1-Endstand versenkte. "Am Ende fühlt es sich doch wie eine Niederlage an", sagte Richter. "Wir haben wirklich gekämpft, haben wirklich alles reingehauen." Doch diesmal war der Ball unhaltbar, selbst für einen Adler.

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