TSV 1860 München:Fans gegen Jacobacci

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In der Kritik: 1860-Trainer Maurizio Jacobacci. (Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Der TSV 1860 trotzt dem Tabellenersten Dynamo Dresden ein 0:0 ab - doch der Ärger der Löwen-Anhänger richtet sich gegen Trainer Jacobacci. Der wirkt, als befinde er sich auf einer Werbetour für sich selbst.

Von Christoph Leischwitz

Es handele sich beim TSV 1860 München ja um einen "tollen Verein, der auch nicht in die dritte Liga gehört" - so lautete ein Zitat von Dresdens Trainer Markus Anfang, kurz nach dem Spiel am Samstag im Grünwalder Stadion. Das "auch" in dieser Bemerkung dürfte sich auf die eigene Mannschaft bezogen haben: Dynamo Dresden ist nach zehn Spielen Tabellenführer, fast jeder erwartet, dass die Traditionsmannschaft aus Sachsen bald wieder in der zweiten Liga spielt.

Bei Sechzig ist die Lage ein wenig anders, auch wenn die Münchner dem Favoriten gerade ein torloses Remis abgerungen hatten. So viel Lob von der Tabellenspitze war immerhin eine willkommene Steilvorlage für den Löwen-Trainer, der in den vergangenen Tagen vermehrt in der Kritik stand. "Wir sind im Prozess, der braucht Zeit", sagte Maurizio Jacobacci. Diese Zeit habe der Dresdner Trainer und seine Mannschaft bekommen. Also: Seht her, was möglich ist, wenn ihr mich nur lasst!

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Man wurde im Laufe der nun beendeten englischen Woche in der dritten Liga das Gefühl nicht los, dass Jacobacci, 60, sich gerade auf einer Werbetour für sich selbst befindet. Nach dem müden 0:1 unter der Woche bei Aufsteiger SSV Ulm hatte er bereits erwähnt, dass die Mannschaft Zeit brauche, und ein paarmal zu oft den Wind als Spielfaktor bemüht. Vor dem Spiel gegen Dresden hatte er auch schon über Markus Anfang gesprochen. Der sei "clever", fand Jacobacci, und habe Sechzig "gelobt bis zum Gehtnichtmehr". Dann hatte der Schweizer Trainer in Diensten der Münchner noch einen fast zehnminütigen Rechtfertigungs-Monolog gehalten und eher erfolglos klargestellt, dass er für das Ulm-Spiel keine Ausreden gesucht habe.

"Nicht wegen des Windes, nicht wegen meiner Haarpracht, nicht wegen der Pyros" habe man verloren - eine Aussage, die nahelegt, dass er die Angriffe gegen seine Trainerarbeit ein kleines bisschen persönlich genommen hatte. Ob er womöglich auch schon von Verantwortlichen gesagt bekommen hatte, dass seine Zeit in München bei anhaltendem Misserfolg zu Ende gehen könnte, ist nicht bekannt. Überhaupt ist es bei Sechzig ja so: Das größte Feuerwerk würde erst dann gezündet, wenn der Trainer tatsächlich gehen müsste. Dann nämlich müssten sich die beiden tief zerstrittenen Gesellschafter zusammensetzen, um gemeinsam einen Nachfolger zu finden.

Jacobacci setzt auf die Defensive - auf die er sich zumindest halbwegs verlassen kann

Die Sechzig-Fans haben zum Trainer offenbar eine klare Meinung. Diesmal blieben sogar Kommentare zu den innenpolitischen Zankereien im Verein aus, diesmal wurde nur Jacobacci angegriffen. Kurz vor der Halbzeit war in der Westkurve zu lesen: "Wenn das Feuerwerk nur auf den Rängen kracht, dann ist ein Trainer fehl am Platz." Gegen Dresden gab es auch wieder kein Feuerwerk, davon war man weit entfernt. Dafür aber sogar verhaltenen Applaus, beim Pausen- sowie beim Schlusspfiff. Fast so, als ob sich der Großteil der Anhänger damit abgefunden hat, dass offensiv heuer einfach wenig kommt von der eigenen Mannschaft.

Joel Zwarts hatte mal wieder sein Können angedeutet. Mehr aber auch nicht. Der niederländische Angreifer hatte sich lange Zeit keinen Torabschluss erkämpfen können gegen die rüstigen Dresdener Abwehrspieler. In der 54. Spielminute allerdings fand er den richtigen Laufweg, eine Flanke von Erol Zejnullahu erreichte seinen Kopf, doch der Abschluss blieb zu ungenau. Und in der 64. Minute war der Abschluss zu schwach, um Torwart Stefan Drljaca Probleme zu machen. "Klar, Hauptaugenmerk war heute auf der Defensive", sagte Abwehrspieler Leroy Kwadwo. Jacobacci setzt dabei schlicht auf das, worauf er sich halbwegs verlassen kann. Die Mannschaft hat in zehn Spielen immerhin erst zehn Gegentore zugelassen, und jenes 0:1 in Ulm war tatsächlich vom Wind ins Toreck getragen worden.

Doch die Sechziger haben eben auch erst elf Tore erzielt, und ein Ende der erheblichen Offensivprobleme ist momentan nicht absehbar. Kreativspieler Albion Vrenezi steckt in einem Formtief, Zwarts hat zu wenige Chancen und der eingewechselte Fynn Lakenmacher fand am Samstag überhaupt nicht ins Spiel. Ein Lichtblick ist Morris Schröter, der nach einer Muskelverletzung wieder in der Startelf stand - und mit Eins-gegen-eins-Aktionen am meisten Gefahr ausstrahlte.

Ein "Feuerwerk" war aber auch das nicht. "Es hat mir wahnsinnig wehgetan, ihn rauszunehmen", sagte Jacobacci über den geplanten Wechsel, der mit den Physiotherapeuten so abgesprochen gewesen sei. Es tat wohl auch deshalb weh, weil Jacobacci ahnte, dass da von seiner Mannschaft nicht mehr viel kommen würde. Doch zumindest gegen Dresden war das Glas nach dem ersten Unentschieden der Saison halb voll. Am kommenden Sonntag auswärts bei Preußen Münster könnte ein Remis allerdings wieder zu Unruhe führen.

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