Nur wenig geweint wurde auf dem Weg zur U-Bahn-Station, die meisten Leute, die gerade vom Relegationsspiel der Münchner Löwen kamen, starrten einfach vor sich hin. Einer, der aussah wie Bastian Pastewka in Klein und mit Schnurrbart, fragte sich, ob die Spieler wohl auch leiden würden unter dem Abstieg. "Ein bisserl vielleicht", sagte er. Sicher war er nicht. Jetzt werde man halt ein Jahr in der Dritten Liga spielen, sagte der Mann, und im zweiten Jahr "steigen wir wieder auf" (dann würde man zwei Jahre in der Dritten Liga spielen, aber für Löwen sind Zahlen nun mal so eine Sache). Ein Bub zeigte seinem Vater ein Heft, auf dem "Sechzig" stand, und steuerte damit auf einen Mülleimer zu. Bevor er es hineinwerfen konnte, nahm es der Vater und riss es in Stücke.
Es war Dienstagabend, als der TSV 1860 München in die Drittklassigkeit stürzte und als die 60 000 leidenden Menschen auf dem Weg nach Hause waren, sagte der 60-Trainer Vitor Pereira in der Pressekonferenz auf Portugiesisch: "Es war ein Risiko-Projekt, das ich angenommen habe, und leider hat es nicht gereicht." Was sich nicht erst in der abgelaufenen Spielzeit andeutete.
Am ersten Tag dieses Projekts, im Januar, herrschte dichter Nebel, ein fauliger Gestank zog vom Meer herüber. In einem Trainingscamp des weltbekannten Startrainers José Mourinho durften die Spieler des Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München ihre Wintervorbereitung absolvieren, auf einer Halbinsel in Portugal. Das Lager war dann nicht nur wegen des Wetters nur (höchstens) halb so herrlich, wie es sich anhörte, und seine Folgen waren sogar um ein Vielfaches schlimmer, als man es sich zuvor je hätte ausmalen können.
Dass keiner so recht wusste, woher Ismaiks Geld kommt, war den Verantwortlichen nicht so wichtig
Am 13. Tag des Projekts erschien Hasan Ismaik, und er fand, dass es gut war. Mit großem Gefolge in insgesamt sechs Limousinen kam der jordanische Investor des Giesinger Arbeitervereins aus Abu Dhabi nach Troia, er schüttelte Hände mitgereister Fans, er erhielt Dank und Anerkennung, er war es schließlich, der das ganze Brimborium hier in Portugal bezahlte: das teure Lager, den neuen Trainer Vitor Pereira, der zuvor bei internationalen Spitzenklubs wie Olympiakos Piräus und Fenerbahçe Istanbul gearbeitet hatte, dazu die fünf neuen Spieler aus aller Welt, die sich ankündigten, auch die zuvor schon eingetroffenen Erstliga-Spieler Ivica Olić und Stefan Aigner, das brasilianische Wundertalent Ribamar für die Vereins-Rekordablöse von 3,2 Millionen Euro, das sich dann als wundersam untalentiert erweisen sollte. Nach zwei Stunden ging Ismaik wieder.
So unpassend, wie es sich anhört, war das Szenario nicht. Der TSV 1860 geriet auf der Suche nach Erfolg in seiner Historie immer wieder in die Hände von Menschen, die sich profilieren wollten; und die dann aber versagten. Seit 2011 war Ismaik Investor bei 1860, er stieg damals als letzter Retter ein, als der Klub kurz vor der Insolvenz stand. Dass keiner so recht wusste, woher sein Geld kommt, dass keiner einschätzen konnte, mit wem man es zu tun hatte, war den Verantwortlichen nicht so wichtig. Hauptsache, die Pleite war abgewendet. Einen Präsidenten nach dem anderen verschliss Ismaik, weil sich die Vereinsführung seinen Plänen vom großen Investieren in Trainer und Spieler aus aller Welt auf Darlehensbasis stets entgegenstellte und dann jeweils zermürbt abtrat.