TSV 1860 München:Von gelben und roten Karten

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Auch fußballerisch bleibt es kompliziert: Immerhin traf Leroy Kwadwo (links) zum Ausgleich. (Foto: Frank Hoermann/Sven Simon/Imago)

Der TSV 1860 München erkämpft sich ein Remis gegen das Spitzenteam aus Sandhausen - auf den Rängen dominiert der klubinterne Zwist.

Von Christoph Leischwitz

Interessante Gäste und alte Bekannte waren da am frühen Sonntagabend beim Drittliga-Fußballspiel des TSV 1860 München auf der Haupttribüne zu sehen: Der ehemalige Löwen-Stadionsprecher Stefan Schneider etwa, oder auch der frühere Trainer Michael Köllner, der in zwei Wochen als Übungsleiter des FC Ingolstadt mal wieder am Spielfeldrand des Stadions an der Grünwalder Straße zu sehen sein wird - einige Fans freuten sich über ein Selfie mit dem Oberpfälzer. Zunächst eher unbeobachtet nahm Hans Sitzberger Platz, dem der Verwaltungsrat von 1860 München kurz vor dem Wochenende das Vertrauen entzogen hatte. Die Amtszeit des langjährigen Gönners als Vizepräsident neigt sich womöglich dem Ende zu. Die Vorkommnisse um Sitzberger in den vergangenen Tagen schlugen beim Spiel gegen den SV Sandhausen nachhaltig auf die Stimmung, diesbezüglich scheint ein neuer, noch tieferer Tiefpunkt erreicht. Immerhin erkämpften sich die Löwen gegen das Spitzenteam des SV Sandhausen ein 1:1 (0:1)-Unentschieden.

Um allein die Schlammschlacht zu erklären, die sich nach dem Vertrauensentzug ausbreitete, würde man vermutlich eine Fußballspiellänge benötigen. Sitzberger ist, wie der eine oder andere Trainer oder Geschäftsführer, zwischen die Fronten des langjährigen Gesellschafterstreits geraten. Bei vielen Fans und Mitgliedern ist der 70-jährige Sitzberger überaus beliebt, eine Reaktion in der Westkurve fiel jedoch negativ für ihn aus: Sitzberger habe sich "plötzlich" zur "HAM bekannt", hieß es auf einem Banner (34.), also zur Investorenseite; mit dem Zusatz: "Wer Brücken Richtung Feinde baut, hat sich sein Denkmal selbst versaut." Auf der Haupttribüne wiederum gab es dazu auch eine andere Meinung: Zu Beginn der Halbzeit hielt ein Zuschauer ein Stück Karton hoch, auf dem "Danke Hans Sitzberger" und auf der anderen Seite "Verwaltungsrat raus!" stand. Als sich Sitzberger bei ihm bedankte, wurde er umarmt und erhielt Applaus. Dann richteten sich ein paar Dutzend Zuschauer gegen den aktuellen Präsidenten und riefen "Reisinger raus". Wegen all der Vorkommnisse rückte jetzt also sogar im Stadion der Sport in den Hintergrund.

Gut möglich, dass auch wegen der anhaltenden Scherereien erstmals so viele Sitze leer blieben wie lange nicht mehr bei einem Heimspiel der Sechziger. Die Stimmung im Stadion blieb jedenfalls lange angemessen mau, der aktuell obligatorische DFB-Stimmungsboykott in den ersten zwölf Spielminuten tat sein Übriges. Dabei hatte die Mannschaft des neuen Trainers Argirios Giannikis in den ersten vier Spielminuten drei gute Chancen, also mehr als beim langweiligen 1:1 am Dienstagabend in Lübeck.

Nach den Schüssen von Fynn Lakenmacher, Marlon Frey und dem Kopfball von Kapitän Jesper Verlaat herrschte aber wieder eine andere Taktung in Sachen Torabschluss. Die Gäste des SV Sandhausen zeigten dabei ihre berüchtigte Effizienz: Eine unbedrängt abgegebene Flanke von der rechten Seite drückte der Startelf-Debütant Richard Meier, ebenfalls völlig ungedeckt, per Kopf ins Tor (20.).

Kwadwo köpfelt zum 1:1 ein - in der Schlussphase geht es wieder um Fußball

Eine Antwort der Sechziger blieb lange aus. Erst nach einer guten Stunde gab es wieder einen nennenswerten Torabschluss, kurz nach einem Dreifachwechsel: Schröter traf per Abstauber, wurde aber wegen Abseitsstellung zurückgepfiffen; danach vergaben der eingewechselte Mansour Ouro-Tagba und Julian Guttau Großchancen (63., 64.). Nun herrschte wieder Stimmung auf den Rängen, und die Drangphase der Münchner wurde dann doch noch belohnt: Leroy Kwadwo köpfelte eher glücklich zum 1:1 ein (67.), und nach dem Torjubel riefen plötzlich alle gemeinsam wieder "Einmal Löwe, immer Löwe."

Trainer Giannikis fand später, dass nach einer guten Anfangsphase kurz "der Stecker gezogen" worden sei, er bemängelte vor allem das Pressing seiner Mannschaft. Er fand aber auch, dass "wir nach den Umstellungen Momente hatten, wo wir Torgefahr erzeugt haben". In der Schlussphase ging es jedenfalls wieder um Fußball, weil die Mannschaft einen offenen, spannenden Schlagabtausch einging, ohne jedoch noch einmal große Chancen zu erzwingen.

Giannikis hat nun in einer englischen Woche zum Start seiner Amtszeit fünf Punkte geholt. Und auch, wenn der Blick auf die Tabelle noch keine Ruhe herstellen dürfte angesichts zwei Pünktchen Vorsprung auf die Abstiegsränge, so resümierte Torschütze Kwadwo: "Dass wir dieses Jahr noch ungeschlagen sind, darauf lässt sich aufbauen." Der Abwehrspieler machte mit dem Ausgleichstreffer deutlich, dass die Löwen in Sachen Torschützen gerade etwas variabler werden.

Acht Mal war Sitzbergers Name übrigens auch über die Stadionlautsprecher zu hören. Seine Firma AHD ist noch Sponsor und präsentiert stets die gelben Karten. Während sich manchmal viele Sechzig-Fans auf den Rängen gegenseitig lieber die rote Karte zeigen würden.

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