TSV 1860 München:Grüße an Trainer Jacobacci

Lesezeit: 4 Min.

In Memmingen ist Sechzig-Trainer Maurizio Jacobacci trotz des 4:0 nicht immer zufrieden - auch über die Aussagen seines Präsidenten dürfte er nicht glücklich sein. (Foto: Bernd Feil/MIS/Imago)

Der zuletzt abgetauchte 1860-Präsident Robert Reisinger zeigt sich bei der Mitgliederversammlung kämpferisch. In Kürze soll der Klub "einen Sportlichen Leiter von Format haben". Das passt nicht in die Pläne des Trainers.

Von Markus Schäflein

60 Seiten lang war der Bericht, den Präsident Robert Reisinger zur Mitgliederversammlung des TSV 1860 München vorbereitet hatte, und der Vortrag dauerte rund eine Stunde. Nun muss so ein Bericht selbst bei Sechzig nicht zwingend 60 Seiten und 60 Minuten umfassen, aber Reisinger hatte eben einiges zu sagen zum Thema "Der Verein in seiner Stellung als Gesellschafter" der Profußball-KGaA, denn er findet: "Sachfragen werden zu Glaubensfragen, mit denen Politik gemacht wird." Zusammengefasst: Reisinger ist "glücklich und stolz, wie sich der Verein in den letzten sechs Jahren entwickelt hat" - also in seiner Amtszeit. Nachdem er zuletzt abgetaucht war, trat der Präsident am Sonntag im Zenith wieder kämpferisch auf.

Reisingers Rückkehr zu alter Begeisterung am Amt wird vor allem daran liegen, dass er offenkundig davon ausgeht, sich in der Debatte um einen neuen Sportdirektor für den Fußball-Drittligisten durchsetzen zu können: "Ich habe mich intern für eine starke Persönlichkeit ausgesprochen", berichtete er. Das taten wohl nicht alle im e. V.- "aus verschiedenen Gründen hat die Nachfolgeregelung länger gedauert, als mir lieb war", sagte Reisinger nun: "In Kürze sollte der TSV 1860 München wieder einen Sportlichen Leiter von Format haben." Eine starke Persönlichkeit dürfte sich der Präsident vor allem deshalb wünschen, um den Einfluss der Investorenseite im Tagesgeschäft zu begrenzen. Um wen es sich handelt, sagte er noch nicht; der namhafteste der zuletzt gehandelten Kandidaten ist zweifellos Horst Heldt (Schalke, Hannover, bis 2021 Köln).

TSV 1860 München
:Wer ist jetzt eigentlich Sportdirektor?

Die Sportdirektoren-Stelle bleibt bei den Löwen offiziell unbesetzt - aber Investorenvertreter Saki Stimoniaris berichtet über Etat, Verpflichtungen und Ziele. Vor der Mitgliederversammlung meldet sich auch Hasan Ismaik wieder zu Wort.

Von Markus Schäflein

Dass der neue Sportchef nun zügig kommen soll, überrascht vor allem vor dem Hintergrund, dass sich Trainer Maurizio Jacobacci vor Kurzem dagegen ausgesprochen hatte. Er bestimmt im Moment maßgeblich bei der Auswahl der Zugänge mit. "Wenn in diesem Moment jemand kommen würde, wäre es schwierig", meinte Jacobacci: "Er müsste sich einarbeiten und meine Ideen erst mal verstehen. Wir sind weit in den Planungen fortgeschritten, sodass das jetzt wahrscheinlich keinen Sinn machen würde." Reisinger sagte im Rahmen der Mitgliederversammlung dazu der SZ: "Personalentscheidungen der KGaA gehören nicht zum Aufgabengebiet eines Trainers." Schöne Grüße nach Memmingen, wo Jacobacci zeitgleich zum Testspiel beim Regionalligisten weilte, das die Sechziger immerhin mit 4:0 (1:0) gewannen, durch Tore von Julian Guttau, Mansour Ouro-Tagba, Tarsis Bonga und Milos Cocic.

"Wenn ich lese, unter Reisinger herrscht Stillstand, kriege ich einen Vogel", sagt Reisinger

Nun kommt also wohl doch jemand. Und wo der Präsident angesichts dessen schon wieder Freude am Job hatte, rechtfertigte er den sogenannten "Reisinger-Kurs", also den Konsolidierungskurs. Der beinhalte eben nicht nur bloßen Verzicht auf neuerliche Verschuldung, sondern auch "neue Partnerschaften und alternative Finanzierungen". Von der Saison 2018/19 bis 2022/23 seien etwa die Sponsoring-Erlöse von 1,5 auf 3,9 Millionen gestiegen, die Zahl der Partner wuchs von 144 auf 225 an. "Wenn ich lese, unter Reisinger herrscht Stillstand, kriege ich einen Vogel." Der angestrebte Abbau des negativen Eigenkapitals sei schon deshalb erfolgt, weil der Deutsche Fußball-Bund ihn in den Lizenzierungsbedingungen mittlerweile vorschreibt. "Eine Alternative hat nie bestanden", sagte Reisinger zum Konsolidierungskurs: "Wer etwas anderes behauptet, hat sich mit der Materie nicht genug befasst oder arbeitet bewusst mit Falschaussagen."

Eine Budgeterhöhung sei auch durch Investor Hasan Ismaik möglich - aber eben "mit Sponsoring, Einsatz von Transfererlösen oder eine Kapitalerhöhung", nicht durch Darlehen. Auch die beliebten Genussscheine, die als Eigenkapital gelten, seien nicht unbegrenzt eine Lösung: "Sie mindern den Wert der Anteile an der KGaA, also sollte nicht mit einem Defizit geplant werden."

Reisinger musste dann aber auch den investorenkritischen Mitgliedern einiges zu gefühltem Stillstand erklären - beispielsweise, was den Bau einer neuen Turnhalle und den Umbau des Grünwalder Stadions angeht. Zur Halle auf dem Klubgelände gestalte sich die "die Kommunikation mit dem Mitgesellschafter schwierig"; es sei aber das Einverständnis der KGaA zur Splittung des Erbpachtvertrags nötig. Das Präsidium habe mittlerweile "einen Fachanwalt mit der Wahrung der Interessen des Vereins beauftragt", berichtete Reisinger: "Mehr kann ich leider nicht dazu sagen."

Wieder aufgetaucht - und kämpferisch: 1860-Präsident Robert Reisinger, wie hier im Herbst 2021 bei der Mitgliederversammlung in der Münchner Kulturhalle Zenith. (Foto: Ulrich Wagner/Imago)

Und beim Stadion gehe es eben nach wie vor um die Frage nach der Kapazität. Eine Investorengruppe für das von der Stadt vorgeschlagene Pachtmodell habe es gegeben, diese sei angesichts der Obergrenze von 18 105 Plätzen aber abgesprungen. KGaA-Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer kümmert sich nun um ein Gutachten, das feststellen soll, ob eine Kapazitätserhöhung darüber hinaus - gegen die Einschätzung der Stadt - doch möglich wäre. Zudem würde nur ein Zweitligaaufstieg den Handlungsdruck erhöhen, glaubt Reisinger: "Die Baupreise sind unverhältnismäßig stark gestiegen, wer nicht bauen muss, baut im Moment nicht. Die Stadt München spielt auf Zeit, und das kann man ihr nicht einmal verdenken."

Auch für einen Neubau gebe es ein Grundstück, sagte Reisinger. "Aber den Freunden des Grünwalder Stadions kann ich sagen: Ich habe nicht den Eindruck, dass das in absehbarer Zeit passieren wird." Denn von der Investorenseite sei der Wunsch nach einem neuen Stadion in letzter Zeit nicht mehr konkretisiert worden: "Seit wir erklärt haben, dass man mit uns über alles reden kann, kommt nichts mehr."

Abschließend betonte Reisinger nach den Rücktrittsgerüchten, die er zuletzt nicht bestritten hatte: "Ich habe vor, die Amtszeit bis 2025 zu beenden, was danach ist, liegt in Ihren Händen." Die große Mehrzahl der Anwesenden freute es: Bei der Entlastung stimmten 279 Mitglieder mit Ja und nur 36 mit Nein. Allerdings wurde, obwohl Reisinger es explizit für unnötig hielt, mal wieder die Einberufung einer Stadion-Projektgruppe beschlossen. Ein Mitglied begründete seine Ja-Stimme so: "Wir sind ein Traditionsverein, und es ist Tradition, dass es bei uns eine Stadion-Projektgruppe gibt."

Ein Mitglied wollte noch wissen, warum KGaA-Geschäftsführer Pfeifer nicht sprach. Er hatte eine Videobotschaft hinterlegt, berichtete Vizepräsident Heinz Schmidt, die allerdings nicht abgespielt wurde: "Da Robert überzogen hat bei seiner Rede, haben wir uns gedacht, das Grußwort können wir weglassen."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusTSV 1860 München
:"Mit Ideologie stehen wir uns selbst im Weg"

Finanzgeschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer erklärt, warum er sich über 500 000 Euro Minus in der Bilanz freut, wie er mit den zerstrittenen Gesellschaftern umgeht - und wie der TSV 1860 die Erstligatauglichkeit des Grünwalder Stadions erreichen will.

Interview von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: