TSV 1860 München:Wer ist jetzt eigentlich Sportdirektor?

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"Ay, ay, ay! Wir sind die Löwen!" 1860-Motivationscoach Giovanni Jemma. (Foto: Ulrich Wagner/Imago)

Die Sportdirektoren-Stelle bleibt bei den Löwen offiziell unbesetzt - aber Investorenvertreter Saki Stimoniaris berichtet über Etat, Verpflichtungen und Ziele. Vor der Mitgliederversammlung meldet sich auch Hasan Ismaik wieder zu Wort.

Von Markus Schäflein

Giovanni Jemma, 54, ehemaliger Profiboxer, ist eine interessante Persönlichkeit. Beim Anblick des Motivationscoaches, der im Trainingslager des Fußball-Drittligisten TSV 1860 München mitwirkt, würde man damit rechnen, prompt eins auf die Rübe zu bekommen. Doch in einem seiner vielen Tiktok-Videos sprach er zur Löwengemeinde eher friedfertig: "Der Fokus ist, immer zu denken, dass es vorwärts geht, gesund zu bleiben und jeden so zu lassen, wie er ist. Fokus, Fokus, Fokus! Ich wünsche Euch allen Gottes Segen und Gottes Kraft und danke, dass es uns gibt - alle Menschen."

Auf dem Rasen wurde es dann weniger philosophisch. Jemma, der mit dem Cheftrainer Maurizio Jacobacci schon früher in der Schweiz zusammengearbeitet hat und befreundet ist, schrie immer wieder: "Ay, ay, ay", die Spieler brüllten daraufhin im Testspiel gegen den Linzer ASK): "Wir sind die Löwen!"

Schon klar, die Frage dieser Tage lautet allerdings eher: Wer ist der TSV 1860 München - und wenn ja, wie viele?

SZ PlusMeinungTSV 1860 München
:We need no sportchef!

Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel verlässt die Löwen. Die Gesellschafter debattieren nun nicht, wer sein Nachfolger wird - sondern, ob es überhaupt einen Nachfolger braucht. Das ist mindestens ungewöhnlich.

Kommentar von Markus Schäflein

Wer zum Beispiel hat in Ermangelung eines Sportdirektors nun eigentlich entschieden, Rechtsverteidiger Christopher Lannert zum Ligakonkurrenten Arminia Bielefeld abzugeben? Klar, die Initiative wird von Coach Jacobacci ausgegangen sein, und abgewickelt wird der Wechsel von Finanz-Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer, aber dazwischen müsste doch mal jemand geprüft haben, ob der Wunsch Jacobaccis in Ordnung geht. Chefscout Jürgen Jung und Nachwuchsleiter Manfred Paula sollen eingebunden sein, treten öffentlich aber nicht in Erscheinung.

Das tat zuletzt stattdessen Investorenvertreter und Aufsichtsratschef Saki Stimoniaris, der betonte, selbstverständlich kein Sportchef sein zu wollen, um dann Aufgaben eines Sportchefs zu übernehmen: Er berichtete über eine Erhöhung des Etats um 500 000 Euro, geplante weitere Verpflichtungen und Saisonziele. An seiner Seite saß Anthony Power, ebenfalls Statthalter von Investor Hasan Ismaik; Power hatte ebenfalls abgestritten, Sportdirektor werden zu wollen. Faktisch scheinen bei Sechzig derzeit allerdings Stimoniaris, Power und Jacobacci zu agieren.

Während die Investorenvertreter Präsenz zeigen, ist der andere Gesellschafter, der e.V., abgetaucht. Präsident Robert Reisinger ist in seine Arbeit als Unternehmensberater vertieft und wirkt amtsmüde - was auch damit zu tun haben dürfte, dass seine Mahnungen, die Sportdirektorenstelle solle sofort bei Ausscheiden von Günther Gorenzel nachbesetzt werden, nicht erhört wurden. Und sein Vertreter Hans Sitzberger, der zumindest eine Zeit lang im Trainingslager weilte, tritt öffentlich auch kaum in Erscheinung.

Siebrecht, Lex, Heldt? Kandidaten für den Sportchef-Posten gibt es genug

Dabei wäre es der e.V., der bei der Suche nach einem neuen Sportdirektor eine entscheidende Rolle spielen könnte. Eingestellt wird er zwar vom verbliebenen Geschäftsführer Pfeifer - aber der e.V. könnte ihn vorschlagen oder gar mittels 50+1 bestimmen. Interessenten gibt es genug, wie schnell es geht, hängt davon ab, inwieweit Pfeifer auf die Zustimmung beider Gesellschafter - e.V. und Ismaik - oder zumindest einer Seite setzt. Ein möglicher Kandidat ist Lutz Siebrecht, 55, mit dem Pfeifer bereits bei den Stuttgarter Kickers zusammenarbeitete und der zuletzt bis März 2022 Teammanager bei Lokomotive Moskau war. Aber auch eine günstige interne Lösung mit Stefan Lex, 33, der seine Spielerkarriere beendete und einen Anschlussvertrag über eine noch nicht näher definierte Tätigkeit in der KGaA besitzt, ist weiter im Gespräch. Auch über größere Namen wird gesprochen, zuletzt schlug Meisterlöwe Fredi Heiß in der Abendzeitung den schon vor Längerem gehandelten Horst Heldt, 53, vor.

Am Sonntag steht die Mitgliederversammlung an; dann wird das Präsidium sich zur personellen Situation der Profifußball-KGaA erklären können oder müssen. Kurz vor dieser Versammlung hat sich auch Investor Hasan Ismaik mal wieder zu Wort gemeldet. "Seit 12 Jahren habe ich den Eindruck, dass bewusst Geschäftsführer ausgewählt werden, die dem Verein gegenüber loyal und gehorsam sind, deren Lebenslauf es aber nicht zulässt, das Unternehmen voranzubringen", klagte er. Vor dem Hintergrund, dass Pfeifer einen guten Kontakt zu den Investorenvertretern pflegt, irritiert das. Eine Botschaft an seine Gegner im Verein hatte Ismaik auch noch: "Das einzige Ziel ist, mich müde zu machen und mich loszuwerden. Das wird niemandem gelingen."

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