TSV 1860 München:"Sechzig München hat schon 'ne große Wucht"

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Dass Michael Köllner soeben zum besten Trainer der dritten Liga gewählt wurde, hat sich bis nach Österreich herumgesprochen. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Mitten im Aufstiegskampf muss Trainer Köllner seine Verbindung zu Austria Wien erklären. Eine Ablenkung? Pff! Nicht mit einem Meister der ironischen Überhöhung an der Seitenlinie.

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Also bitteschön, die ganze Aufregung! Es ist doch alles halb so wild. Folgendermaßen geht die Geschichte: Austria Wien sei ja nun wirklich ein toller Verein, sagt Michael Köllner. Und Traditionsvereine, das weiß man, die findet Köllner eben richtig gut. Sonst wäre er ja wohl kaum Trainer beim TSV 1860 München geworden. Außerdem: Es sei ja wohl schön, wenn sich Leute nach einem erkundigten, um in Austausch zu treten. Sorgen müsse sich deshalb niemand bei 1860, es gebe schließlich Verträge, die gelte es stets zu respektieren, und Köllners Vertrag läuft nun mal bis 2023. Und überhaupt: Er werde ja noch ein paar Jahre länger Trainer sein, da könne man sich doch wohl mal darüber unterhalten, wie sie bei Austria Wien bestimmte Dinge planen.

Jetzt blickt Köllner siegesgewiss in die Runde, weil er sogleich zu einer seiner rhetorischen Spezialitäten ansetzen wird - Schachmattsetzen mit dem Stilmittel der ironischen Überhöhung: "Mir gefällt Österreich grundsätzlich, da fahre ich auch zum Wellnessen hin." Und nicht nur das. " Wien ist einfach eine super Stadt. Meine Frau und meine Familie müssen sich wohlfühlen, und der Verein muss eine Wucht haben." Kleine Pause. "München ist schon auch ne schöne Stadt und Sechzig München hat schon ne große Wucht." Noch Fragen?

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Charmanter, als es Michael Köllner am Donnerstag vormachte, kann sich kaum einer aus der Affäre ziehen. Da müsste er schon Franz Beckenbauer sein, der einst, nachdem er auf der Weihnachtsfeier des FC Bayern ein Kind gezeugt hatte, anmerkte, so groß sei das Verbrechen ja nun nicht. "Der liebe Gott freut sich über jedes Kind." Bei Köllner war es kein Techtelmechtel, sondern nur ein kleiner Blinzler in Richtung Österreichischer Erster Liga, wo er laut einem Bericht des Kurier Austrias Vereinspräsidenten Frank Hensel mit seinem "Konzept" überzeugt hatte.

Ob er etwa ein solches vorgelegt habe? Ach was, sagt Köllner. Es habe sich halt rumgesprochen, was seine Arbeit auszeichnet: Belastungssteuerung, Konzept einer Mannschaft mit jungen und alten Spielern - und wie man einen schwierigen Verein wie 1860 stabil hinbekommt. "Das imponiert natürlich den Leuten in anderen Traditionsvereinen. Aber ich hab denen jetzt nicht ein sportliches Konzept von der U8 bis zur Profimannschaft gemacht." Pause. "Könnte ich zwar! Aber dafür habe ich ja gerade überhaupt keine Zeit." Es müsse sich keiner Sorgen machen, dass er zwei Wochen lang ein Konzept für Austria geschrieben hätte und währenddessen in München "nur den Ball reingeworfen habe beim Training elf gegen elf und gesagt habe: Spuits amoi!"

Vielleicht sollten sie sich einfach freuen im Umfeld von 1860, dass sie endlich mal einen Trainer haben, der so gut ist, dass ihn andere Klubs abwerben wollen. Der Letzte, der dafür erfolgreich genug gewesen wäre, war Werner Lorant. Aber den wollte trotzdem niemand haben.

Und deshalb muss es jetzt auch gut sein mit der Austria-Debatte; am Samstag steht das Endspiel im Kampf um die Zweitliga-Relegation an. Sechzig muss Ingolstadt besiegen. Sascha Mölders darf mitwirken. Nach seiner Beleidigung in Richtung des Bayern II-Profis Maximilian Welzmüller ("Nächstes Jahr seid ihr in der Regionalliga Bayern, Spacko") erhielt er vom Deutschen Fußball-Bund lediglich eine Geldstrafe in Höhe von 1500 Euro. Bei so einer Summe legt ein echter Löwe wie Mölders vermutlich sogar gerne noch freiwillig 360 Euro dazu. Muss er aber gar nicht, denn ein 1860-Anhänger gründete eigens eine Spendenaktion für Mölders mit dem Titel: "Spacko-Euro für die Wampe von Giesing." Freitagmorgen um halb neun waren schon 4114 Euro gesammelt.

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Der Spruch war eh keine große Sache, sagt Köllner. "Unsere Fans lieben emotionale Spieler. Und dann soll der Sascha nach der Partie rausgehen, von einer Minute auf die andere sich hinstellen, Kommunionsanzug anziehen, Kerze in die Hand nehmen und dem lieben Gott danken, dass wir alle gesund sind?"

Dieses Gleichnis ist selbstverständlich schon wieder viel zu herrlich, um keine Begehrlichkeiten bei anderen Klubs zu wecken.

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