TSV 1860 München:E-Mail-Ärger in der Nacht zum Feiertag

Lesezeit: 4 min

Um ihn tobt der Streit: Christian Werner, neuer Sport-Geschäftsführer des TSV 1860 München. (Foto: Ulrich Wagner/Imago)

Das Präsidium des TSV 1860 bringt Christian Werner per 50+1 ins Amt des Sport-Geschäftsführers - schon die Pressemitteilung führt zu einer neuen Eskalation des Streits mit der Investorenseite.

Von Markus Schäflein

Die Uhrzeit war ungewöhnlich, aber noch nicht das Ungewöhnlichste an der Pressemitteilung, in der der Fußball-Drittligist TSV 1860 München die Einstellung seines neuen Sport-Geschäftsführers Christian Werner bekannt gab. Am Freitagabend um 21.32 Uhr erreichte sie die Redaktionen, es hieß: "Beide Gesellschafter des Klubs, sowohl der Verein wie auch die Vertreter von HAM International aus Dubai, sprechen der neuen sportlichen Leitung ihr persönliches Vertrauen aus."

Das klang für einen normalen Fußballklub selbstverständlich, war es für Sechzig aber ganz und gar nicht - hatten die e.V.-Vertreter und die Investorenseite, die Statthalter von Hasan Ismaiks Firma HAM, doch erbittert um die Personalie gestritten; Ismaik wollte Werner, wenn überhaupt, als Sportdirektor, aber nicht in der ranghöheren Funktion eines Geschäftsführers. Um 22.17 Uhr meldete sich Pressesprecher Rainer Kmeth dann erneut: "Sehr geehrte Damen und Herren, anbei erhalten Sie die aktualisierte Pressemitteilung zur Bestellung des neuen Sport-Geschäftsführers. Einen schönen Abend." Und nun war die Passage, wonach HAM Werner das Vertrauen aussprach, gestrichen.

SZ PlusExklusivTSV 1860 München
:"What the fuck is this now?"

Eine bemerkenswerte E-Mail-Konversation: 1860 hat noch immer weder Trainer noch Sportchef - und die Investorenseite bestreitet, dass Präsident Reisinger überhaupt Beiratsvorsitzender ist. Eine 50+1-Entscheidung wird immer wahrscheinlicher.

Von Markus Schäflein

Der Reihe nach: Nach ausuferndem Streit um die Personalie im Beirat hatte das e.V.-Präsidium mit Robert Reisinger, Heinz Schmidt und Hans Sitzberger am Donnerstag einstimmig 50+1 gezogen - also den blockierten Beirat entmachtet und Werner ins Amt gebracht. Präsentiert werden sollte dies nach letzten Unterschriften am Montag oder Dienstag. Am Freitag erhielt Werner dann von Andrew Livingston, Beiratsmitglied der Investorenseite, eine E-Mail mit dem Betreff "Opportunity to meet", in der Livingston um ein schnelles Treffen bat - mit Antwortfrist um 18 Uhr. Nun forcierte das Präsidium eine schnelle Information der HAM-Vertreter über die 50+1-Entscheidung - und die Pressemitteilung, was die ungewöhnliche Uhrzeit erklärt.

Verfasst hatte den Text Vizepräsident Schmidt - mit der Passage, wonach beide Gesellschafter Werner das Vertrauen aussprachen. Noch am Freitag erhielt er eine Stunde vor Mitternacht eine E-Mail von HAM-Anwalt Frank Koch: "Wie Sie wissen, ist die Aussage unwahr. Mittlerweile wurde Ihre Falschbehauptung auch bereits von der Presse aufgegriffen. Sie bekommen hiermit Gelegenheit bis morgen, 12 Uhr, Stellung zu nehmen, warum Sie diese Falschmeldung publik gemacht haben. In gleicher Frist haben Sie den hierdurch in der Öffentlichkeit entstandenen falschen Eindruck (...) zu beseitigen."

Die Meldung sei "absichtlich" so gefasst gewesen, "dass sie keinen Hinweis auf eine Entscheidung nach 50+1 enthielt"

Schmidt erklärte am Samstagvormittag, ebenfalls per E-Mail, er habe von drei Investorenvertretern Aussagen so verstanden: "Saki Stimoniaris war beim Auswahlverfahren von Dr. Werner beteiligt und hat sich damals auch für ihn ausgesprochen. In einer längeren Videokonferenz haben auch Yahya Ismaik und Anthony Power Dr. Werner ihre Unterstützung zugesagt, sobald er im Job ist." Die Meldung sei "absichtlich" so gefasst gewesen, "dass sie keinen Hinweis auf eine Entscheidung nach 50+1 enthielt. Die Möglichkeit, einen Hauch von Gemeinsamkeit zumindest nach außen zu zeigen, wollte ich offenhalten. Ich weiß jetzt wieder mal, dass das nicht gewollt ist, werde aber an meiner blauäugigen Illusion festhalten".

In der Tat wird Gemeinsamkeit eine Illusion bleiben, Livingston antwortete Schmidt: "Ihr Versuch, sich als ehrlichen Kämpfer für ,einen Hauch von Gemeinsamkeit' darzustellen, ist ebenso durchsichtig wie falsch: Sie sind Täter und nicht Opfer." Durch das unabgestimmte Vorgehen habe das Präsidium gegen den Kooperationsvertrag verstoßen, erklärte Livingston.

Schmidts E-Mail enthalte "auch glatte Lügen, von denen ich sehr hoffe, dass sie nicht aus Dr. Werners Bericht über sein Treffen mit den Herren Power und Yahya Ismaik stammen, denn wenn das der Fall ist, kann es nicht gut ausgehen". Werner sei von den genannten Investorenvertretern "keine uneingeschränkte Unterstützung versprochen" worden, so Livingston. Aber "wenn er beweisen könnte, dass er zum Wohle von 1860 und nicht im Sinne eines einzelnen Gesellschafters arbeiten kann, würde er alle Unterstützung erhalten, die er für diese Aufgabe benötigt".

Der e.V. habe nun "seinen Willen durchgesetzt, und wir alle müssen hoffen, dass der von Ihnen ausgewählte Kandidat in der Lage ist, dieses Unternehmen zu führen", so Livingston. "Aufgrund seines Lebenslaufs und seiner Präsentation habe ich da meine Zweifel."

Ismaik selbst nahm am Samstagabend zu der 50+1-Entscheidung Stellung. Der "noch laufende Abstimmungsprozess" im Beirat des Fußball-Drittligisten sei "ausgehebelt" worden. Der Beirat sei "handlungsfähig" gewesen, meint er. Die e.V.-Vertreter sahen dies anders, nachdem Ismaiks Statthalter den Vorsitz von e.V.-Präsident Robert Reisinger und somit dessen Ladungsrecht zu Sitzungen bestritten hatten; daraufhin brachte das Präsidium Werner mittels 50+1 ins Amt.

Seine Vertreter im Beirat hätten an Silvester "konstruktive Vorschläge für ein Abstimmungsverfahren gemacht", teilte Ismaik mit. Sein Anwalt Frank Koch hatte da vorgeschlagen, die Beiratsmitglieder sollten sich "einvernehmlich auf einen Termin und Art der Durchführung" einer Sitzung einigen. Zudem solle den Beiratsmitgliedern der Investorenseite - Andrew Livingston, "der Herrn Dr. Werner noch nicht kennt", und Saki Stimoniaris - die Gelegenheit gegeben geben, "Herrn Dr. Werner zu befragen".

Den e.V.-Vertretern klang Kochs Vorschlag zu sehr nach weiterer Verzögerungstaktik, zumal er in derselben E-Mail deutliche Zweifel an der Eignung Werners als Geschäftsführer äußerte - und das Thema bereits seit 13. November im Beirat war. Es hatte seitdem auch weitere Gespräche zwischen anderen Investorenvertretern, auch Stimoniaris, und Werner gegeben. So zog das Präsidium "ohne weitere Ankündigung die Entscheidung an sich", wie Ismaik klagte. Das sei "sehr bedauerlich" und mache "deutlich, dass der e.V. nun allein die Verantwortung für Erfolg oder Misserfolg dieser Personalentscheidung tragen muss".

Der 42-jährige Werner indes, zuletzt Chefscout von Waldhof Mannheim und zuvor in der zweiten Liga Österreichs bei Austria Lustenau tätig, muss als erste Amtshandlung einen neuen Trainer finden. Im Gespräch sind Marco Antwerpen (zuletzt 1. FC Kaiserslautern) und Holger Bachthaler vom Regionalligisten FV Illertissen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: