TSG Hoffenheim -:Nur BVB und Bayern besser als Nagelsmann

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Die TSG Hoffenheim setzt beim 3:1 in Hamburg ihren erstaunlichen Aufstieg seit dem Amtsantritt ihres Trainers fort.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Den Tag, an dem Julian Nagelsmann, 28, Platz drei in der Nagelsmann-Tabelle behauptet hatte, weil er mit dem 3:1-Sieg der TSG Hoffenheim beim Hamburger SV die Punkte 12, 13 und 14 seit seinem Amtsantritt eingeheimst hatte (nur die Branchengrößen FC Bayern und Borussia Dortmund holten in der vergangenen sieben Spielen mehr), hat der Trainerneuling zumindest äußerlich ziemlich cool hingenommen. Es sei "kein Sahnetag" seiner Mannschaft gewesen, analysierte er nüchtern, seine Spieler hätten die großen Räume, die ihnen der HSV zur Verfügung stellte, "schlecht bespielt". Und falls jemand denke, der einstige Tabellenletzte sei nach dieser Serie quasi fast schon gerettet, dem werde er womöglich die Tabelle ausdrucken. Da steht Hoffenheim noch immer an der Grenze zur zweiten Liga.

Aber es langte gegen einen HSV, der keineswegs sein schlechtestes Heimspiel hingelegt hatte. Vor allem, weil die Kraichgauer ihre Konter-Möglichkeiten prächtig nutzten, während die Hamburger nach der Pause immer wieder am überragenden TSG-Torwart Oliver Baumann scheiterten. Besonders in der 60. Minute, als er einen fast unhaltbaren Schuss von Michael Gregoritsch aus fünf Metern packte (es wäre das 2:2 gewesen) und einen Kopfball von Cléber (67.) abwehrte wie ein Musketier, streifte er die Weltklasse.

Kein Vorbeikommen: Hamburgs Artjoms Rudnevs und Hoffenheims Tobias Strobl (r.) im Zweikampf um den Ball. Hoffenheim behält im Spiel die Oberhand. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Für die größte Aufregung im Spiel sorgte dagegen Schiedsrichter Knut Kircher, und das gleich mehrfach. Szene eins in der 20. Minute: Weil der HSV unvorsichtigerweise auf Abseits spielte, konnte Kevin Volland allein in den Strafraum eindringen, wo ihn Torwart René Adler umrammte. Nach der noch gültigen Regel wäre das ein Elfmeter und für Adler die rote Karte gewesen. Doch Kircher beließ es bei dem gelben Karton für den Keeper, den Strafstoß schoss Andrej Kramaric unhaltbar in die aus seiner Sicht rechte Ecke zum 0:1. Es war schon sein vierter Treffer, seit er im Winter von Leicester City zur TSG kam. Hoffenheims Direktor Profußball Alexander Rosen konnte nach dem Erfolg Nachsicht mit dem Schiedsrichter üben. Wunderbar "innovativ" habe Kircher das ausgelegt, "indem er die neue Regel schon jetzt angewandt habe, die erst vom 1. Juli an gelten soll": Dann soll nämlich die Dreifachbestrafung (Elfmeter, rote Karte, Sperre) aufgehoben werden, was ja fast alle Fußballer begrüßen.

Unter Huub Stevens wurde das Team zum Defensivfußball gezwungen

Szene Nummer zwei, zwei Minuten später: HSV-Verteidiger Matthias Ostrzolek spielt nach einer Adler-Abwehr den Ball zum Keeper zurück und der nimmt ihn auf. Freistoß für die TSG sechs Meter vor dem Hamburger Tor. Sebastian Rudy tickt den Ball an, Volland nimmt die Ecke, die Adler nicht abgedeckt hat und trifft zum 0:2. Die meisten Referees hätten das Zuspiel wohl nicht moniert, sondern als Abwehraktion gewertet. Aber man musste es nicht so sehen wie HSV-Coach Bruno Labaddia, der diesen Rückpass als "nicht gezielt" ansah.

Szene drei, acht Minute später: Ivo Ilicevic flankt, Pavel Kaderabek wendet sich ab, die Hände am Körper, doch Kircher pfeift erneut Elfmeter - eine äußerst zweifelhafte Entscheidung, die aber Aaron Hunt in seinem 250. Bundesligaspiel nicht davon abhält, den Ball extrem cool in die Mitte des Tores zu setzen, während Baumann in die Ecke fliegt.

Spätestens nach der Pause übernahm der HSV mit weiten, langen Bällen das Kommando. Tief standen die Gäste, aber das bot immer wieder Konterchancen, eine davon wurde in der 67. Minute durch Eduardo Vargas nach einem Zuspiel von Volland zum 1:3 genutzt. Es war bereits der zehnte von zwölf Treffern unter Nagelsmann, der aus einer Spielsituation und nicht durch einen Standard erzielt wurde. Und auch, wenn Nagelmann den Auftritt keineswegs berauschend fand, war die neue Ordnung und das überragende Umschalten von Abwehr auf Angriff eindrucksvoll zu beobachten.

Längst spielt das unter Huub Stevens zum Defensivfußball gezwungene Team wieder mit Freude nach vorne, wenn es die Möglichkeit gibt. Ein Absteiger spielt jedenfalls nicht wie die Hoffenheimer. "Wir spielen wieder ganz anderen Fußball und gehen vorne drauf", schwärmte Volland, der nach langem Tief wieder mit Schwung und Lust dem Gegner wegläuft. Baumann, der Mann des Spiels, war nicht nur von Kampf und Willen seiner Kollegen beeindruckt. Auch er lobte seinen neuen Chef: "Er gibt uns eine klare Richtung vor, lässt uns aber auch Freiräume." Dass der neue Übungsleiter zuweilen auch "komplizierte Dinge" auf dem Platz verlangt, das werden alle Profis hinnehmen, solange es so gut läuft wie derzeit.

© SZ vom 20.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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