TSG Hoffenheim gegen den FC Bayern München:Wenigstens die 1000 steht

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A zache Gschicht: Selbst Arjen Robben kann schlappen Bayern in Hoffenheim kein Leben einhauchen. Zwar bekommt Manuel Neuer wieder keinen Gegentreffer - jetzt schon seit 1018 Minuten - sonst gelingt den zuletzt so starken Münchnern beim 0:0 allerdings herzlich wenig. Zur Entspannung kommt da die Wiesn genau richtig.

Sebastian Gierke

Die Diskussionen hatten sich vor dem Spiel schon auf Nebenschauplätze konzentriert. Die 1000 Minuten ohne Gegentor für Manuel Neuer, die wollte man bei den Bayern knacken. Und Arjen Robben ein bisschen aufmuntern. Nach zuletzt 16:0 Toren in fünf Partien, nach großartigen Spielen und ebensolchen Siegen gegen Manchester City, Leverkusen, Schalke, Villarreal und Freiburg, wurde in München mehr über den anstehenden Besuch auf dem Oktoberfest nachgedacht, als über den Gegner.

Manuel Neuer, seit 1018 Minuten ohne Gegentreffer war auch in Hoffenheim rechtzeitig auf dem Weg in die Torecke. (Foto: dapd)

Und genau darauf hatten die Hoffenheimer gehofft: Dass die Bayern es etwas lockerer angehen lassen würden nach all dem Lob der vergangenen Wochen, dass die Konzentration zurückgeht, dass der Rekordmeister sich zu sehr auf die aktuell herausragende Form verlässt - und zu wenig dafür tut, sie auch abzurufen. Dass sie glauben, es würde für sie einfach weiter laufen. Anstrengungslos. Es lief nicht weiter. Dafür wurde es anstrengend, zuzusehen. Und am Ende stand ein trostloses 0:0 in Hoffenheim.

Bayern-Kapitän Philipp Lahm konnte dem Remis allerdings auch Positives abgewinnen: "Uns hat heute vor allem in der ersten Halbzeit die Frische und die Spritzigkeit gefehlt. Aber wir sind ohne Gegentor geblieben, da muss man auch mal mit einem 0:0 zufrieden sein." Hoffenheims Trainer Holger Stanislawski ärgerte sich: "Wir hätten das Spiel gewinnen müssen. Wir waren über 60, 65 Minuten die bessere Mannschaft."

Tatsächlich hatten es sich die Bayern zu gemütlich in ihrer Komfortzone eingerichtet. Toni Kroos war zunächst der einzige Münchner, der spielte, als ginge es in Hoffenheim um etwas. Um einen harmonischen Wiesn-Besuch, das doch mindestens. Kroos jedenfalls schickte in der 15. Minute Jérôme Boateng über rechts auf die Reise, den vom Hoffenheimer Keeper Tom Starke abgefälschten Schuss konnte Isaac Vorsah gerade noch von Linie kratzen.

Danach übernahmen allerdings die Kraichgauer die Kontrolle. Stanislawski hatte seine Mannschaft mutig offensiv aufgestellt. Drei Stürmer bot er gegen die Münchner auf. Ryan Babel, Roberto Firmino und Chinedu Obasi sollten Manuel Neuer endlich wieder einmal überwinden. Und diese drei wetzten bei Ballbesitz der Bayern zwischen den Münchner Abwehrspielern und dem Torhüter hin und her, als wollten sie Neuer allein durch ihre Geschwindigkeit verwirren. So viel Bewegung hatte Neuer in dieser Saison jedenfalls noch nie direkt vor seiner Nase.

Und mit so viel Bewegung brachten die Hoffenheimer die Bayern-Innenverteidigung gehörig durcheinander. In einigen Szenen erinnerte das sogar an die vergangene Saison. Kein Wunder. Schließlich spielte Holger Badstuber neben Daniel Van Buyten. Erinnern sie sich? Schnarch? Und Schleich? Jérôme Boateng verteidigte auf der rechten Abwehrseite, weil Stammkraft Rafinha nach dem Aufwärmen wegen muskulärer Probleme passen musste.

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Ribéry spielt. Kroos spielt. Müller spielt. Und Arjen Robben? Der bleibt freiwillig draußen. Freiwillig? Nicht ganz. Sein Trainer Jupp Heynckes hat natürlich die Hände im Spiel.

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Manuel Neuer bekam in den ersten 45 Minuten mehr zu tun, als in den vergangenen fünf Spielen zusammen, in der 22. Minute kam er sogar ins Fliegen, als Marvin Compper mit dem Hinterkopf einen Ball hoch ins lange Eck schickte, wohin Neuer aber auch schon unterwegs war und deshalb auch rechtzeitig dort oben ankam. Immer wieder tauchten jetzt Babel oder Firmino in aussichtsreicher Position vor Neuer auf, ohne diese Gelegenheiten aber in gefährliche Chancen überführen zu können. Babel versuchte sogar, den hüftsteifen Wrestler-Sohn Van Buyten mit einem kleinen Tänzchen um den Ball zu veräppeln. Stanislawski gab draußen das Rumpelstilzchen. Die Bayern beim Stand von 0:0 auf den Arm nehmen, das war dem Trainer dann doch nicht ganz geheuer. Immerhin hat er an die Bayern extrem schlechte Erinnerungen. 1:8 verlor er sein letztes Spiel mit St. Pauli gegen München, der Abstieg der Hamburger war damit besiegelt gewesen. "Dieses Spiel habe ich nicht verarbeitet. Ich werde es auch nie verarbeiten", hat er gerade im Interview mit der Süddeutschen Zeitung gesagt. Vielleicht half ihm ja die aktuelle Partie ein wenig bei der Vergangenheitsbewältigung.

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Kurz nach Babels Tänzchen wurde es dann Anatoli Timoschtschuk, der für Luiz Gustavo in die Mannschaft rotiert war, zu viel. Zu Zeiten Effenbergs oder van Bommels hätte man gesagt: Er setzte ein "Zeichen". Nachdem Timoschtschuk sich dann die verdiente Gelbe Karte für sein Einsteigen abgeholt hatte, war auch schon Mario Gomez zu ihm nach hinten geeilt. Aus der Spitze an den Mittelkreis. Nicht um Timoschtschuk bei der Zeichensetzerei moralisch zu unterstützen, sondern um den Ukrainer zu maßregeln. Man müsse doch jetzt nicht überreagieren, so hätte man Gomez´ beruhigende Geste deuten können. Dabei war das Spiel der Bayern zu diesem Zeitpunkt beruhigend bis zur Langeweile. Der zuletzt so starke Franck Ribéry war nirgends zu sehen. Genauso wie Mario Gomez und Thomas Müller.

Ribéry blieb, leicht angeschlagen, nach 45 Minuten in der Kabine, für ihn kam Arjen Robben, der nach seiner späten Einwechslung gegen Manchester in der Champions League noch sauer aus dem Stadion geflüchtet war. Doch Robben konnte seine ziemlich frühe Einwechslung nicht rechtfertigen, verlieh dem Bayern-Spiel keinen neuen Schwung. Tatsächlich wirbelte der für Gomez eingewechselte Wiener DJ-Sohn David Alaba über die linke Seite gefährlicher, als Robben auf seiner rechten Seite.

Die Bayern wirkten ausgelaugt, platt nach zwei so grandios bestrittenen englischen Wochen. Mehr als ein Abseitstor gelang ihnen nicht. "Man hat uns angemerkt, dass wir müde waren", sagte Trainer Jupp Heynckes. Bastian Schweinsteiger, der zuletzt unaufhaltsam seiner stolzen WM-Form aus dem Jahr 2010 zustrebte, reihte Fehlpass an Fehlpass. Als er sich dann seine Gelbe Karte abholte, war das eher auf Frust zurückzuführen, als darauf, ein weiteres "Zeichen" setzen zu wollen. Heynckes wirkte an der Linie engagierter, als seine Mannschaft. Doch auch Hoffenheim war jetzt nicht mehr so spritzig, wie zu Beginn des Spiels.

In der 72. Minute hatten es die Bayern dann geschafft: 1000 Minuten in Pflichtspielen ohne Gegentor für Manuel Neuer. "Das ist der Rekord der Mannschaft", betonte Neuer, der am Ende des Spiels sogar 1018 Minuten nicht mehr hinter sich greifen musste. Viel mehr als das gelang an diesem Nachmittag allerdings nicht. Am Sonntag geht's auf die Wiesn. Ab 13 Uhr werden die Bayern-Spieler in die Lederhosen schlüpfen und die ein oder andere Maß stemmen, vielleicht sogar daran nippen. Verdient haben sie es sich. Allerdings nicht mit dem Spiel gegen Hoffenheim.

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