Triathlon auf Hawaii:Quälerei für die Upper Class

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Kräftemessen einer gut betuchten Kundschaft: Die Belgier Kenneth Vandendriessche und Pieter Heemeryck bereiten sich auf Hawaii für den Höhepunkt der Szene in dieser Woche vor. (Foto: David Pintens/Belga/Imago)

Der mythenumwehte Ironman-Triathlon auf Hawaii, der erste seit Pandemie-Beginn, wird immer mehr zur Geldfrage: Selbst einigen Profis ist die Teilnahme mittlerweile zu teuer.

Von Johannes Knuth, München

Manchmal geht es auch andersherum. Dann entpuppt sich der vermeintliche Mangel als Gewinn. Der Ausdauertrainer Dan Lorang hatte zuletzt sehr spontan beschlossen, auch diesmal nach Kailua-Kona zu reisen. Er ist im Hauptjob Cheftrainer beim Radteam Bora-Hansgrohe, da weiß man nicht immer Monate im Voraus, ob man seine Triathlon-Schützlinge am anderen Ende der Welt betreuen kann, bei der berühmten Langdistanz auf Hawaii in dieser Woche.

Nur: Wo auf die Schnelle eine Herberge auftreiben? Die Wohnung, die der deutsche Dauersieger Jan Frodeno für gewöhnlich für seinen Tross anmietet, schied aus: Frodeno hat seinen Karriere-Ausstand um ein Jahr verschoben, nach diversen Verletzungen. Bei seinen anderen Sportlern, wie der Titelverteidigerin Anne Haug, wollte sich Lorang nicht so spontan einquartieren. Bekannte offerierten ihm schließlich eine Couch, die, wie er im Gespräch berichtet, sich als geräumiges Ausziehbett entpuppte.

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Jan Frodeno, der überragende Triathlet der vergangenen Jahre, macht Bekanntschaft mit einer Frage, die selbst Großmeister irgendwann einholt: Was, wenn der Kopf noch will, der Körper aber immer seltener?

Von Johannes Knuth

Lorang weiß, wie hold ihm das Glück war. Der berühmte Ausdauerdreikampf auf der Pazifikinsel, 3,8 Kilometer zu Wasser, 180 Kilometer auf dem Rad und 42,2 Kilometer zu Fuß, ist schon lange nicht mehr das romantisch verklärte Abenteuer von einst: Wenn zuletzt etwa der Prinz von Bahrain mit seinem Jumbojet einflog und viele Amateurstarter ihre Rennräder vom Gegenwert eines Kleinwagens über den Ali'i Drive vorführten. Aber dieses Jahr müssen Athleten, Betreuer und Fans zum Teil noch mal in neue, finanzielle Schmerzenswelten eintauchen.

Nicht nur die Zahl der Teilnehmer hat sich verdoppelt, sondern auch der Preis für einen Hawaii-Trip

Der Veranstalter Ironman hat das Rennen, das erste seit 2019, in diesem Jahr aufgebrochen. Statt 2500 Profis und Amateuren in einem Rutsch starten doppelt so viele an zwei Tagen: erst die Frauen und ein Teil der sogenannten Age Grouper am Donnerstag, am Samstag dann die Männer und der Rest. Man wolle, so geht eines der tragenden Argumente, den Frauen so mehr Aufmerksamkeit verschaffen. Nicht nur Lorang stimmt das skeptisch. Er lasse sich gerne vom Gegenteil überzeugen, sagt er, aber er frage sich schon, "ob das nicht eher kommerzgetrieben ist". Das ist keine gewagte These bei einer Dachorganisation wie Ironman, die zuletzt von chinesischen an amerikanische Investoren wanderte, in der Szene oft für ihre profitgetriebene Art mit Kritik überhäuft wird. 5000 statt 2500 Startplätze, das sollte sich jedenfalls rechnen, bei diesmal 1120 Dollar Startgebühr pro Athlet.

Ironischerweise führt die Expansion dazu, dass das Angebot zugleich schrumpft. Denn die Infrastruktur für Gäste in Kona, hat Lorang beobachtet, verrücke sich seit Jahren kaum. Die Lebenskosten sind zugleich generell angeschwollen, viele Festland-Amerikaner siedelten während der Pandemie auf die Insel über. "Es ist auch utopisch zu denken, dass die hier jetzt mehr Hotels oder Unterkünfte bauen", sagt Lorang, der große Ansturm rolle nur während der zwei, drei Renn-Wochen über die Insel. Bis zuletzt mussten viele Teilnehmer rund 10 000 Euro für Flug, Unterkunft und Verpflegung einplanen. Neue Hochrechnungen gehen eher vom Doppelten aus. Manche berichteten zuletzt gar von 30 000 Euro, die Vermieter für handelsübliche Apartments aufriefen, für drei Wochen, auch wenn das offenbar Extrembeispiele waren, befeuert von Algorithmen mancher Buchungsseiten. Wenn nur noch das Bankkonto darüber richte, ob jemand hier starte, fände er das jedenfalls schade, so Lorang: "Aber genau das wird derzeit provoziert."

Ironman teilte der Deutschen Presse-Agentur zuletzt mit, dass man die Reisekosten leider nicht beeinflussen könne. Das klingt schon originell: Es war ja der Ausrichter, der das Starterfeld weitete - und so die Nachfrage noch mal befeuerte.

Selbst manche Profis hat es bei diesem Preiskarussell abgeworfen. "Die Kosten sind höher, als ich es mir je leisten könnte", kommentierte die Deutsche Svenja Thoes, zuletzt Siegerin zweier Langdistanzen, ihren Startverzicht. Das legt auch einen schon länger bekannten Missstand frei: Eine kleine Elite lebt sehr gut von Sponsorengeldern, tüftelt im Windkanal daran, wie man den Radsattel um ein paar Millimeter verschiebt, um für die Fallwinde auf Hawaii noch besser gewappnet zu sein. Der Rest versucht, seinen Lebensunterhalt zusammenzukratzen.

Auch wenn die Quälerei immer teuer wird: Bislang haben sich noch immer genug Abenteurer gefunden, die die teure Schinderei auf sich nehmen. (Foto: Imago)

Zwar mischt neben Ironman und Challenge mittlerweile ein dritter Rennveranstalter am Markt mit, die Professional Triathlon Organisation (PTO), die für manche Rennen Millionengagen auslobt. Aber wie nachhaltig die Neuen dabeibleiben, muss sich noch weisen. Ironman, noch immer die bekannteste Marke, hat seine Preisgelder schon vor zwei Jahren "krass reduziert", wie die Deutsche Laura Philipp damals sagte, am Donnerstag eine der Mitfavoritinnen. Die Hawaii-Sieger werden diesmal mit rund 130 000 Euro entlohnt, die Zehnten mit 11 000 Euro. Schon nett, wenn man so ein Drittel der krassesten Hotelrechnungen bezahlen könnte?

Den einstigen Geist des Rennens droht es da nachhaltig davonzuwehen: Dass Hawaii mal ein Treffpunkt für eine überschaubare Szene war, die ihre Kraft auch daraus zog, dass alle an einer Startlinie standen, an einem Fleck wohnten. Die auch Platz für Abenteurer ließ, wie es Hannes Blaschke, 1985 Hawaii-Vierter und heute Reiseunternehmer, der gerne an seine Anfänge auf der Insel erzählt. Bei seinem ersten Start habe er "die letzten Kröten" für den Flug zusammengekratzt, am Ort Autos gewaschen und Fisch verpackt, um sich im Supermarkt Kartoffeln kaufen zu können, die er kochte und als Proviant ins Trikot steckte. Die schlimmsten Befürchtungen aus dem Frühjahr, dass die Preise im Oktober ins Uferlose schießen könnten, hätten sich zwar nicht materialisiert, sagt Blaschke mittlerweile. Und ein Fall allein für die Upper Class sei Hawaii auch nicht. Aber allzu viele der schroffen Abenteurer von einst trifft man auf der Insel der Abenteurer nicht mehr unbedingt an.

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