Transferpoker um Özil:Der Preis ist heiß

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Mesut Özil und Real Madrid sollen sich einig sein. Der angebliche Deal: Fünf Jahre zu je fünf Millionen Euro Gehalt. Doch sie haben die Rechnung ohne Werder gemacht. Die Bremer pokern noch.

Jörg Marwedel

Wenn Mesut Özil nicht den Ball am Fuß hat, ist er zumindest in der Öffentlichkeit ein vorsichtiger, fast ängstlich wirkender Zeitgenosse. Auch in den vergangenen Wochen hat er, wenn die Rede auf mögliche Angebote europäischer Großklubs kam, stets nur den "Ich-hab-Vertrag"-Satz gesagt, weshalb ihn die örtliche Kreiszeitung schon als "Leierkastenmann" veräppelte. Nun aber, seitdem der Sportdirektor von Real Madrid, Jorge Valdano, am Freitag mitteilte, man habe dem SV Werder Bremen ein Angebot für Özil zukommen lassen, haben die Reporter plötzlich einen "Reifeprozess" des begehrten Mittelfeldspielers binnen weniger Tage festgestellt. Denn Özil hatte recht offensiv seine Absicht zum Abschied kundgetan, als er sagte: "Wenn man so ein Angebot hat, möchte man es gerne annehmen."

Mesut Özil hat's nicht leicht. Er würde sein grünes Trikot gerne gegen ein weißes tauschen. Ob er das darf, entscheiden die Verhandlungen zwischen Werder Bremen und Real Madrid. (Foto: dpa)

Die WM in Südafrika hat nicht nur der deutschen Nationalelf einen Imagegewinn gebracht wie einer Firma, der man auf einmal zutraut, nicht mehr nur Alltagsware zu produzieren, sondern ebenso Luxusgüter. Sondern auch Özil. Gleich zwei Spieler aus dem umschwärmten WM-Team - Sami Khedira und nun Özil - möchte Real Madrid besitzen. Der neue Trainer José Mourinho sagte am Freitagabend am Rande des Real-Gastspiels beim FC Bayern über den Bremer: "Ein sehr guter Spieler, ich würde mich freuen, wenn es zu uns kommt."

Valdano "nicht große Klasse"

Demnach wäre man sich ja einig. Nur der Preis muss noch immer ausgehandelt werden, denn die anfänglich gebotenen neun bis zehn Millionen Euro wurden von Werder-Chef Klaus Allofs als "indiskutabel" eingestuft, mit dem Zusatz: "Ich hätte auch lächerlich sagen können." Immerhin wurde ja der 21 Jahre alte Özil vom Weltverband Fifa auf die Liste der zehn besten WM-Spieler gesetzt. Doch obwohl in den spanischen Medien schon verbreitet wurde, Real werde die "indiskutable" Offerte auf bis zu 14 Millionen Euro aufstocken, vermeldete Allofs am Montag: "Es gibt keine Veränderung." Auch beim Foto-Termin für das offizielle Mannschaftsfoto am frühen Nachmittag war Özil noch dabei. "Er ist noch unser Spieler", sagte Allofs, "und ich glaube, dass es so bleiben wird."

Das aber ist womöglich der Bluff eines erfahrenen Fußballhändlers. Denn wenn Mesut Özil an diesem Mittwochabend für Werder gegen Sampdoria Genua in der Qualifikation für die Champions League spielt, sänke sein Marktwert deutlich. Denn dann dürfte er in diesem Jahr international für keinen anderen Klub mehr spielen. Und wenn sein Vertrag 2011 ausläuft, gäbe es gar nichts mehr für die Bremer. Insofern ist die Angelegenheit auch für Werder heikel. Der Ton in diesem Fall hat sich ohnehin etwas aufgeschaukelt. Es sei von Valdano "nicht gerade große Klasse" gewesen, die Verhandlungen publik gemacht zu haben, zürnte Allofs.

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Dass es Real aber ernst meint, lässt sich auch an der Zahl der spanischen Medienvertreter in Bremen ablesen. Nicht nur die Reporter von As und Marca verfolgen seit Tagen jeden öffentlichen Schritt Özils. Auch aus ihren Kreisen hieß es schon am Wochenende, der Klub sei sich mit Özils Berater längst in Grundzügen einig. Es gehe um einen Fünfjahresvertrag mit einem jährlichen Einkommen von fünf Millionen Euro.

Özil vor dem Abflug. Der WM-Star will seinem Kollegen Sami Khedira nachfolgen. Nach Madrid. (Foto: contrastphoto)

Die plötzliche Offensive des eigentlich scheuen Jungprofis hat übrigens Vorbilder. Auch Miroslav Klose und Diego wurden angriffslustiger, als sie wegwollten aus Bremen. Özil hat sogar einen Streit mit Allofs in Kauf genommen, um dem Wunsch die nötige Schärfe zu geben. Er hat dem Boss vorgehalten, dass er ihn nicht, wie verabredet, schnell genug über das Angebot unterrichtet hätte.

Plazet der Anhänger

Den finanziellen und sportlichen Anliegen der Ausnahmespieler hat Allofs im Endeffekt aber immer zugestimmt - wenn das Geld stimmte. Für Diego gab es 24,5 Millionen Euro von Juventus Turin, was Vereinsrekord ist. Für den damals 29 Jahre alten stürmer Klose immerhin 15 Millionen vom FC Bayern München. Ganz soviel würde es für Özil nicht geben. Doch das Plazet der Anhänger hat der Werder-Chef schon seit vier Wochen. Damals ermittelte der Weser-Kurier in einer Umfrage: 79 Prozent der Befragten seien dafür, Özil zu einem Klub im Ausland gehen zu lassen; nur sieben Prozent glauben, dass seine Kündigung ein herber Verlust sei. Sind eben alles Kaufleute, die Bremer, und weniger Fußballer.

Der Fußball-Ökonom Allofs sieht das natürlich anders. Er hätte einerseits gern, wenn Özil noch etwas reifen würde beim SV Werder. Und es gibt auch andere Experten, die bezweifeln, dass der Bremer Shootingstar sich bei Real schon durchsetzen könnte. Rafael van der Vaart, der frühere Hamburger, könnte da Einiges erzählen, der Holländer saß in Madrid oft auf Tribüne und Ersatzbank.

Mesut Özil müsste demnach noch einen Reifeprozess in kurzer Zeit durchmachen. Falls es bis Mittwoch doch noch zur Einigung zwischen Werder und Real kommt.

© SZ vom 17.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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