Neuer Trainer bei Union Berlin:Bjelica tritt das große Erbe an

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Nenad Bjelica trainierte zuletzt den türkischen Klub Trabzonspor. (Foto: Seskimphoto/Imago)

Nach einer Nacht voll wilder Gerüchte um Real-Ikone Raúl González präsentiert Union Berlin den Kroaten Nenad Bjelica als Nachfolger des geschätzten Erfolgstrainers Urs Fischer. Der Neue hat ein klares Ziel.

Von Javier Cáceres, Berlin

Am Sonntagvormittag hatte Marco Grote, 51, einen Termin bei Unions Vereinspräsident Dirk Zingler. Und erfuhr, was er schon am Vorabend geahnt haben dürfte, als der Termin anberaumt worden war. Seine Zeit als Interimstrainer der ersten Mannschaft des 1. FC Union Berlin war nach einem Spiel vorüber; er wird, nach dem 1:1 gegen den FC Augsburg vom Samstag und mit Dank überhäuft, wieder Trainer der zweiten Mannschaft. Was Grote erst am Nachmittag erfuhr, war der Name seines Nachfolgers: Es ist der Kroate Nenad Bjelica, 52, der bis Oktober Trainer beim türkischen Erstligisten Trabzonspor gewesen war.

"Ich bin überzeugt, dass Nenad Bjelica mit seiner langjährigen Erfahrung als Spieler und Trainer gut zu unserer Mannschaft passt", wurde Manger Oliver Ruhnert in einer Klubmitteilung zitiert. Bjelicas Aufgabe wurde dort von Ruhnert klar umrissen: "die Mission Klassenerhalt erfolgreich zu meistern". Der 1. FC Union ist nach zehn sieglosen Spielen in Serie Vorletzter der Bundesliga, nur einen Punkt vor dem Schlusslicht 1. FC Köln.

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Erst der emotionale Abschied von Urs Fischer, dann der späte Ausgleich gegen Augsburg: Der 1. FC Union feiert den ersten Bundesligapunkt seit Sommer - und wundert sich dabei über den Schiedsrichter.

Von Javier Caceres

Die Ernennung von Bjelica ließ Luft aus einem Ballon entweichen, der in der Nacht zum Sonntag Aufsehen verursacht hatte - bis hinter die Pyrenäen. Das Fachmagazin Kicker hatte vermeldet, dass sich die Anzeichen verdichteten, Union würde die Real-Madrid-Ikone Raúl González verpflichten, derzeit Trainer der zweiten Mannschaft des spanischen Rekordmeisters (und von 2010 bis 2012 Spieler bei Schalke 04). Einen Tag zuvor hatte die Bild-Zeitung den Namen in den Raum gerufen.

Die Spekulation bezog ihre Nahrung vor allem daraus, dass Union bewiesenermaßen keine Angst vor großen Namen hat (siehe Isco, Bonucci, Gosens), Xabi Alonso als Leverkusen-Coach vorexerzierte, wie man sein Renommée auch bei einem deutschen Abstiegskandidaten stärken kann - und Raúl selbst bestens weiß, dass er keine absehbare Chance besitzt, seinen Traum von einem Job als Trainer der ersten Mannschaft von Real Madrid erfüllt zu sehen. Und zwar unabhängig davon, ob Carlo Ancelotti seinen im Sommer auslaufenden Vertrag als Chefcoach verlängert oder nicht. Vor wenigen Monaten hatte Raúl mehr oder weniger offen mit dem FC Villarreal verhandelt.

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In Köpenick war am Sonntag aber zu hören, dass zu Raúl nie Kontakt aufgenommen wurde. Gespräche hätten erst recht nicht stattgefunden, er habe niemals auf der Kandidatenliste gestanden. Gleichwohl wurde der Name am Samstag auch unter kickenden Mitarbeitern der Köpenicker debattiert - sowohl vor und nach dem 1:1 gegen die Augsburger.

Die Partie lieferte einen Hinweis darauf, dass Bjelica eine funktionierende Mannschaft übernimmt. Ein Team, das sich nicht aufgegeben hat und der Resignation fern ist. Ein Indiz dafür war der Umstand, wie der erste Punkt nach neun Niederlagen in Serie errungen wurde: in der 88. Minute und nach Nackenschlägen, die man nicht verdaut, wenn es im Mannschaftsgebälk knarzt. Die Augsburger Führung war ob des Spielverlaufs legitim, sie kam aus Köpenicker Sicht freilich auf aufwühlend tragische Weise zustande: durch einen von Robin Gosens verursachten und von Ermedin Demirovic verwandelten Foulelfmeter (38.), dessen Verhängung umstritten gewesen war.

Genaugenommen war die Szene, die zum Pfiff führte, derart unübersichtlich, dass der VAR den Feld-Referee Florian Badstübner an den Bildschirm delegierte. Badstübner ließ sich durch die Bilder aber nicht beirren, er sah in der grenzwertigen Attacke von Gosens ein Foul. Und dennoch: Nach der Pause vermochte es Union, sich zu steigern. Der Ausgleich durch Kevin Volland fiel nach einem weiteren Rückschlag für die Unioner: Abwehrchef Robin Knoche vergab einen Foulelfmeter (58.).

Bjelica führte Austria Wien in die Champions League

Zu diesem Zeitpunkt war die Partie dazu angetan, die Trauer um den Abschied von Urs Fischer und dessen Assistenten Markus Hoffmann zur Geschichte des Tages zu machen. Auf den Rängen wurden zahllose Plakate gezeigt, auf denen nachgerade rührende Danksagungen zu lesen waren. "Ihr habt Träume verwirklicht, die wir eigentlich nicht hatten. Danke Urs & Hoffi", hieß es auf dem größten Plakat, das im Stadion An der Alten Försterei zu sehen war. Es spielte nicht nur an den fast unvergleichlichen Aufstieg vom Zweitligisten zum diesjährigen Champions-League-Teilnehmer an, sondern gab eine Ahnung davon, in was für Fußstapfen Bjelica nun tritt.

Bjelica sagte, er freue sich auf die "Herausforderung", er wolle sie mit "aktivem und dominantem Fußball" meistern. Er selbst kennt die Fußballbundesliga aus einem Intermezzo beim 1. FC Kaiserslautern (2001 bis 2004), aktiv war er aber vor allem in Österreich. Seine besten Resultate erzielte er bei Austria Wien - er führte die "Veilchen" in die Gruppenphase der Champions League - sowie mit Dinamo Zagreb, mit dem er Meister, Pokalsieger und Supercup-Sieger wurde. Hernach führte er NK Osijek auf Rang zwei und drei der kroatischen Liga. Er war zudem in Italien bei Spezia Calcio und in Polen bei Lech Posen tätig, zuletzt bei Trabzonspor. In Berlin landet er mit einem eigenen Co-Trainer, bis auf Weiteres wird auch Marie-Louise Eta zum Trainerstab zählen, die am Samstag schon in gleicher Funktion bei Union auf der Bank saß. Sie soll Bjelica bei Bewährungsproben helfen, die es in sich haben. Am Mittwoch reist Union nach Portugal, um beim SC Braga um Champions-League-Punkte zu kämpfen. Und am kommenden Wochenende geht es zum FC Bayern.

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