Duell bei der Tour de France spitzt sich zu:Zwei Motorräder stoppen Pogacar

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Verbissen am Berg: Jonas Vingegaard (vorne) und Tadej Pogacar während der 14. Etappe. (Foto: Bernard Papon/AFP)

Der Krimi im Kampf ums Gelbe Trikot geht weiter: Auf der bisher härtesten Etappe baut Jonas Vingegaard seinen Vorsprung auf Tadej Pogacar um eine Sekunde aus - er profitiert von einem kuriosen Zwischenfall.

Von Johannes Aumüller, Morzine

Tadej Pogacar hatte sich diesen Moment sehr genau ausgesucht. Er hatte im Anstieg auf den Col de Joux Plane zwar attackiert, aber gemerkt, dass er Jonas Vingegaard im Gelben Trikot nicht richtig distanzieren konnte. Der Rest des Feldes war mal wieder weit, weit weg von diesen zwei Matadoren, also ließ es Pogacar etwas ruhiger angehen. Oben auf dem Gipfel, gut zehn Kilometer vor dem Ziel in Morzine, gab es ja diese begehrten Bonussekunden, die die Macher der Tour-Organisation vor ein paar Jahren für bestimmte Bergüberquerungen eingeführt haben - da wollte er unbedingt die Maximalzahl erreichen.

Also fuhren Pogacar (UAE) und Vingegaard (Jumbo-Visma) durchs schmale Spalier der Zuschauer eine Weile einträchtig nebeneinander her, und plötzlich attackierte der Slowene - doch er kam nicht weit. Denn er hatte gerade richtig Schwung genommen, da bremsten seine Attacke zwei dieser Motorräder, auf denen die Kameramänner sitzen. Die kamen nicht schnell genug weg, Pogacar an ihnen nicht vorbei, also war die Attacke beendet. Und ein paar Hundert Meter weiter war Vingegaard der frischere, der acht Bonussekunden abstaubte, während Pogacar nur fünf blieben. Auch wenn der Slowene im Ziel wieder zwei Bonussekunden auf Vingegaard aufholte, so blieb unterm Strich doch, dass er in der Gesamtwertung nun zehn statt bisher neun Sekunden zurückliegt.

Pogacar: "Ich habe da eine Patrone verschwendet"

Es ist zwischen den beiden Kontrahenten eine Sekundenschlacht entstanden, die es so auch noch nie gegeben hat in 120 Jahren Tour-Geschichte. Und umso erstaunlicher ist es, dass zwei zu langsam fahrende Motorräder über ein paar dieser goldenen Sekunden mitentscheiden.

"Ich wollte noch ein letztes Mal vor dem Pass attackieren. Ich habe da eine Patrone verschwendet. Aber es ist, wie es ist. Wir werden es wieder versuchen", sagte Pogacar. Und auch sein Teamchef Mauro Gianetti wollte hinterher keine Anklage erheben. Die Regeln seien klar, die Motorräder hätten mindestens 25 Meter Abstand zu halten, erklärte er - so etwas könne passieren.

Vingegaard hingegen versuchte, die Bedeutung dieses Moments herunterzuspielen. "Die Motorräder waren sehr nahe", sagte er, "aber es ist schwer zu sagen, was passiert wäre, wenn das anders gewesen wäre." Jumbo-Sportdirektor Grischa Niermann merkte an, dass es bereits in den vergangenen Tagen an manchen Stellen sehr eng gewesen sei. Er frage sich, warum da nicht mehr Absperrgitter stünden, um solche Szenen zu vermeiden.

Nach einem Massensturz wird das Rennen unterbrochen

Der Motorrad-Stopp und die folgenden Sprints waren jedenfalls das bemerkenswerte Finale der bisher schwersten Etappe dieser Tour. Gleich fünf Berge standen auf dem Programm, und schon bei der Anfahrt zum ersten kam es zu einem Massensturz, wegen dem die Tour-Organisation das Rennen für eine kurze Zeit unterbrach. Ein paar Fahrer mussten das Rennen aufgeben, darunter der Franzose Romain Bardet (DSM); andere bekamen sichtbare Blessuren ab, darunter der Kapitän der deutschen Bora-Mannschaft, Jai Hindley. Nach der Pause übernahm Jumbo das Kommando, holte eine Ausreißergruppe rasch ein und schlug ein hohes Tempo an - ähnlich wie am Vortag die UAE-Equipe.

Doch als die Gruppe ums Gelbe Trikot auf ein halbes Dutzend Fahrer reduziert war, war es dann nicht etwa Vingegaard, der angriff, sondern Pogacar. Über ein paar Minuten lag ein Abstand von ein paar Metern zwischen den beiden, aber irgendwann gab der Slowene sein Unterfangen auf und fasste seinen Sprintplan, den dann die Motorräder stoppten. Die Spielchen der beiden Tour-Dominatoren auf den letzten Anstiegskilometern und auf der Abfahrt nach Morzine nutzte der Spanier Carlos Rodriguez (Ineos), um heranzukommen, vorbeizuziehen und sich abzusetzen. Sein Lohn war dabei nicht nur der Etappensieg, sondern auch der Sprung auf den dritten Platz der Gesamtwertung, von dem er Bora-Kapitän Hindley verdrängte. Allerdings trennen die beiden nur eine Sekunde.

An diesem Sonntag steht nun gleich die dritte schwere Bergetappe nacheinander an. Fünf Bergwertungen sind eingeplant, darunter drei der ersten Kategorie - und darunter wiederum die finale Prüfung nach Saint-Gervais Mont-Blanc. Unterwegs gibt es diesmal keine Bonussekunden, im Ziel allerdings schon. Die Motorräder vom Samstag können den Ausgang diesmal nicht beeinflussen - beide Crews, ein TV- und ein Fotografenmotorrad, wurden von den Tour-Organisatoren für die 15. Etappe gesperrt. Außerdem müssen sie jeweils 500 Schweizer Franken Strafe zahlen, wie der Veranstalter mitteilte.

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