Tour de France:Deutsche Radprofis fahren jenseits des grellen Lichts

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Emanuel Buchmann (Mitte), im weißen Trikot des besten Nachwuchsfahrers beim Critérium du Dauphiné 2017. (Foto: Philippe Lopez/AFP)
  • Deutschlands Radsport-Nachwuchs hat mit den vorderen Plätzen bei der Tour de France wenig zu tun.
  • Doch es gibt durchaus Fahrer, die große Ambitionen haben und die man sich für die Zukunft merken sollte.

Von Johannes Knuth, Laruns

Ralph Denk hat den Vorfall unbeschadet überstanden, und er ist, nach allem was bekannt ist, in diesen Tagen in Frankreich auch nicht mit Personenschutz unterwegs. Aber der Teamchef der deutschen Bora-Hansgrohe-Equipe hat natürlich den Unmut vernommen, als er vor ein paar Wochen sein Aufgebot für die aktuelle Tour de France präsentierte. Weltmeister Peter Sagan war ein Fixpunkt, klar, der Träger des Grünen Trikots mühte sich am Freitag trotz seiner Sturzverletzungen noch durch die Pyrenäen. Der zweite Kapitän war Rafal Majka, der den erhofften Top-Platz im Klassement dann weit verfehlte. Und sonst?

Einen, den viele in Denks Startaufstellung vermissten, war Emanuel Buchmann aus Ravensburg. Einer, der die Tour im Vorjahr als 15. im Klassement beendete und bei der diesjährigen Dauphiné, der Tour-Generalprobe, Sechster wurde. Aber während die Radprofis in den vergangenen Wochen in Frankreich ihren Gesamtsieger ermittelten (Geraint Thomas trug am Freitag das Gelbe Trikot in die letzte Bergetappe), schuftete Buchmann im Höhentrainingslager. Er wird im August die Spanien-Rundfahrt bestreiten, eine der drei großen Schleifen, für das deutsche Publikum aber eher Neben- statt Hauptsaison. "Ich verstehe ein Stück weit die Kritik der deutschen Radfans", sagte Denk. Aber Buchmanns Absenz sei Teil eines größeren Plans. Ein Plan, der freilich mit ein paar Fragezeichen versehen ist.

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Deutschlands Fahrer hatten der Tour in den vergangenen Jahren oft einen schwarz-rot-goldenen Anstrich verpasst, in Massensprints, im Zeitfahren oder auf Kopfsteinpflasterquälereien wie in diesem Jahr, als John Degenkolb den bislang einzigen deutschen Tageserfolg beschaffte. Für die Gesamtwertung lagen all die Jahre aber kaum Bewerbungen vor; die Kandidaten hatten mit den großen Belastungen so ihre Mühe. Denk hat das selbst erlebt, sein hochbegabter Allrounder Dominik Nerz legte nach diversen Stürzen vor zwei Jahren die Karriere still - mit 27 Jahren. Vor einem Monat kündigte Lennard Kämna, 21, eine Auszeit von seinem Sport an - um "seine Situation zu prüfen und sich neue Ziele zu setzen", wie sein deutsches Team Sunweb mitteilte.

Der körperliche Tribut ist freilich nur das eine. Das andere sind die Dienste und Pflichten eines Klassementfahrers. Er führt seine Helfer wie ein Abteilungsleiter, er sagt, wann das Team welches Tempo anschlägt, legt Rechenschaft gegenüber der Öffentlichkeit ab. Denk sagt, er wolle Buchmann in diese Rolle hineinwachsen lassen, "aber nicht gleich bei der Tour", wo das Licht der Aufmerksamkeit am grellsten ist. Der 25-Jährige ist nicht gerade einer, der sich in der Aufmerksamkeit sonnt, intern wie extern. "Es ist ein Lernprozess", sagt Denk, "irgendwann kommt er als Kapitän zur Tour zurück, da bin ich ganz sicher." Vielleicht schon im nächsten Jahr.

Ein weiterer Kandidat ist Maximilian Schachmann, 24. Aufgewachsen in Berlin, ausgestattet mit zwei WM-Silbermedaillen im Zeitfahren der U23-Klasse, mittlerweile angestellt beim belgischen Team Quick-Step. Dessen Teamchef Patrick Léfèvre verfügt über viel Erfahrung darin, Talente in die Spitze zu führen (und manche Dopingvorwürfe gegen seine früheren Teams zurückzuweisen).

Maximilian Schachmann. (Foto: dpa)

Schachmann, sagt Léfèvre, sei jedenfalls ein "sehr talentierter Fahrer", der bereits einen schweren Sturz vor drei Jahren hinter sich hat, was ihm fast die Karriere kostete. "Er weiß sehr genau, was er will", sagt Léfèvre - und zwar bei großen Rundfahrten reüssieren. Im Mai gewann er beim Giro d'Italia eine Bergankunft, er trug fünf Tage das Trikot des besten Jungprofis. "Langfristig ist er auf jeden Fall ein Kandidat für die Gesamtwertung", sagt sein Teamchef, aber er will ihm nicht zu früh zu viele Prüfungen auferlegen. Ende August startet er erst mal bei der neu aufgelegten, viertägigen Deutschland-Tour.

Das ist der wohl größte Balanceakt bei diesem Projekt: Deutsche Fahrer fürs Klassement zu schulen - wo nicht nur in der Ära von Jan Ullrich der Betrug und die Zweifel zahlreich waren -, ohne diese Fahrer zu früh mit Erwartungen zu belasten. Viele Kandidaten gibt der deutsche Markt ja nicht her, die heimischen Rennen lehren selten die benötigten (Kletter-)Qualitäten. Und die dünn besetzten Nachwuchswettbewerbe jagen Beobachtern schon seit Längerem ein Schaudern ein.

Iwan Spekenbrink vom Team Sunweb, das viele Ressourcen in den deutschen Nachwuchs steckt, sagte einmal: "Am Ende wollen die Deutschen, dass jemand große Rundfahrten gewinnt, vor allem die Tour. Aber das ist gefährlich, dass man alles nur an einem Rennen aufhängt. Wenn es klappt, dann muss man das Land natürlich zumachen und feiern." Fürs Erste feiern aber weiter die anderen.

© SZ vom 28.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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