Tour de France:Der Gegenschlag bleibt aus

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Vergebliche Mühen: Tadej Pogačar (links) attackiert Jonas Vingegaard - doch der bleibt am Slowenen dran. (Foto: Papon Bernard/Reuters)

Nach seinem denkwürdigen Einbruch gelingt es Tadej Pogačar auf der Königsetappe der Tour nach Alpe d'Huez nicht, sich zu revanchieren. Jonas Vingegaard kontert die Attacken und bleibt im Gelben Trikot.

Von Johannes Aumüller

Christopher Froome weiß wirklich bestens, wie es sich anfühlt, bei einer Tour de France erfolgreich zu sein. Vier Mal entschied der Brite die Gesamtwertung der Frankreich-Schleife für sich, bei zwei weiteren Ausgaben schob er sich aufs Podium, und bei insgesamt sieben Tour-Etappen fuhr er als Erster über die Ziellinie. Doch just mit einem der mythischsten aller Anstiege, den 21 Kehren nach Alpe d'Huez, war er in dieser Zeit nicht richtig warm geworden. Etappensiege gelangen ihm dort nie, im Gegenteil: Bei zweien seiner Tour-Erfolge handelte er sich an dem Tag, an dem das Ziel auf der berühmten Skistation lag, sogar Rückstände auf seine Konkurrenten ein.

Inzwischen ist Froome 37 Jahre alt und lässt seine Karriere beim Team Israel-Premier Tech ausklingen. In der ersten Reihe des Pelotons ist er normalerweise nicht mehr zu finden, doch am Donnerstag sah es zwischenzeitlich so aus, als könne er mit ein bisschen Verspätung seinen Alpe-Malus tilgen. Lange gehörte Froome zu einer sechsköpfigen Spitzengruppe, die das Rennen bestimmte. Doch am Ende reichte es wieder nicht, sondern musste er den jungen Briten Tom Pidcock, 22, ziehen lassen. Froome rettete immerhin noch Rang drei.

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Thomas Pidcock ist auf der Königsetappe der Tour de France am Stärksten. Jonas Vingegaard im Gelben Trikot pariert die Angriffe von Tadej Pogacar.

Doch der entscheidendere Vorgang dieses Tages war ohnehin der, der sich in der Gruppe der Klassementfahrer abspielte: Da schaffte es der Slowene Tadej Pogacar (Team UAE-Emirates) nach seinem denkwürdigen Einbruch am Vortag nämlich nicht, sich zu revanchieren. Stattdessen parierte der Däne Jonas Vingegaard (Jumbo-Visma) die Attacken des Rivalen und verteidigte so souverän den Spitzenplatz.

Schon als die Macher der Tour de France im Herbst ihren Streckenplan präsentiert hatten, war diesem zwölften Abschnitt der Tour das Etikett "Königsetappe" verpasst worden: mehr als 4750 Höhenmeter durch die Alpen, insgesamt drei Bergwertungen der sogenannten Ehrenkategorie, das sprach schon für sich. Aber da hatten die Organisatoren noch nicht ahnen können, wie der Rundfahrt-Verlauf diese Etappe noch einmal zusätzlich anwürzen würde. Am Tag vor der d'Huez-Ankunft hatte ja auf der ersten schwere Alpenetappe Vingegaards Jumbo-Visma-Mannschaft Pogačar derart in Bedrängnis gebracht, dass der Slowene am Schlussanstieg nicht mehr folgen konnte und mehr als drei Minuten verlor. Und nun sollte dies der Tag von Pogačar Konter sein.

Doch stattdessen wurde es ein vergleichsweise klassisch konstruiertes Rennen. Die Jumbo-Visma-Equipe ließ eine Spitzengruppe weg, die so zusammengesetzt war, dass der Deutsche Simon Geschke sein Bergtrikot noch einmal verteidigen konnte. Und hinten zeigte Vingegaards Mannschaft, dass sie einfach die stärkste Formation im Feld ist.

Über alle drei schweren Anstiege hinweg - erst auf den Galibier, dann zum Croix de Fer und schließlich nach Alpe d'Huez - bestimmte sie das Tempo und setzte einen Fahrer nach dem anderen an die Spitze. Erst die Spezialisten für die leichteren Passagen, dann den Alleskönner Wout van Aert sowie schließlich die beiden Bergprofis Primoz Roglic und Sepp Kuss, und in Summe praktizierten sie das Ganze ähnlich dominant wie in den Zehnerjahren das Team Ineos (damals noch Sky), oder in der Epoche davor die von Lance Armstrong dirigierte US-Postal-Truppe. Mit jedem Wechsel an der Spitze des Pelotons flogen immer mehr Fahrer raus, bis nur noch eine Handvoll übrig war.

Immerhin gehörte Pogačar diesmal zu denen, die am längsten mithalten konnten. Und drei Kilometer vor dem Ziel setzte er dann die erste Attacke gegen Vingegaard, die dieser aber ebenso souverän konterte wie zwei weitere Antritte in den finalen Kurven, und so rollten die beiden Kontrahenten zeitgleich über die Ziellinie. Einen positiven Nebeneffekt hatte der Tag aber für Pogačar: Weil der bisherige Gesamtzweite, der Franzose Romain Bardet, am Schluss nicht mehr mithalten konnte, verbesserte sich Pogačar im Klassement und ist nun auch formal der erste Vingegaard-Verfolger (+2:22 Minuten).

Dritter ist dort jetzt der Brite Geraint Thomas (Ineos), der Tour-Sieger von 2018, der nach schwächeren Jahren wieder in erstaunlicher Form ist und das Rennen auf seine Weise gestaltet: Wenn die beiden Jungpedaleure Pogačar, 23, und Vingegaard, 25, attackieren, kann der 36-Jährige in der Regel zunächst nicht mitgehen - und rollt dann mit etwas Verspätung wieder heran. Das ist aber ein Modell, das in den Alpen besser funktionieren dürfte als in den unregelmäßigen Anstiegen in den Pyrenäen, die in der nächsten Woche anstehen und auf denen Pogačar zwei weitere große Gelegenheiten hat, seinen Einbruch wettzumachen. Doch es ist auch gut möglich, dass es gar nicht so lange dauert: Die klassischen, flachen Überführungsetappen zwischen den beiden großen Bergmassiven haben die Tour-Macher nämlich abgeschafft. Stattdessen stehen nun vier recht hügelige Abschnitte bevor.

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