Tolisso beim FC Bayern:Vielseitig wie ein Taschenmesser

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  • Der FC Bayern München stellt Zugang Corentin Tolisso vor, er ist der teuerste Fußballer der Bundesliga-Geschichte.
  • "Ich heiße Corentin Tolisso, bin 22 Jahre alt, bald 23. Ich bin ein großzügiger Mensch, meistens gut gelaunt und ich mag es, hart zu arbeiten", sagt der Franzose bei seiner Vorstellung.
  • Er soll in der Zukunft des Klubs eine erhebliche Rolle einnehmen.

Von Sebastian Fischer, München

Wenn Profifußball-Unternehmen im Sommer zur sogenannten Vorstellung neu erworbener Fußballer einladen, ist diese Bezeichnung meistens nicht ganz ernst zu nehmen. Die Welt hat ja in der Regel schon sehr viel erfahren über die prominenten Sportler, jedenfalls dann, wenn sie von einem Klub wie dem FC Bayern umworben wurden: Was sie zum Frühstück essen oder welche Musik sie vor dem Einschlafen hören. Doch am Montag war alles ein bisschen anders an der Säbener Straße.

"Hallo", sagte ein junger Mann mit französischem Akzent und lückenlos tätowiertem Unterarm, wie es sich für Fußballer im Jahr 2017 gehört. Er sagte: "Ich heiße Corentin Tolisso, bin 22 Jahre alt, bald 23. Ich bin ein großzügiger Mensch, meistens gut gelaunt und ich mag es, hart zu arbeiten." Der großzügige Arbeiter wird die Bayern inklusive Zuzahlungen etwa 41,5 Millionen Euro kosten. Er ist also der teuerste Fußballer der Bundesliga-Geschichte.

Nun erzählte die Ankunft Tolissos zunächst mal sehr viel über den internationalen Transfermarkt, der in diesem Sommer die Grenzen des gesunden Menschenverstands überschritten hat, wenn der FC Bayern zwar im Wettbieten mit dreistelligen Ablösesummen nicht mitmachen will, aber für einen gar nicht mal so bekannten jungen Franzosen eine Rekordsumme bezahlt. Sie erzählt aber auch etwas über den FC Bayern: Wie dessen Mannschaft am ersten Spieltag der kommenden Saison aussehen wird, das ist gar nicht mal so bekannt.

Sanches brauche dringend Einsatzminuten

Drei weitere Spieler hat der Meister in diesem Sommer bislang verpflichtet, Niklas Süle und Sebastian Rudy aus Hoffenheim sowie Serge Gnabry aus Bremen. Letzterer allerdings, berichtete Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge nun, habe über seine Berater das große Interesse an seinen Arbeitgeber herangetragen, sich für die kommende Saison ausleihen zu lassen. Es ist sehr gut möglich, dass dieses Geschäft zustande kommt, die TSG Hoffenheim ist sehr interessiert.

Auch Mittelfeldspieler Renato Sanches soll für ein Jahr verliehen werden. Der junge Portugiese, vor einem Jahr als das nächste große Talent im Mittelfeld gepriesen, brauche "dringend" Einsatzminuten, sagte Rummenigge; Einsatzminuten, mit denen er in München nicht rechnen kann. Schließlich steht auch der Abschied von Douglas Costa unmittelbar bevor: Der Flügelstürmer soll an Juventus Turin verliehen werden, es gehe nur noch darum, dass die Italiener die finanziellen Forderungen aus München erfüllen, deutete Rummenigge an.

Die Frage, die sich aufdrängt, ist also, wen die Bayern in dieser Transferperiode noch verpflichten. Dass ein weiterer Transfer geplant ist, wollte Rummenigge gar nicht verneinen. Er sagte, das werde intern diskutiert. Nachdem sich der Kauf von Angreifer Alexis Sanchez vom FC Arsenal wohl nicht realisieren lässt, fällt nun der Name James Rodriguez: Der kolumbianische Sender Caracol TV will erfahren haben, dass der FC Bayern ein Angebot für den bei Real Madrid unzufriedenen Offensivspieler abgeben werde.

Doch über James wollte Rummenigge am Montag nicht reden. Denn da saß ja jemand anders neben ihm auf dem Podium im Pressestüberl. Jemand, der in der Zukunft des Klubs eine erhebliche Rolle einnehmen soll.

Es stimmt natürlich nicht ganz, dass die Fußballwelt bislang keine Notiz genommen hat vom Namen Tolisso. Der Mittelfeldspieler, der bisher ein Länderspiel für Frankreich absolviert hat, hätte Olympique Lyon auch schon 2016 verlassen können, er war begehrt. In diesem Sommer waren wohl auch Manchester City, Tottenham Hotspur, Juve und der AC Mailand interessiert. Um sich in Deutschland etwas bekannter zu machen, hat Tolisso selbst vorgesorgt. Gleich nach seinem ersten Besuch in München zur Unterzeichnung des Vertrages bis 2022 im Juni postete Tolisso ein Bild, das ihn als Kind im Bayern-Trikot zeigt. Ein Geschenk seines Vaters, erklärte er nun: "Er wusste, wie sehr ich den Verein schon damals bewundert habe."

Das Mittelfeld ist scheinbar überbesetzt

Die Münchner Abteilung für Kaderplanung könnte wohl Chansons singen über die Vorzüge des Neuen, "laufstark, kampfstark, torgefährlich", zählte Rummenigge auf, außerdem passe Tolisso "qua Alter" ins bayerische Gesamtkonzept. Er sei am liebsten ein Achter, aber gerne auch ein Sechser und würde ohnehin klaglos dort spielen, wo ihn Trainer Carlo Ancelotti aufstellen möchte, sagt er selbst. Aufgrund seiner Vielseitigkeit wurde Tolisso in Frankreich "Schweizer Taschenmesser" genannt. Der Spitzname hat ihm gefallen.

Doch ob und wo Ancelotti sein Taschenmesser einsetzt, das ist noch die Frage bei einem Münchner Kader, den zurzeit auch angesichts der geplanten Weggänge eine gewisse Unwucht charakterisiert. Das zentrale Mittelfeld ist trotz des Verlusts von Xabi Alonso scheinbar überbesetzt - mit Arturo Vidal, Thiago, Rudy und auch Javi Martinez. Er wisse um die Stärke der Konkurrenz, gab Tolisso zu, doch beeindruckt wirkte er nicht. Die hohe Ablösesumme? "Das ist guter Druck", sagte er, "ich möchte beweisen, dass die Verantwortlichen zu Recht so viel Geld ausgegeben haben." Der prominente Vorgänger Alonso? Den müsse Tolisso nicht ersetzen, sagte Rummenigge, den Vergleich solle man nicht anstellen. Wie hohe Erwartungen einen jungen Spieler hemmen können, war ja beim 35 Millionen Euro teuren Renato Sanches zu sehen.

Als Corentin Tolisso sich hinlänglich vorgestellt hatte, äußerte er übrigens einen Wunsch, er lächelte dabei durchaus selbstgewiss: "Ich hoffe", sagte er, "ihr kennt mich bald besser."

© SZ vom 11.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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