Tischtennis:Drama kurz vor Mitternacht

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Die Spieler des FC Saarbrücken freuten sich gewaltig, auch wenn es schon spät war bei ihrem Champions-League-Sieg. (Foto: Marius Becker/dpa)

Eine lange, kräftezehrende Saison der Champions League findet ein spektakuläres Ende: Saarbrückens emotionaler Triumph gegen Düsseldorf zeigt auch die Stärke des deutschen Tischtennis.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Beim Profi-Tischtennis ist, zwischen all den Matches, Sätzen und Ballwechseln, meist ziemlich viel Musik zu hören. Als am Montagabend vor 1100 Zuschauern im Deutschen Tischtennis-Zentrum in Düsseldorf der Düsseldorfer Dang Qiu gegen den Saarbrücker Patrick Franziska spielte, schickte die Hallenregie das Lied "Highway to Hell" über die Lautsprecher. Vermutlich hat sie sich nichts dabei gedacht, doch für ihr heimisches Team von der Borussia erwies sich dieser Song im Entscheidungsmatch als schlechter Wink. Düsseldorf begab sich im Champions-League-Endspiel in diesem Moment gewissermaßen auf den Weg in die Hölle.

Der Einzel-Europameister Dang Qiu vergab drei Matchbälle und für die Borussen damit den siebten Gewinn der Champions League. Patrick Franziska gewann das Match noch, Saarbrücken egalisierte anschließend mit einem 3:2-Sieg eine gleichlautende Hinspiel-Niederlage vom vergangenen Freitag - und in der alles entscheidenden Verlängerung holten sich schließlich die Saarländer nach fast fünf Stunden Spielzeit kurz vor Mitternacht ihren ersten Königsklassen-Titel.

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Die Champions-League-Saison hat sieben Monate gedauert. 24 Vereine haben insgesamt 54 Spiele mit 211 einzelnen Matches bestritten, aber entschieden wurde diese lange Saison erst im letzten Ballwechsel des letzten Satzes der letzten Begegnung. Der Saarbrücker Darko Jorgic besiegte den Düsseldorfer Kay Stumper im ultimativen Schlusssatz mit 11:9. Zwei Punkte haben ganz am Ende in einem deutschen Finale den Unterschied gemacht.

Saarbrückens Matchwinner Franziska trug außer einer Medaille auch ein Handtuch um den Hals, als er sagte: "Dieser Titel ist für mich genauso wie für den 1. FC Saarbrücken das absolut Größte!" 2020 wurde man Meister, 2022 Pokalsieger - und jetzt Champions-League-Gewinner. "Das ist der prestigeträchtigste Titel von allen", fand Saarbrückens Manager Nicolas Barrois.

In der Tischtennis-Champions-League gibt es keine extra Hymne. Es gibt nicht wie im Fußball Millionen zu gewinnen. Im Tischtennis ist die Champions-League-Teilnahme sogar ein Zuschussgeschäft. Aber wenn man sie gewinnt, war sie jeden Cent wert. In den vergangenen 14 Jahren machten den Wettbewerb Borussia Düsseldorf, der französische Klub AS Pontoise-Cergy und der russische Verein Fakel Orenburg unter sich aus. Fünf Mal gewann Orenburg, fünf Mal Düsseldorf, zwei Mal Pontoise-Cergy und je ein Mal kam es wegen Corona (2020) und des Ukraine-Kriegs (2022) zu einem Abbruch.

Der Ukraine-Krieg führt zum Ausschluss der starken russischen Teams

2022/23 führte der Krieg zum Ausschluss der russischen Klubs, von denen in den vergangenen vier Jahren jedes Mal zwei im Halbfinale gestanden hatten. Weil Pontoise-Cergy diesmal nicht so stark spielte, war der Weg ins Halbfinale frei für alle vier deutschen Champions-League-Teilnehmer. Düsseldorf besiegte Neu-Ulm und Saarbrücken schlug Mühlhausen.

Vier deutsche Halbfinalisten hatte es überhaupt noch nie gegeben. "Ist doch super fürs deutsche Tischtennis", sagte Franziska, der Olympiazweite von 2021 mit der Mannschaft. "Viele Klubs im deutschen Tischtennis haben eine lange Tradition, sind historisch gewachsen und deshalb im europäischen Vergleich so stark und beständig", sagte Richard Prause, der Sportdirektor des Deutschen Tischtennis-Bunds.

Vier Halbfinalisten aus Deutschland: Der Europa-Verband stellt sich das anders vor

"Nach dem Ausschluss der russischen Klubs sortiert sich in den europäischen Klubs gerade aber alles neu", weiß Borussia Düsseldorfs Manager Andreas Preuß. Er gehört zum Management Board der Champions League und sagt in dieser Funktion: "Wir wünschen uns international schon mehr Wettbewerb." Vier Halbfinalisten aus einem einzigen Land sind nicht gerade das, was sich ein kontinentaler Verband für seinen exklusivsten Wettbewerb so vorstellt.

Den Saarbrückern war das verständlicherweise egal. Sie bejubelten den Pokal auch deshalb so überschwänglich, weil sie in den vergangenen sieben Jahren gegen Düsseldorf zwei Pokal-Endspiele, zwei Bundesliga-Finals und ein Champions-League-Endspiel verloren hatten. Düsseldorf war für die Saarländer zu einem Fluch geworden, den sie im vergangenen Jahr mit einem gewonnenen Pokal-Endspiel und jetzt mit dem Triumph in der Champions-League besiegen konnten.

Der deutsche Nationalspieler Franziska, der Slowene Jorgic, der Japaner Takuya Jin und der Belgier Cedric Nuytinck kosteten den Triumph aus. Bei Düsseldorf konnte Klublegende Timo Boll nur zuschauen. Den 42-Jährigen schmerzt die Schlagschulter. Vielleicht ist er wieder fit, wenn die Halbfinals in der Bundesliga beginnen. Zum dritten Mal nacheinander ein Endspiel zwischen Düsseldorf und Saarbrücken wäre keine Überraschung. Auf "Highway to Hell" würden die Borussen dann vielleicht verzichten.

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