Tischtennis:Premiere eines Traditionsduells

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Aufbruch zu neuem Publikum: Die Erstliga-Premiere des TSV Dachau mit Liu Yangzi (li.) und Sabine Winter. (Foto: Andreas Liebmann)

Beim TSV Dachau 65 findet zum ersten Mal Bundesliga-Tischtennis statt. Nach einigen Mühen im Sommer blicken die Verantwortlichen nun voller Stolz auf ihr Großprojekt.

Von Andreas Liebmann

"Vorhang auf...!" wäre vielleicht die passende Einleitung für diesen historischen Moment gewesen, mit Trommelwirbel - aber die Vorhänge blieben natürlich zu. Sie waren nur einer von ganz vielen Punkten, die in den vergangenen, arbeitsreichen Wochen noch dringend zu erledigen waren, damit es am Sonntag überhaupt zu dieser Premiere kommen konnte. Nun war draußen ein Grillstand aufgebaut und drinnen verdeutlichten die Funktionäre zur Begrüßung die besondere Bedeutung des Moments: Der TSV Dachau 65 empfing die SV Böblingen zum Saisonauftakt in der ersten Tischtennis-Bundesliga der Frauen, und bei dieser Partie handelte es sich je nach Sichtweise um ein Traditionsduell oder um ein absolutes Novum. Denn einerseits treffen diese beiden Teams seit Jahren schon in wenig veränderter Form aufeinander - andererseits gab es den Erstligisten TSV Dachau bislang gar nicht.

Als "Wundertüte" hatte Trainer Alexander Yahmed zuvor eingestuft, was ihn und seine Spielerinnen am Sonntag wohl erwarten würde. Bislang waren sie der TSV Schwabhausen, der in seiner Heimatgemeinde nordwestlich der Kreisstadt spielte, wo er auf eine fast 50-jährige Erfolgsgeschichte zurückblickte, oft aber auch nur vor ein paar Dutzend treuen Zuschauern antrat. Vor eineinhalb Jahren schon hatte es erste Überlegungen gegeben, die Heimat als Abteilung geschlossen zu verlassen, zu aufreibend war es über die Jahre geworden, die Möglichkeiten der kleinen Gemeinde mit den Erfordernissen eines Bundesligisten in Einklang zu bringen.

Entweder fortziehen oder den Laden zusperren, andere Wege hatte der langjährige Abteilungsleiter Helmut Pfeil irgendwann nicht mehr gesehen. Zuletzt hatte der Erstligist seine Gäste wegen der Sanierung seiner Spielstätte nur noch auf einer Baustelle empfangen können - raus aus der Komfortzone wäre also die völlig falsche Erklärung dafür, wieso die Tischtennisabteilung schließlich im vergangenen Dezember den Entschluss verkündet hatte, in Dachau zur nächsten Saison einen Neuanfang zu wagen.

Mit 26 Teams ist in Dachau nun der größte Tischtennisverein Bayerns zu Hause

Die Frage war nur, ob die Kreisstadt, wo schon die in die erste Liga aufgestiegenen ASV-Volleyballer beheimatet sind und der in die zweite Liga abgestiegene Poolbillard-Verein BSV, nun unbedingt noch auf einen Tischtennis-Erstligisten gewartet hatte. Mit 50 000 Einwohnern müsse da doch etwas möglich sein, hatte der Dachauer Abteilungsleiter Winfried Höser im vergangenen Frühjahr zwar gesagt, aber so wirklich wusste niemand, was passieren würde. Klar war erst einmal nur: Mit 26 Teams ist in Dachau nun der größte Tischtennisverein Bayerns zu Hause.

Es kamen dann doch deutlich mehr als die üblichen Anhänger zum Zuschauen in die große, moderne Halle der Montessori-Schule, knappe 200 vielleicht, für ein sonniges Wiesn-Wochenende um die Mittagszeit sei man mehr als zufrieden, sagte TSV-Chef Wolfgang Moll, der gleich zu Beginn betont hatte, wie wichtig allen Verantwortlichen dieses Projekt "nicht nur für den Spitzensport" sei, sondern vor allem für die Kinder- und Jugendarbeit. Sie alle seien "riesig stolz".

Bei der Teamvorstellung gab es für die Böblingerin Annett Kaufmann und die Lokalmatadorin Sabine Winter sogar etwas Gejohle. Die Konstellation für einen solchen Neuanfang war ja auch wirklich reizvoll, schließlich hatten diese beiden gerade erst zum Team-EM-Gold in Malmö beigetragen, außerdem hatten die Gäste die Abwehrspielerin Qianhong Gotsch dabei, Winters einstige Angstgegnerin, mit der sie sich schon denkwürdige Duelle geliefert hat. Dass Schwabhausen, Verzeihung: Dachau den Auftakt dann mit 6:2 gewann, machte das Publikum umso zufriedener.

Nach einem 1:1 in den Doppeln ging Winter am Sonntag mal wieder voran, sie setzte sich auch in ihren Einzeln durch, jeweils in 3:1 Sätzen, wobei sie gegen Annett Kaufmann nach mehreren vergebenen Matchbällen kurz zittern musste. Der britische Zugang Tin-Tin Ho, der für die nach Ungarn zurückgekehrte Mercedesz Nagyvaradi geholt wurde, hatte wenig Mühe mit Böblingens Ersatz Alexandra Kaufmann. Orsolya Feher gelang gegen Mitsuki Yoshida ebenfalls ein wichtiger Zähler. Und die Australierin Liu Yangzi, gerade Ozeanien-Meisterin geworden, holte mit einem überraschenden 3:1 gegen Annett Kaufmann den 6:2-Siegpunkt. "Eine absolute Topleistung", wertete Coach Yahmed.

Die zweite Mannschaft hat ihre Premiere tags zuvor gefeiert - sie war noch in Schwabhausen in die zweite Liga aufgestiegen

Eigentlich war dies sogar schon Teil zwei der Premiere, denn tags zuvor hatte die zweite Mannschaft hier ebenfalls ihr erstes Heimspiel als TSV Dachau 65 ausgetragen, gegen Offenburg, ein 6:4-Erfolg. Das Team war noch vor dem Vereinswechsel in die zweite Liga aufgestiegen, wo bereits der TuS Fürstenfeldbruck spielt. Beide Kreisstädte liegen nur 20 Kilometer auseinander.

Zumindest der Dachauer Stadtrat, das war im Frühsommer klargeworden, hatte nicht unbedingt auf eine expandierende Tischtennissparte gewartet. Das Gremium fühlte sich überrumpelt von der Entwicklung, weshalb vielleicht ein wenig lauter debattiert worden war über einen Antrag auf mehr Hallenzeiten, eine Küche, die der Verein in der Halle einbauen will zur Bewirtung der Zuschauer, und über die notwendige Verdunklung. Statt der Vorhänge, über die es inzwischen eine Einigung gibt, hingen erst mal acht grüne Planen vor den Fenstern. Und als dauerhafte Trainingsstätte hat der TSV eine seiner Vereinshallen mit Wettkampfboden und 16 Tischen bestückt. "Das ist alles ein Prozess", sagte die zweite Abteilungsleiterin und ehemalige Erstligaspielerin Christina Feierabend, auch im Verein seien alle vor der Premiere nervös gewesen. Aber es werde sich alles finden. "Wir sind superglücklich in der neuen Halle."

Und die Topspielerin Sabine Winter versicherte mit geschulterter Sporttasche: "Ich habe mich hier gleich zu Hause gefühlt. Ich hoffe, die Leute hatten Spaß und kommen wieder."

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