Tischtennisprofi Timo Boll:Gold im Haar

Lesezeit: 2 min

"Ich bin ins Grübeln gekommen": Timo Boll, 42, am Sonntag im Finale der deutschen Tischtennis-Mannschaftsmeisterschaften. (Foto: Kenny Beele/Beautiful Sports/Imago)

Nach fünf Monaten der Ungewissheit kehrt Timo Boll, 42, aus seiner Verletzungspause zurück: mit einer Niederlage zwar - aber auch mit dem 33. Meistertitel für sein Team Borussia Düsseldorf.

Von Ulrich Hartmann

Es gab bedrückende Momente in den vergangenen fünf Monaten, in denen hat Timo Boll, 42, nicht unbedingt damit gerechnet, dass er noch mal in einem Glitter-Regen stehen darf. "Ich bin ins Grübeln gekommen", berichtete Boll am Sonntag, als er sich nach der Siegerehrung ein paar Goldschnipsel aus dem Haar gezupft hatte. Mit dem 33. deutschen Meistertitel, dem dritten in Serie, bleibt der Tischtennis-Rekordmeister Borussia Düsseldorf gleichauf mit den Fußballern vom FC Bayern München. Das ist ein interdisziplinäres Kopf-an-Kopf-Rennen.

Obwohl Boll bei Düsseldorfs 3:1-Sieg im Bundesliga-Endspiel gegen den 1. FC Saarbrücken den einzigen Punkt abgeben musste, bedeutete ihm sein Comeback nach fünfmonatiger Verletzungspause alles. Boll hat Angst vor dem Karriereende. Er kennt kein Leben ohne Tischtennisspielen. Deshalb hat es ihn sehr beunruhigt, als er wegen einer schmerzenden Schulter am linken Schlagarm fünf Monate lang nicht hat spielen können, "obwohl nichts kaputt war und nichts verschlissen und die Ärzte nichts gesehen haben", wie er erzählte.

SZ PlusMeinungTischtennis-WM
:Flaute ohne Boll

Bei der Tischtennis-Weltmeisterschaft in Durban finden die Einzel-Viertelfinals der Männer ohne deutsche Beteiligung statt. Eine echte Krise lässt sich daraus aber nicht ableiten.

Kommentar von Ulrich Hartmann

Als Boll nun im Endspiel im Rahmen des "Finals"-Festivals an Rhein und Ruhr vor 2700 Zuschauern im dritten Match an den Tisch trat, stand es bereits 2:0 für seine Düsseldorfer. Das erlaubte ihm, die 1:3-Niederlage gegen Saarbrückens Japaner Takuya Jin nicht allzu sehr beklagen zu müssen. Sein Teamkollege Dang Qiu und vor allem Anton Källberg retteten Boll aus der Verlegenheit. Der Schwede gewann gegen Patrick Franziska und Darko Jorgic und bewältigte damit ein kleines Trauma aus dem Champions-League-Endspiel vor drei Monaten gegen Saarbrücken, als er in Hin- und Rückspiel alle vier Einzel gegen Franziska und Jorgic verloren hatte, so dass Saarbrücken gegen Düsseldorf die Champions League gewann. "Das ärgert mich immer noch", sagte Källberg jetzt, "aber wenigstens konnte ich mich revanchieren."

Er sei bei "90 Prozent" seines Leistungsvermögens, sagt Boll, vor allem aber schmerzfrei

Düsseldorf gegen Saarbrücken, dieses Duell wird immer mehr zum deutschen Tischtennis-Clasico, oder wie Borussias Manager Andreas Preuß sagt: zur "Dauerrevanche". Binnen sieben Jahren haben die Klubs in drei Wettbewerben acht Mal gegeneinander im Finale gestanden: Düsseldorf gewann den Pokal 2017 und 2018, die Champions League 2021 sowie zuletzt drei Mal in Serie die Meisterschaft - Saarbrücken siegte 2022 im Pokal und 2023 in der Champions League.

Mit den Düsseldorfern Boll und Qiu sowie dem Saarbrücker Franziska messen sich hierbei regelmäßig drei der besten deutschen Spieler und damit die Olympiakandidaten für Paris 2024. Der vierte ist Dimitrij Ovtcharov, dessen Klub TTC Neu-Ulm jetzt nur noch in der Champions League spielt und nicht mehr in der Bundesliga. Ovtcharov plant nicht, für einen anderen Klub zusätzlich in der Bundesliga zu spielen. Düsseldorf und Saarbrücken könnten sich im kommenden Jahr also zum vierten Mal nacheinander im Endspiel treffen.

Sein Comeback nährt derweil Bolls Hoffnung, in Paris seine siebten Olympischen Spiele mitzumachen. Schmerzfrei zu spielen bereitet ihm momentan ein wahres Glücksgefühl. Er sei bei gefühlt "90 Prozent" seines Leistungsvermögens. Noch, hofft Boll, sind seine Tage als Tischtennisspieler nicht gezählt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusTischtennisprofi Ovtcharov im Gespräch
:"Wir mussten klar Stellung beziehen"

Nach zwölf Jahren hat der deutsche Nationalspieler Dimitrij Ovtcharov seinen russischen Klub Orenburg verlassen. Der gebürtige Kiewer über den Wechsel nach Neu-Ulm, den Schock des Krieges und Konsequenzen für russische Sportler.

Interview von Ulrich Hartmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: