Golf-Profi Tiger Woods:Wenn jeder Schritt schmerzt

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Tiger Woods beim diesjährigen Golf-Masters im Augusta National Golf Club, als er vorzeitig aufgeben musste. (Foto: Charlie Riedel/dpa)

Nach der erneuten Operation am Knöchel stellt sich für Tiger Woods die wohl letzte große Frage: Wie lässt sich seine Karriere unter diesen körperlichen Voraussetzungen überhaupt fortsetzen?

Von Felix Haselsteiner

Selbst die Besucher hatten es schwerer als sonst beim diesjährigen Masters. Einer nach dem anderen war auf dem nassen Rasen ausgerutscht, in der hügeligen Landschaft des Augusta National Golf Clubs. A good walk spoiled, so lautet der Titel des bekannten Standardwerks im Golfsport, das der Autor John Feinstein im Jahr 1996 verfasst hat, frei übersetzt: ein ruinierter Spaziergang - und nie war das wahrer als beim Masters 2023, als zwei Tage lang ein eisiger, regnerischer Sturm Bäume fällte und alle Beteiligten beschäftigte - auch den berühmtesten unter ihnen.

Am Sonntagmorgen schließlich hatte Tiger Woods aufgeben müssen, "enttäuschender Weise", wie er bei Twitter schrieb. Es war eine von zwei Nachrichten, die er innerhalb von zehn Tagen über die sozialen Medien verbreitete, die andere war mindestens genauso aufsehenerregend für die Profigolfwelt, deren Pulsschlag sich weiterhin daran orientiert, ob, wann, wo und wie Woods spielt.

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Am 19. April verkündete sein Team, dass er in New York City eine Operation am rechten Fuß habe durchführen lassen. Bei der Operation handelte es sich um einen Eingriff am sogenannten Subtalargelenk, möglicherweise im Zusammenhang mit einer Entzündung der Sehnenplatte der Fußsohle, die Woods solche Schmerzen zugefügt hatte, dass er in Augusta aufgeben musste. "Er freue sich darauf, seine Reha zu beginnen", hieß es noch, dann riss der Draht zur Außenwelt wieder ab.

Woods ist nahezu unantastbar, unnahbar, meistens ist er außerdem schlichtweg nicht da

Es hat sich in den vergangenen Jahren ein beständiger Rhythmus entwickelt zwischen Woods und der Weltöffentlichkeit. Einer, der nur von ihm und seinem Manager Mark Steinberg bestimmt wird, der öffentliche Auftritte seines Klienten präzise plant und nur einen sehr kleinen Kreis von Menschen mit Informationen versorgt. Woods ist nahezu unantastbar, unnahbar, meistens ist er außerdem schlichtweg nicht da. Ob er bei Turnieren startet, entscheidet er vergleichsweise spontan, ansonsten gibt es kaum Auftritte, weshalb es weiterhin schwer ist, die eine große Frage einzuschätzen, die sich in Bezug auf den 47-Jährigen stellt: Wie genau lässt sich eine Karriere unter diesen körperlichen Voraussetzungen überhaupt noch fortsetzen?

Es ist eine diffuse Situation, die auch Woods' neuerliche Verletzung mit prägt. Wie schon bei den zahlreichen Operationen, die er in seinem Leben durchführen ließ - mehrfach am Rücken und an der Wirbelsäule, nach seinem Autounfall im Februar 2021 am Knie -, ist auch dieses Mal immerhin bekannt, dass Woods weiterhin Golf spielen wird, weil es sich eben glücklicherweise um einen Sport handelt, der auch unter Einschränkungen möglich ist.

Er hatte zuletzt auf seiner Pressekonferenz in Augusta darüber gesprochen, dass nicht der Umgang mit den Schlägern das Problem sei, sondern die Beweglichkeit auf dem Platz - mit anderen Worten: Es scheitert am Spaziergang, insbesondere wenn dieser unter schwierigen Witterungsbedingungen stattfindet.

Die Marke, die Woods um sich herum erschaffen hat, ist längst größer als seine Beteiligung am sportlichen Geschehen

Anders als etwa im Tennis, wo Roger Federer nicht einfach sein Karriereende in eine Pause verwandeln und im Juli wieder in Wimbledon aufschlagen könnte, selbst wenn er sich körperlich dazu im Stande fühlte, ist das für Woods im Verlauf der nächsten 30 Jahre problemlos möglich: Als mehrmaliger Sieger aller Major-Turniere genießt er Startberechtigungen. Und jedes andere Turnier würde ihn auch auf einer Sänfte über den Platz tragen als Dank für seine Anwesenheit.

Fest steht allerdings: Die Marke, die Woods um sich herum erschaffen hat, ist längst größer als seine sportliche Beteiligung am aktuellen Geschehen. Das gilt nicht nur deshalb, weil er in Zusammenarbeit mit seinem Bekleidungssponsor erfolgreicher denn je ist und selbst der Weltranglistenerste Scottie Scheffler Schuhe trägt, die das Logo "TW" ziert. Nein, Woods hat seine Position im Kontext des Streits zwischen der US-PGA-Tour und der saudi-arabischen LIV-Tour weiter ausgebaut: Im kommenden Jahr startet die TGL, eine Golfliga, in der an Montagabenden unter Flutlicht 18 Weltklassegolfer gegeneinander antreten und die geplant und umgesetzt wird von TMRW Sports, einer Gründung von Woods und Rory McIlroy, dem Spitzenprofi aus Nordirland.

Historischer Moment: Tiger Woods schlüpft 1997 bei seinem ersten Masters-Sieg ins berühmte grüne Jackett; der Brite Nick Faldo, Sieger des Vorjahres, hilft ihm dabei. (Foto: Gary Hershorn/Reuters)

Dazu kommt seine Platzdesign-Firma, mit der Woods in den USA moderne, kürzere Golfplätze insbesondere für eine jüngere Zielgruppe baut, und sein fast schon politischer Aktivismus für die PGA-Tour und das klassische Golf-Ökosystem im Vergleich mit den neuen Investoren aus Saudi-Arabien. Woods will den Sport, den er sein Leben lang definiert hat, in einer neuen Rolle weiterentwickeln, diesmal auch ohne selbst zum Golfschläger zu greifen.

Fraglich ist bloß, ob ihm das reicht. Woods' Ehrgeiz hat ihn in seinem Leben durch zahlreiche Situationen getrieben, in denen andere aufgegeben hätten, das lässt ihn weiterhin im Konjunktiv darüber sprechen, ob er "womöglich nie wieder" in St. Andrews die British Open spielen werde, wie er im Juli 2022 sagte, oder ob es vielleicht doch sein letztes Masters sein könnte: "Ich weiß nicht, wie viele ich noch in mir habe", sagte Woods in diesem Jahr.

Aussagen wie diese hatte es von Woods immer wieder gegeben, er kokettiert von jeher mit seiner Endlichkeit, und doch kam er immer wieder zurück nach Augusta, am beachtlichsten im Jahr 2019, als er nach elf Jahren Unterbrechung dort wieder ein Major-Turnier gewann. Im Normalfall würde man sagen: Es war sein letztes. Nur wenn Tiger Woods' Karriere und all die Höhen und Tiefen, die sich wie die Hügel von Augusta durch sein Leben ziehen, eines lehren, dann, dass die Norm auf ihn nie zugetroffen hat.

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