Neuer und ter Stegen:Es kann nur einen geben

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Marc-Andre ter Stegen (re.) und Manuel Neuer. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Bochini, Blankenburg, Micoud: Manche Fußballer haben das Pech, in die Ära eines anderen geboren zu werden. Als Torwart hat es Marc-André ter Stegen besonders schwer - womöglich bekommt er nach der EM seine Chance.

Kommentar von Christof Kneer

Am besten wäre es, man würde Marc-André ter Stegen niemals von der WM 1970 erzählen. Dieses Turnier wurde geprägt von der brasilianischen Nationalmannschaft, die wiederum von Pelé geprägt wurde, dem besten Fußballer seiner Zeit. Pelé war unvergleichlich, aber das war kein Problem für Rivelino, Tostao, Jairzinho und Gerson, die anderen herausragenden brasilianischen Offensivspieler dieser Epoche. Sie wussten, okay, wir werden vielleicht nicht so legendär wie Pelé, aber sie wussten eben auch, dass das trotzdem geht: als Stammspieler Weltmeister werden. Im Finale gegen Italien (4:1) spielten sie alle, vor-, neben- und hintereinander. Vielleicht war es das einzige Mal in der Fußballgeschichte, dass fünf Zehner zusammen spielten.

Nein, es wäre keine gute Idee, würde sich der Weltmeistertrainer von 2014 am Weltmeistertrainer von 1970 orientieren. Jogi Löw käme mit geltendem Fußballrecht in Konflikt, würde er Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen vor-, neben- und hintereinander spielen lassen.

Es gibt Fußballer, die das Pech haben, in eine Ära hinein geboren zu werden, aber unpraktischerweise nicht in die eigene. Horst Blankenburg etwa ist hierzulande fast vergessen, ein fabelhafter deutscher Spieler, der Anfang der Siebziger zur größten Elf in der Geschichte von Ajax Amsterdam gehörte. Leider spielte Blankenburg Libero, auf einer Position, die kurz zuvor Franz Beckenbauer erfunden hatte. Beckenbauer war unvergleichlich, und so kam Blankenburg am Ende auf die überschaubare Zahl von null Länderspielen.

Ein Torwart wird nicht mal eben eingewechselt

Auf 27 Länderspiele brachte es der außergewöhnliche Argentinier Ricardo Bochini, aber auch nur deshalb, weil er etwas älter ist als Diego Maradona und etwas früher mit Länderspielen anfing. Als Maradona seinerseits anfing, unvergleichlich zu werden, hatte Bochini keine Chance mehr, es kann nur einen geben, das Highlander-Prinzip. Immerhin 17 Länderspiele schaffte der Franzose Johan Micoud, der durchaus das Potenzial hatte, ein bisschen unvergleichlich zu werden. Aber was sollte er machen? Auf seiner Position spielte Zinédine Zidane.

Vermutlich wird sich Marc-André ter Stegen von diesen Beispielen nicht trösten lassen. Sein Schicksal ist ja noch härter: Er ist Torwart. Ein Torwart wird nicht mal eben eingewechselt wie Bochini im WM-Halbfinale 1986, ein Torwart bekommt im Normalfall auch keinen Startelf-Einsatz in der Vorrunde spendiert wie Micoud bei der EM 2000. Bei Feldspielern können Trainer mal großzügig oder kreativ sein, auch wenn fünf Zehner in einer Elf wohl einzigartig bleiben werden. Aber Uwe Seeler und Gerd Müller oder Wolfgang Overath und Günter Netzer: Das passte nicht ideal, aber es ging.

Der Jahrzehnttorwart ter Stegen ist in die Ära des Jahrhunderttorwarts Neuer hineingeboren worden, da bringen einen auch Paraden wie gegen Dortmund nicht ins Nationaltor. Vielleicht wird Neuer dieses Tor nach der EM 2020 räumen, dann hätte ter Stegen, 27, plötzlich die Chance. Er könnte noch ein, zwei unvergleichliche Turniere spielen und vielleicht sogar noch ein bisschen historisch werden. Als Torwart, der Deutschland bei der Heim-EM 2024 zum Titel führt.

© SZ vom 19.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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