Tennisprofi Alexander Zverev:Donnernde Pfeile von oben

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Stark drauf: Alexander Zverev in Turin. (Foto: Clive Brunskill/Getty)

Alexander Zverev beweist bei den ATP Finals zum Auftakt gegen den Spanier Carlos Alcaraz: Wenn er seinen Aufschlag im Griff hat, ist er schwer zu besiegen.

Von Gerald Kleffmann

Der Ausrutscher sah besorgniserregend aus, und zunächst bewegte sich Alexander Zverev in der Folge auch etwas unrund. Doch wie sich rasch herausstellte: Dem deutschen Tennisprofi war nichts Gravierendes passiert. Nachdem der 26-Jährige - nach dem Malheur zu Beginn des dritten Satzes - sein Auftaktmatch bei den ATP Finals in Turin gegen den Spanier Carlos Alcaraz mit 6:7 (3), 6:3, 6:4 gewonnen hatte, gab er auch in der Pressekonferenz Entwarnung. "Ich habe mir den Knöchel nicht verdreht. Ich bin irgendwie ausgerutscht. Ich hatte eine Zeit lang Schmerzen. Ich glaube aber nicht, dass irgendein Schaden entstanden ist", sagte Zverev über seinen Sturz, bei dem diesmal sein linker Fuß strapaziert worden war, und versicherte: "Es ist nichts Vergleichbares mit Paris."

Anfang Juni 2022 war Zverev im Halbfinale der French Open gegen den Spanier Rafael Nadal so schlimm umgeknickt, dass sieben Bänder in seinem rechten Fuß gerissen waren. "Viele kennen meine Vorgeschichte. Meine Verletzung ist in Roland Garros passiert", sagte er, wie die Nachrichtenagentur dpa zitiert, in Turin am Montagabend: "Nicht bei irgendeinem 250er-Turnier irgendwo, sondern auf einer der größten Bühnen der Welt. Vielleicht war das ein bisschen der Grund für die Reaktion. Aber ich habe ja schnell das Zeichen gegeben, dass alles okay ist und ich nicht wieder mit einem Krankenwagen nach Hause fahren muss."

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Zverev durfte aber nicht nur aufgrund des glimpflichen Ausgangs seines Fehltritts erleichtert sein. Er hatte gegen den Weltranglisten-Zweiten Alcaraz stark gespielt, war agil, zwirbelte millimetergenau Passierbälle ins Feld und hatte insbesondere mit einer Qualität geglänzt, die ihm schon zweimal - 2018 und 2021 - den Titelgewinn bei diesem Jahresendturnier der besten acht Profis eingebracht hatte. Wenn Zverev so aufschlägt wie gegen Alcaraz, ist er nur schwer zu besiegen.

Vor allem wenn Bedingungen herrschen wie im Pala Alpitour, der Mehrzweckhalle von Turin. Der Hartplatz ist schnell, kein Wind stört den Ballwurf, der bei dem 1,98 Meter großen Zverev ja extrem hoch ist. Wie donnernde Pfeile schlagen seine Aufschläge dann auf der anderen Seite ein. Dank seiner Größe und dem hohen Treffpunkt des Balles kann Zverev wie nur wenige den Ball in einem stärkeren Winkel nach unten drücken.

"Wenn ich mich nicht irre, haben wir das ganze Jahr über mit 20 oder 21 verschiedenen Bällen gespielt", kritisiert Alcaraz

Die Statistik zu seinem Sieg liest sich atemberaubend. 16 Asse schlug er, bei nur zwei Doppelfehlern. Mit dem ersten Aufschlag gewann er 79 Prozent der Punkte (59 von 75). Da war es gerade in den Sätzen zwei und drei auch weniger gravierend, dass seine Quote beim zweiten Service (elf von 22) eher durchschnittlich blieb. Er brauchte ihn auch viel seltener. "Mein Aufschlag hat mir sehr geholfen", sagte Zverev zufrieden. Im zweiten Satz überfuhr er Alcaraz mit diesem Schlag regelrecht und machte 19 von 21 Punkten mit dem ersten Aufschlag. Bemerkenswert vor allem deshalb, wenn man sich an die Zeiten erinnert, als dieser Schlag quasi in der Krise war und viele Doppelfehler das zum Ausdruck brachten.

Das Selbstvertrauen in seine Spieleröffnung ist jedenfalls ungebrochen. Ende des ersten Satzes zog Zverev auch mit dem zweiten Aufschlag voll durch - 217 km/h zeigte die Geschwindigkeitsmessung. Alcaraz, der seit seinem Wimbledonsieg im Juli nicht mehr ganz sein Houdini-Tennis zeigen konnte und seine Form suchte, sprach später kritisch ein Thema an, das in dieser Saison viele Profis verärgerte: "Ich denke, wenn ich mich nicht irre, haben wir das ganze Jahr über mit 20 oder 21 verschiedenen Bällen gespielt. Es ist verrückt. Dadurch werden viele Spieler verletzt."

An diesem Mittwoch (21 Uhr/Sky) trifft Zverev auf den schachartig spielenden Russen Daniil Medwedew, der in seiner ersten Partie in der sogenannten roten Gruppe seinen Landsmann Andrej Rublew 6:4, 6:2 besiegt hatte. Bislang gilt der Serbe Novak Djokovic als der große Favorit auf den Titel, doch der Glaube, auch weit kommen zu können in Turin, ist vorhanden bei Zverev. Nach dem Erfolg gegen Alcaraz wollte er von einer Überraschung wenig wissen und meinte süffisant: "Ich bin auch nicht so schlecht."

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