Tennis: Wimbledon:"Frauen-Probleme"

Lesezeit: 3 min

Während das Frauentennis chauvinistische Kommentare über blasse Maschinen provoziert, wird kaum ein Match wegen seiner sportlichen Klasse in Erinnerung bleiben.

René Hofmann

Die einfachste Erklärung bot Victoria Azarenka. Nachdem sie ihr Viertelfinale in 73 Minuten 2:6, 2:6 gegen Serena Williams verloren, und deren Schwester Venus die Polin Agnieszka Radwanska 6:1, 6:2 gedemütigt hatte, wurde Azarenka gefragt, wie das so sei, wenn es in einem Sport nur zwei wirklich Gute gebe. "Ich glaube nicht, dass man das so sehen kann", antwortete die 19 Jahre alte Russin, "jeder, der es ins Viertelfinale schafft, ist gut. Die beiden spielen nur ein bisschen aggressiver."

"Meinen Aufschlag hatte ich dabei. Aber mein Gehirn nicht", sagt Dinara Safina. (Foto: Foto: AFP)

Nur ein bisschen aggressiver - das ist sehr, sehr, sehr freundlich ausgedrückt. Weder Serena noch Venus Williams haben auf dem Weg ins Halbfinale einen Satz abgegeben. Jelena Dementjewa, die es ebenfalls dorthin geschafft hat, traf auf ähnlich wenig Widerstand. Dinara Safina wiederum, aktuell die Nummer eins der Weltrangliste, unterliefen alleine in ihrem Dreisatz-Erfolg im Viertelfinale gegen Sabine Lisicki 15 Doppelfehler. "Meinen Aufschlag hatte ich dabei. Aber mein Gehirn nicht. Manchmal weiß ich, was ich machen muss, aber ich tue es einfach nicht", sagte Safina, womit auch erklärt ist, warum sie bislang keinen Grand-Slam-Titel gewonnen hat.

Bei den Männern, höhnte eine Zeitung, werde debattiert, ob es gut sei, das neue Centre-Court-Dach öfter zu schließen. Bei manchen Frauen-Matches sollte man dagegen besser schon vorher die Türen verrammeln. Die Attraktivität des Frauenwettbewerbs - auch bei den 123. All England Championships ist das wieder ein großes Thema. Die Debatte begann schon vor dem ersten Ballwechsel, als Michael Stich anmerkte, die Frauen sollten doch bitte das Kreischen lassen. Das nehme ihrem Spiel den ästhetischen Reiz. Und schließlich verkauften sie sich ja vor allem über die Ästhetik.

Auch in Lifestyle-Medien

Etwas unglücklich war in diesem Zusammenhang der Auftritt von Larry Scott, dem scheidenden Chef der Frauentour WTA, Mitte der ersten Woche. Scott bestätigte Stichs These indirekt, als er seine Erfolgsbilanz herunterbetete: Inzwischen bekommen die Frauen nicht nur bei den Grand-Slam-Turnieren das gleiche Preisgeld wie die Männer. Auch bei den sechs Wettbewerben der nachfolgenden Kategorie ist das so. Sony Ericsson zahlt für sechs Jahre als Hauptsponsor 88 Millionen Dollar. Das ist der lukrativste Deal im Frauensport. Bis 2013 wird das große Saisonabschluss-Turnier in Doha ausgetragen, danach zieht es nach Istanbul. Die beiden Städte lassen sich das 84 Millionen Dollar kosten. "Und wir haben die Wahrnehmung unseres Sports signifikant gesteigert", schloss Scott, "nicht nur in den Sport-, sondern auch in den Lifestyle-Medien." Es klang tatsächlich so, als sei er stolz darauf, dass er seine Spielerinnen halbnackt in Halbstarken-Blätter bringt.

Sportlich gab es dagegen wenig zu berichten. Bislang gab es kaum ein Frauen-Match, das wegen seiner sportlichen Klasse in Erinnerung bleiben wird. Entsprechend fallen die Kritiken aus. "Viel Glitzer, wenig Gold", schreibt die Daily Mail: "Das Frauen-Tennis ist nicht nur ein Abklatsch von dem, was es einmal war. Es ist ein gebräunter, lauter, eitler, charakterloser, Koma-auslösender Abklatsch." Die Frauen, die in Wimbledon antreten, schrieb der Telegraph, "sind gar keine echten Frauen. Es sind blonde und blasse Maschinen, die irgendwo in Osteuropa vom Band laufen."

In die Argumentationskette passte ein Spruch von Serena Williams nach ihrem ersten Match: Bei all den Owas, gegen die sie ständig spielen müsse, habe sie den Überblick verloren. "Manchmal denke ich, ich müsste selbst Williamsowa heißen", scherzte sie. Die Szene ist unübersichtlich geworden. In den vergangenen drei Jahren hat die Nummer eins 13 Mal gewechselt. Acht unterschiedliche Spielerinnen standen an der Spitze, was ein US-Tennismagazin nach dem enttäuschenden Wettbewerb bei den US Open 2008 dazu brachte, eine nicht ganz ernst gemeinte Stellenausschreibung zu drucken: "Erfolgreichste Frauensport-Serie der Geschichte sucht motivierte, entschlossene, athletische Fachkraft für eine Führungsrolle in der nächsten Dekade. Kandidatinnen mit telegenem Lächeln bevorzugt."

Führungskraft am Boden

Dinara Safina hat sich vor dem Turnier für die Beilage der Sunday Times im Stil einer griechischen Göttin fotografieren lassen. Gelächelt hat sie nicht. Ihr Blick ist eher grimmig. Vielleicht lag es daran, dass sie im Viertelfinale zum ersten Mal auf den Centre Court durfte. Stattdessen liefen dort in der ersten Turnierwoche unter anderem Sorana Cirstea, die Nummer 27 der Rangliste, auf, und Caroline Wozniacki, die Nummer neun der Setzliste. Die beiden bieten, vorsichtig gesagt, nicht nur ein telegenes Lächeln. Das Spiel mit den Reizen wird auch auf dem traditionsreichen Rasen gespielt.

Auch Jelena Jankovic, die Serbin, die die Weltrangliste schon zweimal anführte, durfte in kein großes Stadion. In Runde drei unterlag sie auf einem Nebenplatz einer Qualifikantin. Jankovic ist bekannt dafür, dass sie kaum ein Match ohne Unterbrechung spielen kann. Dieses Mal aber war es ganz dramatisch. Ein Arzt musste kommen und ihr den Blutdruck messen. Eine Führungskraft flach auf dem Boden - es war kein allzu gutes Bild, das der Sport da abgab. Jankovics Erklärung für ihre Unpässlichkeit: "Frauen-Probleme."

© SZ vom 02.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Tennis: Zwischen Sexappeal und Sport
:Laufsteg Wimbledon

Wie viel Haut ist erlaubt? Die Tenniswelt diskutiert über Sexappeal und Selbstvermarktung auf der Frauen-Tennis-Tour. Hier einige Beispiele in Bildern.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: