US Open:Der Dauerpraktikant strebt nach oben

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Oscar Otte zeigte bereits sein Können in New York - wie weit geht es für ihn noch? (Foto: Seth Wenig/AP)

Oscar Otte hält sich an einen Ratschlag von Andy Murray - und gewinnt ein schwieriges Auftaktmatch bei den US Open. Es ist der nächste Schritt in einer erstaunlichen Tenniskarriere.

Von Jürgen Schmieder, New York

Wenn Andy Murray einem etwas mitteilen will, dann sollte man zuhören; denn es ist entweder köstlich oder lehrreich. Am Dienstag zum Beispiel stichelte er bei Twitter gegen die ausgedehnten Toilettenbesuche von Gegner Stefanos Tsitsipas am Abend davor, und er tat es, wie es ein Brite nun mal tut: "Fun Fact des Tages: Es dauert doppelt so lange für Tsitsipas, aufs Klo zu gehen, wie es für Jeff Bezos dauerte, ins All zu fliegen." Im Juli, in Wimbledon, hatte er einen anderen Spruch parat. Er hatte gerade auf dem Center Court gegen Oscar Otte in fünf Sätzen gewonnen, und als sich die beiden am Netz begegneten, teilte Murray dem Unterlegenen mit: "Spiel' so weiter wie bisher, dann werden die Ergebnisse kommen."

Jetzt, bei den US Open, spielte Otte genau so, wie er es in Wimbledon gegen Murray getan hatte: unbekümmert, frech, völlig gelassen ob der vielen Italiener, die lautstark einen Sieg ihres Landsmanns Lorenzo Sonego forderten. Otte zeigte sich völlig unbeeindruckt von einem Gegner, der an Platz 20 gesetzt ist bei diesem Grand-Slam-Turnier und mit zunehmender Spieldauer jeden einzelnen Punkt feierte, als hätte er gleichzeitig die US Open und die Wahl zum lautesten Stöhner des Turniers gewonnen.

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Otte gestattet sich erst einen Gefühlsausbruch, als er 6:7(8), 7:5, 7:6(4), 7:6(1) gesiegt hatte: Er fiel auf die Knie. Und freilich war es Zufall, dass gleichzeitig der amerikanische Qualifikant Maxime Cressy auf dem Nebenplatz Pablo Carreno Busta besiegt hatte - doch dürfte es sich für Otte so angefühlt haben, als hätte die komplette Anlage nur für ihn gebrüllt.

Vier-Stunden-Kampf in der ersten Runde

"Auch wenn das ein bisschen komisch klingt: Ich mag es, wenn die Leute gegen mich sind. Das gibt mir zusätzliche Motivation, die ich heute zum Beispiel gebraucht habe", sagte Otte danach: "Durch all die Erfahrungen bin ich mental stärker geworden, das hilft mir nun in Partien wie dieser. Ich mag auch diese Best-of-five-Partien mit diesen vielen Auf und Abs. Es ist dann nicht ganz so schlimm, wenn man mal hinten liegt oder einen Durchhänger hat."

Es ist eine erstaunliche Karriere, die Otte da hinlegt - im Alter von 28 Jahren. Seit zehn Jahren ist er Profi, die meiste Zeit verbrachte er jedoch bei Veranstaltungen, denen die Begriffe "Challenger" oder "Future" beigefügt sind; Herausforderer und Zukunft. Wenn man so will, war Otte ein Tennis-Dauerpraktikant - doch in diesem Jahr passierte Erstaunliches: Er qualifizierte sich zum ersten Mal direkt für ein Grand-Slam-Turnier (das Hauptfeld der French Open 2018 und 2019 hatte er jeweils als Lucky Loser erreicht), in Paris lieferte er Alexander Zverev eine Fünf-Satz-Schlacht. Nur kurz danach, in Wimbledon: Fünf-Satz-Tie-Break-Drama gegen Arthur Rinderknech, dann diese Partie gegen Murray. Und nun, in New York: Vier-Stunden-Kampf in der ersten Runde.

Noch eine Kuriosität: Otte scheint bei seinen Grand-Slam-Auftritten nur an Legenden und solchen, die es werden wollen, zu scheitern - die French-Open-Gegner 2018 und 2019 waren Matteo Berrettini und Roger Federer. Fun Fact: Er hat bei den großen Turnieren im Hauptfeld nur gegen Leute verloren, die schon mal in den Top Ten der Weltrangliste geführt worden sind. Um diese Serie fortzusetzen, müsste er das nächste Spiel am Donnerstag gegen Denis Kudla (USA) gewinnen. Dann könnte er auf Hubert Hurkacz (Polen) treffen. Dessen Weltranglistenplatz: 13.

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