Tennis: Sabine Lisicki:Sehnsucht nach Rasen

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Zahlreiche Verletzungen und ein Zusammenbruch bei den French Open: Sabine Lisicki tritt nach vielen Rückschlägen wieder in Wimbledon an - und könnte dort aufgrund ihrer Spielweise durchaus überraschen.

Thomas Hummel

Als Dirk Nowitzki seinen Traum vom großen Titel erfüllt und deutsche Sportgeschichte geschrieben hatte, gratulierte auch Sabine Lisicki. Via Twitter schrieb sie: "Großartig, erfolgreiche Deutsche überall in der Welt zu sehen!" Auch Sebastian Vettel erhält regelmäßig Huldigungen von Lisicki. "Auf geht's Deutschland!" schrieb sie einmal.

Freut sich ganz offensichtlich über Spiele auf Rasen: Sabine Lisicki. (Foto: Getty Images)

Die Tennisspielerin Lisicki verfolgt die Leistungen der deutschen Sporthelden, vor allem freut sie sich mit ihnen. Sie fühlt sich ihnen vielleicht auch ein wenig nah, denn Sabine Lisicki hofft, irgendwann dazu zu gehören, zu den Helden des deutschen Sports. Sie arbeitet hart daran, es in diese Kategorie zu schaffen.

Sie sagt: "Ich bin ein sehr ehrgeiziger Mensch, und wenn ich mir etwas in den Kopf setze, dann tue ich alles dafür, um mein Ziel zu erreichen." Dabei hat sie mit ihren 21 Jahren schon mehr Rückschläge erlebt als andere Sportler in ihrer ganzen Karriere.

Der letzte Rückschlag ereignete sich bei den French Open. Lisicki spielte eine famose Partie gegen die Russin Vera Swonarewa, sie hatte Matchball im dritten Satz, den sie etwas überhastet vergab. Kurz darauf begann sie auf dem Platz zu weinen, ihre Beinmuskulatur verweigerten nach mehr als zwei Stunden Spielzeit den Dienst. Von Krämpfen geplagt, quälte sie sich über den Platz, ließ sich massieren, aß Power-Riegel um Power-Riegel. Doch sie hatte keine Chance mehr.

Nach der Niederlage brach sie zusammen und wurde mit der Trage vom Platz getragen. Es war ein Drama. Bald darauf sprach Lisicki von einer frisch entdeckten Gluten-Allergie, die ihrem Körper die Kraft entziehe. Sie konsultierte Ärzte, jetzt sagt sie: "Die Ernährung habe ich umgestellt, nur muss sich der Körper daran gewöhnen, und das dauert ein wenig."

Novak Djokovic hat eine ähnliche Geschichte hinter sich, er hat sich seit der Umstellung enorm verbessert. Auch Lisickis Leistungsfähigkeit scheint nicht darunter zu leiden, dass ihr Körper keine Nudeln und kein normales Brot mehr bekommt. Im Gegenteil. Zwei Wochen nach dem Kollaps von Paris gewann Lisicki in Birmingham das zweite WTA-Turnier ihrer Karriere. Im Halbfinale und Finale fertigte sie die an Nummer drei und vier gesetzten Shuai Peng und Daniela Hantuchova in zwei Sätzen regelrecht ab.

Tennis: French Open
:Drama um Lisicki, Petkovic souverän

Ganz knapp stand Sabine Lisicki gegen die Weltranglistendritte vor dem Sieg bei den French Open - ehe sie vom Platz getragen werden musste. Andrea Petkovic schlägt ihre Angstgegnerin, Michael Berrer siegt überraschend gegen einen starken Franzosen.

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Lisicki sprang in der vergangenen Woche in der Weltrangliste von Platz 100 auf Platz 62. Von der Setzliste beim am Montag beginnenden Grand-Slam-Turnier in Wimbledon ist sie immer noch weit entfernt, dennoch dürfte French-Open-Siegerin Li Na nicht erfreut sein, dass sie schon in der zweiten Runde auf die Deutsche treffen könnte. Denn das Spiel auf Rasen kommt Lisicki entgegen.

Ihr Aufschlag gehört zu den wuchtigsten der gesamten Tour, die Grundschläge sind hart, und Lisicki zögert nicht, am Netz zu vollenden. "Ich habe mich auf die Rasensaison gefreut", erzählt sie. Schon 2009 stand sie in Wimbledon im Viertelfinale und scheiterte erst nach drei umkämpften Sätzen an der damaligen Nummer eins Dinara Safina.

Damals war Lisicki mit 19 Jahren für die Rolle der neuen deutschen Tennisheldin fest eingeplant. Das Land wartet seit vielen Jahren darauf, endlich wieder große Erfolge auf dem Tennisplatz feiern zu können. Doch bald schon verschwand Lisicki wieder vom Bildschirm - das Sprunggelenk. Schon Ende 2009 schmerzte der linke Knöchel, im März 2010 knickte sie um und musste operiert werden.

Es folgten ein halbes Jahr Pause, der Absturz in der Rangliste von Platz 22 auf über 200 und ein mühsamer Weg zurück. "Es war nicht immer leicht, sich zurückzuarbeiten, aber ich war fest entschlossen", erzählt sie. Weil Lisicki schon mit 16 Jahren einen Ermüdungsbruch erlitten hatte, gibt es nicht wenige, die zweifeln, ob ihr Körper den aufwendigen Spielstil dauerhaft aushalten kann. Lisicki glaubt daran: "Durch die Erfahrungen lernt man, die Balance zu finden."

Ihr sonniges Gemüt hat sie durch all die schwierigen Diagnosen ohnehin nicht verloren. Auch nicht dadurch, dass während ihrer Abwesenheit Andrea Petkovic und Julia Görges das Land begeisterten. Im Gegenteil: Die Tennisfrauen tingeln als fröhliche Mädchengruppe durch die Welt, nach jedem Erfolg der anderen teilen sie via Twitter und Facebook ihre Begeisterung mit. Dass gleich mehrere das jahrelange Vakuum im deutschen Tennis füllen, sieht Lisicki für sich als Vorteil: "So ist der Druck verteilt." Und Neid scheint die stets Lächelnde ohnehin nicht zu kennen.

Noch immer bewegt sich die 21-Jährige mit großen Kinderaugen durch die Tenniswelt, sie spricht mit amerikanischem Enthusiasmus von ihrem Beruf. "Die Freude, zurück auf dem Platz zu sein und vor Publikum zu spielen, ist einfach unbeschreiblich." Je mehr Publikum, desto besser. Während ihrer Verletzung habe sie vor allem eins vermisst: "die große Bühne".

© SZ vom 18.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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