Tennis:Schon wieder herrscht der Ausnahmezustand

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Im Hyatt-Hotel in Melbourne waren die Tennisspieler, die aus dem Ausland kamen, im Januar vor den Australian Open in Quarantäne. (Foto: Speed Media/Icon Sportswire/imago images)

Nach zweiwöchiger Quarantäne starten die deutschen Tennisprofis erfolgreich in die Saison. Doch ein Corona-Fall sorgt für Aufregung: Bis zu 600 Profis, Teammitglieder und Offizielle müssen in Isolation.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne/München

Das Ende war krachend, bei beiden. Alexander Zverev schlug ein Ass von der linken Aufschlagseite, nach rechts außen. Und darauf noch eines, durch die Mitte. Damit hatte er 6:7 (5), 6:3, 7:6 (4) gegen Denis Shapovalov gesiegt. Jan-Lennard Struff kämpfte sich ähnlich knapp durch, wenngleich er einen Satz weniger auf dem Hartplatz in Melbourne stand. Mit seinem direkten Aufschlagpunkt zum 7:6 (4), 7:6 (2) gegen Milos Raonic, den Wimbledonfinalisten von 2016, hatte "the big man from Warstein", wie ihn eine australische TV-Kommentatorin nannte, das deutsche Team gegen Kanada uneinholbar 2:0 in Führung gebracht. Das Doppel verlor die DTB-Auswahl, Struff und Kevin Krawietz unterlagen Steven Diez und Peter Polansky mit 6:7 (4), 7:6 (6), 3:10, aber der Saisonstart war geglückt. Zumal eine Besonderheit den ersten Auftritt der deutschen Spitzenspieler begleitete: Zuschauer, wenn auch noch nicht viele, saßen in der mächtigen Rod Laver Arena und, ja: Applaus war zu hören. In Australien kehrte, nachdem die Profis ihre zweiwöchige Hotel-Quarantäne abgesessen hatten, an den ersten Turniertagen Normalität für sie zurück. Was noch keiner da ahnte: Das sollte sich am späten Mittwochabend ändern.

"Es war zwar nicht so voll, aber genau dafür haben wir die letzten Monate trainiert", sagte Mischa Zverev, 33. Der zehn Jahre ältere Bruder des Weltranglisten-Siebten Alexander Zverev betreut als Teamchef die deutsche Mannschaft beim ATP Cup, dem 2020 eingeführten Nationenwettbewerb. Im Spätherbst hatte er mit Michael Kohlmann - seit Jahresanfang anstelle von Boris Becker Head of Men's Tennis beim Deutschen Tennis-Bund - verabredet, dass kein Bundestrainer aufgrund der Corona-Lage die Reise nach Australien antritt.

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Von Gerald Kleffmann

Die Spieler dürfen eh nur eine limitierte Anzahl an Teamkräften mitnehmen, zudem war das Jugend-Turnier der Australian Open abgesagt worden; auch Barbara Rittner als Frauen-Chefin fehlt daher. Da zum einen Alexander Zverev ein enges Verhältnis zu Mischa hat und dieser sowieso in Melbourne dann als Fernsehexperte die Australian Open begleitet, bot sich an: Mischa macht den Kapitän. Eine Machtverschiebung muss man indes nicht sofort ableiten, auch wenn Alexander Zverev jüngst in einem DTB-Interview seinen Bruder auffallend in Position gebracht hatte. "Natürlich lieben wir alle den Michael", so seine Worte, "vielleicht wird Mischa eine andere Rolle in der Mannschaft einnehmen. Ich denke, alle Jungs verstehen sich extrem gut mit Mischa."

Yannick Hanfmann spielt nun mit Kevin Krawietz bei den Australian Open

Die ersten Bilder und Stimmen aus Melbourne lassen tatsächlich auf eine harmonische Stimmung schließen, die Leistungen waren auch überzeugend. Zverev glänzte mit Returns, Lobs und sogar Volleys, die Struff allerdings nach wie vor noch besser beherrscht, wie er gegen Raonic verdeutlichte. Unterstützt wurden die zwei von einer lauten deutschen Box, unüberhörbar mit Andreas Mies als Oberanimateur, der mit seiner Kölner Fröhlichkeit die Kollegen gar zur Welle mit den Armen animierte. Dabei musste doch er einen Rückschlag verkraften.

Der zweimalige French-Open-Sieger konnte nicht mit Partner Krawietz antreten. "Ich hatte schon in den vergangenen Monaten Knieprobleme", verriet er. Am Mittwochabend (Ortszeit) folgte sein endgültiger Rückzug: Mies muss ganz auf die Teilnahme am ATP Cup und bei den Australian Open verzichten. Wie zu hören ist, könnte ihn die Verletzung lange beschäftigen. Krawietz bildet nun beim ersten Grand Slam der Saison mit Yannick Hanfmann ein Duo.

Im Duell mit Serbien wird sich vielleicht bereits entscheiden, ob das deutsche Team das Halbfinale erreicht. "Das wird ein guter Test für mich sein", mit dieser Einstellung sah Zverev der Partie gegen den Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic entgegen. Alle tasten sich irgendwie ja erst mal ans Tour-Leben heran. Das gilt auch für Angelique Kerber, die bei einem der drei WTA-Turniere in Melbourne im Einsatz ist, der Grampians Trophy. Die dreimalige Grand-Slam-Siegerin meinte zwar, sie erwarte nicht viel zum Saisonstart. Nach dem 6:3, 4:6, 6:3 gegen die Tschechin Katerina Siniakova weiß Kerber schon mal: Tennis hat sie nicht verlernt in zwei Wochen Quarantäne. Nur tauchte, auch für sie, am Mittwochabend ein völlig neues Problem auf: Es herrscht wieder ein Corona-Ausnahmezustand in Melbourne, der derzeitigen Tennishauptstadt der Welt.

Ein Mitarbeiter im Grand Hyatt, in dem auch Kerber untergebracht war, ist positiv auf das Coronavirus getestet worden, offenbar wurde bei ihm gar die aggressive britische Mutationsform festgestellt, und er hatte auch Dienst, als die Tennisgemeinde dort ihre letzten fünf Tage in Quarantäne absaß. Wie die Zeitung The Age berichtete, müssen bis zu 600 Profis, Teammitglieder und Offizielle in Isolation, neue Tests sollten folgen. Die Australian Open, die strategisch alle sechs Turniere (je drei) der Männer- und Frauentour in der Stadt begleiten, gaben daraufhin bekannt, dass an diesem Donnerstag kein Tennis im Melbourne Park gespielt werde.

Wie ernst die Australier dem Thema Corona begegnen, ließ sich auch daran bemessen, dass Daniel Andrews, Premierminister des Bundesstaates Victoria, sofort in einer Pressekonferenz verschärfte Auflagen ankündigte. 28 Tage lang war Victoria ohne Covid-Fall gewesen. Noch ist unklar, wie die Tennisbranche mit dem neuen Fall zusammenhängt. Die Australian Open sollen stattfinden, versicherte Andrews. Aber eines steht fest: Tennis hat Unruhe und, noch gravierender, mehr Unsicherheit mit nach Melbourne gebracht.

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