Nachruf:Der Einflussnehmer

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Dirk Hordorff ist am 1. August 2023 gestorben. (Foto: Claudio Gärtner/tennisphoto.de/Imago)

Dirk Hordorff war Machtmensch, Strippenzieher, Erfolgstrainer - doch am Ende holte ihn seine dunkle Vergangenheit ein. Zum Tode einer der umstrittensten Figuren im deutschen Tennis.

Von Gerald Kleffmann

Janko Tipsarevic war der Erste, der die Meldung vom Tod Dirk Hordorffs vermeldete. Am Dienstagnachmittag veröffentlichte der frühere serbische Tennisprofi auf seinem Facebook-Kanal, dass "eine der bekanntesten Persönlichkeiten und größten Köpfe unseres Sports" gestorben sei. "Ruhe in Frieden", schrieb der heute 39-Jährige, der 2012 die Nummer acht der Weltrangliste gewesen war. Sein Trainer damals war Hordorff.

Ein weiterer Weggefährte - wohl der engste, der Hordorff zeit seines Lebens begleitet hatte - äußerte sich am Abend. "Leider stimmt die sehr traurige Nachricht. Er ist friedlich eingeschlafen nach langer Herzkrankheit", teilte der langjährige Davis-Cup-Spieler Rainer Schüttler der Nachrichtenagentur dpa mit: "Er war mein Berater, Mentor, Trainer und Freund. Ich bin ihm für alles sehr dankbar." Bedeutend schwerer indes tat sich der Deutsche Tennis-Bund (DTB) mit einer Reaktion, sie blieb vorerst aus. In diesem Zögern wird bereits der Zwiespalt ersichtlich, mit dem der größte Tennisverband der Welt seinen langjährigen, nun gestorbenen Spitzenfunktionär betrachtet.

Hordorff, 67, aus Bad Homburg war eine der einflussreichsten Personen im deutschen Tennis, über Jahrzehnte hatte er diverse Ehrenämter inne, war Präsident des Hessischen Tennis-Verbands, besaß eine Spieler- und Managementagentur, führte Schüttler bis auf Platz fünf der Weltrangliste und zu Olympia-Silber (jeweils 2004), hatte Einfluss auf die Vergabe von Profiturnieren, wirkte bei unzähligen Machtkämpfen um Spitzenpositionen beim DTB mit. In den vergangenen Jahren saß er als DTB-Vizepräsident im Präsidium. Im März dieses Jahres wurde er dann von der Vergangenheit ganz anderer Art eingeholt.

Rainer Schüttler (links) und sein Trainer Dirk Hordorff im Jahr 2004. (Foto: Thomas Exler/Imago)

Süddeutsche Zeitung, NDR und "Sportschau" berichteten über Vorwürfe, die ehemals von Hordorff betreute Spieler gegen ihn erhoben hatten. Die früheren Tennisprofis Maximilian Abel aus Deutschland und Sriram Balaji aus Indien warfen Hordorff sexualisierte Belästigung und Machtmissbrauch vor, weitere Betroffene äußerten sich ähnlich und berichteten etwa von unangemessenen Berührungen, angeblichen "Muskelchecks", die sie erdulden mussten, als sie unter der Obhut ihres einstigen Trainers Hordorff standen. Von den 1980er- bis in die 2010er-Jahre soll sich das zugetragen haben.

Den DTB traf das Thema keineswegs unvorbereitet, wenngleich der Verband betonte, dass sich die Vorwürfe auf Vorfälle bezogen, bei denen Hordoff keine DTB-Funktion innegehabt hatte. Bereits im Sommer 2022 hatte der DTB um Präsident Dietloff von Arnim eine Hamburger Anwaltskanzlei mit einer Untersuchung beauftragt, nachdem sich Abel schriftlich an die Führung des Verbandes gewandt hatte. Hordorff bestritt sämtliche Vorwürfe und bezeichnete sie als "schlicht unwahr", ließ sein Amt aber vorerst ruhen, wenngleich er diesen Rückzug allein mit seinem damals schon schlechten gesundheitlichen Zustand begründete.

Bereits vor gut zwei Jahren hatte er ein gesundheitliches Problem nur mit Glück überlebt, wie er der SZ einmal erzählte. Er nahm danach stark ab, seine Verfassung stabilisierte sich zunächst offenbar, doch nach den öffentlich gewordenen Vorwürfen teilte sein Anwalt mit: "Herr Hordorff ist aufgrund einer Anfang März erfolgten sowie einer anstehenden Operation an einem Aneurysma derzeit gesundheitlich nicht in der Lage, das Amt auszuüben."

Der DTB will die Aufarbeitung auch nach Dirk Hordorffs Tod fortsetzen

Einen Rücktritt lehnte Hordorff trotz der Vorwürfe zunächst ab, Ende März drängte ihn der Verband dann dazu. Als Konsequenz setzte Arnim eine unabhängige Kommission ein, auch eine externe Hinweisgeberstelle wurde eingerichtet. Die vom DTB beauftragte Kanzlei hielt schließlich in einem 86-seitigen Bericht fest, es gebe zahlreiche Anzeichen dafür, dass die von Abel und Balaji erhobenen Vorwürfe zutreffen. Dem Vernehmen nach soll der bisherige Aufarbeitungskurs nach dem Tod Hordorffs fortgesetzt werden, auch wenn klar ist, dass viele Fragen nun für immer unbeantwortet bleiben dürften. Intern hofft man auf weitere Ergebnisse im Herbst.

Dirk Hordorff hinterlässt in jedem Fall ein Machtvakuum im deutschen Tennis, er war die Umtriebigkeit in Person. Hoffnungen auf eine eigene Tenniskarriere musste er nach einem Unfall im Alter von 18 Jahren begraben; dies war der Beginn seiner außergewöhnlichen Karriere als Unternehmer, Funktionär, Einflussnehmer, Strippenzieher. Er wurde Jugendwart im Tenniskreis Hochtaunus-Wetterau, studierte Jura und BWL in Frankfurt, gründete eine Immobilienfirma und die Agentur Global Sports Management. Hordorff war schlau, gewitzt, eloquent und verstand das Tennisgeschäft wie wenige, was er sich oft zunutze machte. So opponierte er offen gegen Gegner, die ihm vermeintlich im Weg standen, wie 2005, als er im Wahlkampf um die DTB-Spitze seinen Widersacher, den amtierenden Präsidenten Georg von Waldenfels, hart attackierte. Hordorff zog seine Kandidatur schließlich zurück, doch er zeigte sich auch nach Rückschlägen unerschütterlich.

Dirk Hordorff beim DTB-Kongress im Januar. Kurz darauf wurden schwere Vorwürfe gegen ihn erhoben. (Foto: Claudio Gärtner/tennisphoto.de/Imago)

Genauso leidenschaftlich stellte er sich loyal hinter Personen, die seinen Kurs oder seine Interessen vertraten. Der ehemalige Lehrer Ulrich Klaus wurde 2014 oberster DTB-Mann weitgehend dank des Einflusses von Hordorff, der Klaus durchaus zu lenken wusste. Hordorff war es letztlich auch, der die Tür zum DTB für Boris Becker wieder öffnete; er wusste stets um die Strahlkraft des dreimaligen Wimbledonsiegers. Hordorff konnte Menschen, die gerade noch sein Vertrauen hatten, aber auch ohne Vorwarnung fallen lassen. Der frühere Davis-Cup-Kapitän Carsten Arriens wurde von Hordorff regelrecht abgesägt. Der frühere Wimbledonsieger Michael Stich erhielt als Veranstalter einst die Lizenz vom DTB, um das Turnier am Hamburger Rothenbaum auszutragen zu dürfen - später ging die Partnerschaft, von Vorwürfen Stichs begleitet, in die Brüche.

Den Tennissport, das ist unbestritten, hat Hordorff geschätzt und geliebt, ausgiebig konnte er sich über Matches und Turniere unterhalten, wobei die sportpolitischen Manöver ihm am meisten Spaß bereiteten. Ganz ließ er sich nie in die Karten schauen, und so passt es auf tragische Weise, dass er über seinen Tod hinaus als engagierter Tennisstratege, aber auch als schwer durchschaubarer Mann mit einer offensichtlich düsteren Seite in Erinnerung bleiben wird.

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SZ PlusExklusivMachtmissbrauch im Sport
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Von Nina Bovensiepen, Elena Kuch, Hendrik Maaßen, Andrea Schültke und Lea Weinmann

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