Tennis:Auch Federer fährt auf Sicht

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So sah die eleganteste Rückhand im Tennis aus, als sie das letzte Mal bei einem Turnier offiziell im Einsatz war: Roger Federer bestritt Anfang 2020 sein letztes Match, bei den Australian Open in Melbourne verlor er im Halbfinale gegen Novak Djokovic. (Foto: Michael Dodge/dpa)

Qualifikationen in Doha und Dubai, dann ab nach Melbourne: Um die Australian Open zu ermöglichen, ist einiges anders - Flexibilität und Geduld der Profis dürften besonders geprüft werden.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne/München

Mitte Januar werden zwei Flugzeuge in Dubai und Doha starten, mit dem Ziel: Melbourne. Sie werden dabei ein ungewöhnliches Logo an den Seitenwänden tragen. Ein großes "AO" soll die Maschinen schmücken, zumindest wurde dieser Plan dem Vernehmen nach so den Akteuren der Tennisszene übermittelt. AO, das sind die Australian Open. Wie an diesem Donnerstag bekannt wurde, findet das erste Grand-Slam-Turnier der neuen Saison also tatsächlich statt.

Es soll ab dem 8. bis 21. Februar über die Bühne gehen, und wer dachte, die US Open im vergangenen Herbst seien schon eine komplizierte Angelegenheit gewesen, als nach der Corona-Pause die Tennisgemeinde in New York zusammengeführt wurde, kann nun eine noch größere organisatorische Kraftanstrengung bestaunen. Allein der Ablauf der Qualifikationsturniere ist ungewöhnlich: Die Männer kämpfen vom 10. bis 13. Januar in Doha um 16 Startplätze für die erste Runde. Die Frauen sollen parallel wohl in Dubai die letzten Teilnehmerinnen ermitteln, die dann (wie die Männer in Doha) allesamt in eine von den Australian Open gecharterte Maschine steigen. Entweder geht es nach dem Zwischenstopp weiter auf die andere Seite der Welt - oder wieder nach Hause.

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Der Inzidenz-Wert in Australien? Null!

Bekannt wurde dieses Prozedere nicht durch eine Mitteilung des Verbandes Tennis Australia, der die Australian Open verantwortet. Es war die ATP-Männertour, die das nicht mehr ganz geheime Geheimnis lüftete im Rahmen ihrer Präsentation des Turnierprogramms für die ersten sieben Wochen. "Der neu gestaltete Kalender für den Beginn der Saison 2021 stellt eine große gemeinsame Anstrengung im gesamten Tennis unter herausfordernden Umständen dar", ließ sich ATP-Chef Andrea Gaudenzi zitieren, mit dem Versprechen: "Gesundheit und Sicherheit werden weiterhin an erster Stelle stehen."

Inwieweit das Konzept der Australian Open aufgeht angesichts der Tatsache, dass sich gerade in Europa und den USA die Corona-Lage ungleich dramatischer darstellt als inzwischen in Australien, wo die Inzidenzwerte bis zu diesem Donnerstag bei 0 lagen, wird sich erweisen müssen. Fest steht nun aber nach monatelangen Konsultationen und Gedankenspielen, wie das erste der vier wichtigsten Turniere des Jahres abgewickelt werden soll: Zwischen dem 15. und 17. Januar sollen alle Profis anreisen, dann geht es in eine zweiwöchige Pflichtquarantäne, in der kein Turnier angesetzt ist. Für fünf Stunden pro Tag können die Spieler das Hotel fürs Training verlassen. Die ATP hat direkt vor den Australian Open dann drei Turniere platziert, zwei in Melbourne (31. Januar bis 6. Februar) sowie den ATP Cup (1. bis 5. Februar, auch Melbourne), den 2019 neu eingeführten Nationenwettbewerb. Die ATP Tour startet generell mit zwei Turnieren in Delray Beach und Antalya (5. bis 13. Januar) in die Spielzeit. Die WTA Tour eröffnet in Abu Dhabi ihre Saison und wird ebenfalls in Melbourne zwei Events vorab aufziehen.

Turnierdirektor Craig Tiley erwies sich als besonders hartnäckig

Schon jetzt ist absehbar, dass Flexibilität und Geduld der Profis besonders auf die Probe gestellt werden dürften, viele Fragen bleiben offen, was die Ausgestaltung beider Touren ab März betrifft. So ist im Gespräch, das Masters-Turnier in Indian Wells um ein halbes Jahr zu verlegen. Auch sollen kleinere Turniere auf die Beine gestellt werden, um Profis hinterer Weltranglistenplätze die Möglichkeit zur Arbeit zu verschaffen. Im Grunde fährt die Branche weiter auf Sicht, und dass die Australian Open überhaupt stattfinden, hat sicherlich mit der Hartnäckigkeit von Turnierdirektor Craig Tiley zu tun, der auf Biegen und Brechen seinen sogenannten Happy Slam durchziehen will und permanent Druck ausübte, auch auf die Behörden im strengen Bundesstaat Victoria. Zuletzt war sogar davon die Rede, dass andere ATP-Events, die durch die Verschiebung der Australian Open wegfallen oder zu leiden haben, Kompensationen erhalten sollten.

Wird er seine Rückhand wieder in Melbourne vorführen? Roger Federer nährte zuletzt Zweifel. (Foto: Scott Barbour/dpa)

Ob indes auch alle Topspieler sich die Reise antun, ist offen, der Spanier Rafael Nadal hat immerhin zugesagt. Roger Federer, der aufgrund einer Knieverletzung monatelang pausierte (es waren zwei Eingriffe nötig), zögert dagegen. Als er jüngst im Schweizer Fernsehen als bester Sportler der vergangenen 70 Jahre geehrt wurde, löste der 39-Jährige gar Spekulationen über ein Karriereende aus, als er sagte: "Ich hoffe, es gibt noch was zu sehen von mir im neuen Jahr. Wir werden es sehen. Wenn es das gewesen sein sollte für mich, wer weiß, dann ist dies ein unglaublicher Schlusspunkt für mich bei diesen Sports Awards." In der Sendung hatte Federer aber auch hinsichtlich einer späteren Durchführung der Australian Open erklärt: "Das würde mir helfen, denn dann hätte ich etwas mehr Zeit."

In jedem Fall drängt es den 20-maligen Grand-Slam-Sieger aber nicht mit aller Macht nach Melbourne, wie er klarmachte: "Der Sommer mit Wimbledon, den Olympischen Spielen und den US Open hat Priorität." Auch Federer fährt auf Sicht.

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