Australian Open:Zverev ist jetzt ein Genießer

Lesezeit: 4 min

Alexander Zverev zählt in Melbourne zu den Favoriten. (Foto: AP)
  • Alexander Zverev geht optimistisch in das erste Grand-Slam-Turnier des Jahres.
  • Nachdem er zum Ende des vergangenen Jahres das ATP-Finale gewonnen hat, will er nun mit der gleichen Leichtigkeit in Melbourne erfolgreich sein.
  • "Ich will hier das Turnier genießen", sagt Alexander Zverev.

Von Barbara Klimke, Melbourne

Wenn er wollte, könnte Alexander Zverev jeden Arbeitstag in Australien mit einem Spaziergang am Fluss beginnen. Raus aus dem Hotel, den Fahrdienst ignorieren, ein paar Schritte die Straße bergab und an der National Gallery of Victoria vorbei, die eine brillante Sammlung von Kunst der Aborigines und übrigens auch einen ausgezeichneten Kaffee hat. Dann am Yarra River entlang, mit Blick auf die pittoresken Bootshäuser der Ruderklubs auf der andern Uferseite, und nach kaum mehr als einer Viertelstunde Fußweg ist man bei den Australian Open angelangt.

Auf der Tennisanlage wurde gerade der Sternekomfort in den Umkleideräumen, den Lounges und Spielerrestaurants deutlich erhöht. Die Annehmlichkeiten, so berichten weitgereiste Profis, seien mit kaum einem anderen Turnier zu vergleichen. Dazu kommt das Wetter: Sonne im Januar, leichte Brise und Temperaturen um die 30 Grad. Und womöglich ist es nicht ganz unwichtig zu erwähnen, dass auch das Preisgeld gerade noch einmal um zehn Prozent auf insgesamt nunmehr rund 38 Millionen Euro gestiegen ist. Das muss als Hintergrundinformation genügen, um zu verstehen, dass sich Zverev diesmal zu einem eisernen Entschluss durchgerungen hat: "Ich will das Turnier hier genießen", hat er angekündigt.

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Gewaltige Grundlinienduelle und Genuss, das sind in Zverevs Vorstellungswelt allzu oft gegensätzliche, unvereinbare Konzepte gewesen. Daran haben auch eine weitere Sushi-Bar als Verköstigungsstation, ein neuer Pizzaofen oder eine größere Motorenleistung beim Centre-Court-Dach, mit der sich die Schließzeit auf rekordverdächtige fünf Minuten verringert, wenig ändern können.

Symptomatisch für diese Haltung war der Temperamentsausbruch, mit dem Zverev vor zwei Jahren auf eine frühe Niederlage in Wimbledon reagierte. Bei einem Turnier also, das den Profis ähnlich viel Behaglichkeit wie der Melbourne Park bietet - sieht man vom Inselregen ab. Er wolle nicht mehr hören, dass er aus verlorenen Matches Lehren ziehen könne, stellte er damals auf einer Pressekonferenz klar: "Irgendwann habe ich keine Lust mehr zu lernen!" Diese bockige Ungeduld, so hat er nun vor seinem Auftaktmatch am Dienstag gegen den Slowenen Aljaz Bedene erklärt, habe er sich endlich abtrainiert: "Man kann nicht immer denken, es ist das Ende der Welt, wenn man mal verliert."

Es war ein Reifeprozess nötig, um den Hochbegabten zu dieser Sicht der Dinge zu führen. Und Zverev, trotz seiner beträchtlichen Erfolge erst 21 Jahre alt, kann Ort und Zeitpunkt des Erkenntnisgewinns exakt bestimmen: Es war just der Moment, als er im November bei den ATP Finals in London den Weltranglistenersten Novak Djokovic schlug und seinen ersten wirklich großen Titel gewann.

In London testete Zverev eine neue Strategie

In London testete er eine neue Strategie. Zu oft, so erzählte er nun in Australien, hatte er sich bis dahin mit der Frage konfrontiert gesehen, wann er mit seinem phänomenalen Talent endlich seinen erstes Grand-Slam-Turnier gewinne; stets fühlte er sich unter Druck gesetzt. Unmittelbar vor den ATP Finals hatte er noch krachend gegen einen Gleichaltrigen, den Russen Karen Chatschanow, verloren, 2:6 und 1:6. "Also habe ich in London zu mir gesagt: Okay, das ist das letzte Turnier des Jahres. Wir sind alle müde und wollen Urlaub. Ich spiele jetzt gegen die Besten der Welt, also versuche ich mal, mich dabei möglichst wohl zu fühlen." Ein simpler Plan, der aufging, als er die Trophäe in den Händen hielt.

Zverev hat seine Schlüsse daraus gezogen: Die Grand-Slam-Turniere, bei denen er bisher nur einmal - in vergangenen Frühjahr in Paris - das Viertelfinale erreichen konnte, will er jetzt ebenfalls mit einer unverkrampften Einstellung angehen: "Ich hoffe, ich schaffe das", räumte er ein.

Wie weit diese Konzentration auf die Wohlfühlaspekte des Sports seinem Coach Ivan Lendl, 58, zu verdanken ist, der seit einiger Zeit zum Trainerteam gehört, hat Zverev nicht verraten. Zweifellos aber hat der frühere Weltklassespieler, der schon dem Briten Andy Murray bei dessen Wimbledonsiegen 2013 und 2016 beistand, großen Anteil an Zverevs taktischen und technischen Verbesserungen. Lendls Expertise ist vor allem während der Turnierwochen erforderlich.

Das rigorose Fitnessregime, dem sich Zverev im Dezember zur Vorbereitung auf die elfmonatige Saison unterzog, hatten Vater Alexander und Konditionstrainer Jez Green, ein weiterer Betreuer aus Murrays altem Stab, in Monaco ohne den prominenten Coach überwacht. Nach der Anreise aus Perth, wo das Duo Alexander Zverev/Angelique Kerber zu Jahresbeginn beim Teamwettbewerb Hopman Cup auftrat, wurde in Melbourne täglich vier bis fünf Stunden trainiert. "Ich bin physisch dieses Jahr wieder auf einem anderen Level", glaubt der ATP-Weltmeister. Auch die leichte Blessur am Knöchel, die er bei einem Sturz auf dem Platz erlitt, hat ihn kaum gebremst: Das, sagte er, sei nicht viel mehr als ein blauer Fleck.

Zverev denkt an einen Auftritt bei Olympia mit Kerber

Tatsächlich wirkte Zverev aufgeräumt, fast heiter, als er zu seiner ersten Pressekonferenz erschien. Der jüngste Titel hat ihm anscheinend nicht nur Zuversicht, sondern auch Respekt im Kollegenkreis verschafft. Auch hat er neue Ziele für sich entdeckt, unter anderem das Olympia-Tennisturnier 2020 in Tokio, bei dem es ihn reizen könnte, gemeinsam mit Wimbledonsiegerin Kerber im Mixed-Wettbewerb anzutreten, wie er sagte.

Und wenn er sich künftig häufiger an den angenehmen Seiten seines Berufs freuen will, dann gibt es in Melbourne eine Menge zu entdecken: Wärme im Januar, ein Turnier mitten in der Stadt und einen Pizzaofen bei der Rod Laver Arena. "Happy Slam", so hat Roger Federer das australische Grand-Slam-Turnier einst getauft, ein Tennisprofi, der Genuss und Grundschläge schon lange problemlos kombinieren kann. Der Verdacht liegt nahe, dass das die richtige Einstellung sein könnte: Federer ist jetzt zum 20. Mal nach Melbourne gereist. Er hat am Yarra River sechsmal triumphiert.

© SZ vom 14.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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