Technik-Team bei der Ski-WM:Zeit für Heldengeschichten

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Nur ruhig bleiben: Felix Neureuther in Vail (Foto: dpa)

Einst belächelt, jetzt sollen sie für Medaillen sorgen: Auf die deutschen Männer um Felix Neureuther und Fritz Dopfer warten bei der Ski-WM in den USA die größten Rennen der Saison.

Von Johannes Knuth, Vail/Beaver Creek

Albert Doppelhofer kommt ein wenig ins Grübeln. Ob es einen Athleten in seiner Mannschaft gebe, der der Traum eines Trainers ist, war die Frage. Doppelhofer leitet die Technikgruppe im Deutschen Skiverband (DSV), er gilt als anspruchsvoll, hart gegenüber seinen Athleten und sich selbst. "Es hilft nichts, wenn ein Sportler zu allem ,Ja' sagt", beginnt Doppelhofer, jeder Athlet benötige seinen eigenen Kopf, "er muss im Wettkampf selbstständig Entscheidungen treffen."

"Der Traum eines Trainers", sagt Doppelhofer schließlich, "ist derjenige, der erfolgreich ist."

Der DSV hatte vergessen, den Nachwuchs heranzuziehen

Die alpinen Ski-Weltmeisterschaften in Vail und Beaver Creek gehen ihrem Ende entgegen, am Freitag wird noch der Riesenslalom der Männer ausgetragen, am Samstag und Sonntag stehen die Slaloms auf dem Programm ( alle Rennen im Liveticker bei SZ.de). Es war noch nicht die WM der Deutschen, am Wochenende stehen der Technik-Abteilung des DSV nun die wichtigsten Rennen des Jahres bevor.

Es könnten die Tage von Felix Neureuther werden, von Fritz Dopfer, Stefan Luitz, vielleicht sogar von Linus Strasser. Jahrelang hatten die Frauen im DSV die Bilanz korrigiert, aber die Frauen beschäftigen derzeit nur eine Fahrerin von Weltformat, Viktoria Rebensburg. Diesmal sind die Männer in der Pflicht, und das ist schon beachtlich.

Die Heldengeschichten der deutschen Techniker handelten bislang von Christian Neureuthers sechs Weltcup-Siegen. Sie erzählten von Frank Wörndl, der nie ein Weltcup-Rennen gewann, dafür 1987 in Crans Montana Weltmeister im Slalom wurde. Von Armin Bittner, der im selben Rennen Bronze gewann, zwei Jahre später in Vail eine Silbermedaille im Slalom holte. Danach herrschte lange Dürre.

Als die alten Meister abdankten, stellten sie im DSV fest, dass sie vergessen hatten, den Nachwuchs heranzuziehen. Alois Vogl wurde 2004 beim Weltcup in Flachau Dritter, es war eine späte Blüte. Kurz vor seinem Karriereende lernte er noch einen jungen Fahrer an, einen gewissen Felix Neureuther.

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Neureuther war 2003 in die erste Liga des Skisports aufgestiegen. Er war ausgestattet mit Talent und einem großen Nachnamen, er investierte viel in den Sport, doch zunächst bekam er wenig zurück. Ihm fehlten die Teamkollegen, die Referenzwerte im Training. Er ließ sich derart weit runterziehen vom Misserfolg, dass er die Freude am Rennfahren verlor, seine Familie fing ihn gerade noch auf. Im Januar 2010 gewann Felix Neureuther in Kitzbühel seinen ersten Weltcup - eben an jenem Ort, an dem sein Vater Christian 31 Jahre zuvor gewonnen hatte.

Neureuther pendelte oft zwischen zwei Extremen

Neureuther pendelte früher oft zwischen zwei Polen, zwischen Lockerheit und Verkrampfung. Mittlerweile hat er beide Extreme ausbalanciert. Die bekannteste Fallstudie fertigte der 30-Jährige bei der WM in Schladming vor zwei Jahren an, im Clinch mit Marcel Hirscher, seinem großen Rivalen. Neureuther wurde Zweiter, flankiert von 50 000 Zuschauern. "Früher habe ich mich viel früher und intensiver auf dieses eine Rennen fokussiert, danach bin ich dann meistens nicht so gefahren, wie ich sollte", sagt er, "jetzt ist mir das in der Vorbereitung wurscht."

Wenn man Felix Neureuther in dieser Saison erlebt, muss man an Doppelhofers Worte denken. Er trifft im Rennen meistens die richtigen Entscheidungen. Er ist erfolgreich, im aktuellen Winter gewann er zwei Slaloms, fünf weitere Male stand er auf dem Podest. Vor allem trifft er mittlerweile auf Teamkollegen, die ihn fordern, an denen er sich wiederum misst. Er steht im Mittelpunkt einer Mannschaft, mit Neureuther als inoffiziellem Teamkapitän, auch wenn er sich selbst vermutlich nie als solcher bezeichnen würde.

Er ist eine der wertvollsten Marken, die sie im Wintersport haben, er zieht die Aufmerksamkeit auf sich, aber er sonnt sich nicht in ihr. Wenn er in diesen Tagen vor die Öffentlichkeit tritt, spricht er oft über seine Teamkameraden, bindet sie in die Konversationen ein. Als Hirscher, 25, in Beaver Creek gefragt wurde, was der größte Unterschied zwischen ihm und seinem Dauerrivalen sei, sagte Hirscher: "Ich bin schon eine Portion egoistischer als der Felix. Aber ich habe ja auch noch ein paar Jahre, um meine persönlichen Ziele zurückzustecken."

"Viele Athleten, die den Willen mitbringen, in die Weltspitze zu kommen"

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Die Freude, der Erfolg bei der Arbeit können wie ein Sog wirken, das stellen sie in der Männer-Abteilung des DSV gerade fest. Der Österreicher Mathias Berthold übernahm vor der Saison einen kleinen, aber feinen Jahrgang von seinem Vorgänger Karlheinz Waibel. Berthold und Doppelhofer können jeden Schüler ausführlich anleiten. Sie spüren auch, dass ein wissbegieriger Jahrgang nachdrängt. Früher fehlten diese Bindeglieder, heute, sagt Berthold, sehe er viele Athleten, junge wie ältere, die den Willen mitbringen, in die Weltspitze zu kommen, "die alles Erdenkliche dafür tun". Er denkt da auch an Fritz Dopfer.

Wenn Neureuther der inoffizielle Mannschaftsführer ist, ist Dopfer der Co-Kapitän. Er prägt die Mannschaft auf seine Weise. Der 27-Jährige wurde im Nachwuchssystem des ÖSV groß, 2007 wechselte er Verband und Staatsangehörigkeit. Er näherte sich seinen Grenzen in kleinen Schritten. Dopfer benötigte 26 Anläufe, ehe er sich im Weltcup zum ersten Mal für den zweiten Durchgang qualifizierte. In diesem Winter beendete er kein Rennen außerhalb der Top 10, in Adelboden verpasste er seinen ersten Weltcup-Sieg um zwei Hundertstelsekunden.

In Vail trainierte Dopfer zuletzt sparsam, in der Vorbereitung entzündete sich ein Lendenwirbel, bei jedem Schwung schmerzt der Rücken. Und jetzt? "Ich werde ihm nie böse sein, wenn er Fünfter oder Achter wird", sagt Berthold: "Du kannst bei Fritz davon ausgehen, dass er immer sein Bestes gibt."

Dopfer trainiert so fleißig wie kein anderer im DSV. Wenn die Kollegen drei Trainingsläufe absolvieren, fährt er fünf. Wenn die Trainer ihm sagen, er möge das siebte Tor eines Laufes zehn Zentimeter höher anfahren, fährt er es zehn Zentimeter höher an, nicht neun, nicht elf. Er macht lieber einen Schritt als drei auf einmal, manche legen ihm mehr Risiko nahe, aber sie sind im DSV davon überzeugt, dass Dopfer auf seinem Weg ans Ziel findet. "Du kannst einen Menschen nicht um 180 Grad drehen" sagt Doppelhofer. "Wenn man das erste Rennen gewonnen hat, löst sich das alles, dann kommt eine Selbstverständlichkeit rein", sagt Berthold.

"Einfach weitermachen", sagt Fritz Dopfer, "dann passiert das schon."

© SZ vom 13.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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