Taktik von Lucien Favre:Wie Gladbach den FC Bayern entzauberte

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Jubelt über seine zwei Treffer: Raffael (Foto: Matthias Hangst/Getty Images)
  • Es ist doch möglich, die Bayern zu besiegen: Gladbachs Trainer Lucien Favre zeigt beim 2:0 in München, wie es geht.
  • Die Borussia macht alles richtig und verdirbt dem FC Bayern den Guardiola-Fußball.
  • So systematisch wie Gladbach agiert keine andere deutsche Mannschaft gegen die Bayern.

Aus dem Stadion von Jonas Beckenkamp

Die kniffeligste Prüfung erwartete Lucien Favre auf dem Weg in den Teambus, denn er musste sein Sprachtalent beweisen. Der Schweizer, der sich sonst eher zurückhaltend gibt, war der gefragteste Mann des Abends - schließlich hatte seine Mannschaft soeben durchaus verdient beim FC Bayern gewonnen. In München, gegen Pep Guardiola, gegen die Dauerdominierer der Bundesliga. Also gab der Coach von Borussia Mönchengladbach munter Auskünfte. Auf Deutsch, auf Französisch und auch auf Niederrheinisch. Die Reporter trieb diese eine Frage um: Wie um alles in der Welt haben Sie das gemacht?

Der Fußballtrainer Favre ist ein Typ, für den der Fußballvolksmund den Begriff Taktikfuchs erfunden hat. Schon in der Hinrunde hatte er die Bayern beim 0:0 gehörig gepiesackt, ähnlich lief es auch diesmal. Favre hatte seiner Elf ein Rezept mit auf den Rasen gegeben, gegen das die Bayern nicht ankamen. Seine Erklärung: "Wir haben sehr gut gespielt. Es war wichtig, so gut zu verteidigen." Damit hatte er das Fundament des Erfolges umrissen. Sehr gut spielen und gut verteidigen, ganz einfach, oder? "Bayern hat die ersten 20 Minuten hervorragend gespielt. In dieser Phase war es schwierig für uns, weil wir kaum Ballbesitz hatten. Dann haben wir das etwas glückliche Tor erzielt."

Bayern-Niederlage gegen Gladbach
:In die Magengrube

Der FC Bayern erlebt beim 0:2 gegen Gladbach die erste Heimniederlage in der Bundesliga seit fast einem Jahr. Sorgen bereitet nicht nur die Ideenlosigkeit in der Offensive - sondern auch die Verletzung von Arjen Robben.

Aus dem Stadion von Jonas Beckenkamp

Der erste Treffer von Raffael mag begünstigt durch Manuel Neuers Missgeschick gefallen sein - doch von diesem Moment an war im Gladbacher Spiel nichts mehr Zufall. Alle Eleven Favres wussten genau, was sie zu tun hatten: Angeführt von der Zwei-Mann-Wand aus Granit Xhaka und Christoph Kramer entsponnen sie ein dichtes Netz im Zentrum, verschoben ihre zwei Viererreihen in Abwehr und Mittelfeld und stellten jede Lücke sofort zu.

Bemerkenswert, mit welcher Aufmerksamkeit zum Beispiel Verteidiger Martin Stranzl immer wieder in alle Richtungen blickte, um die Lage zu scannen. Hatte er ein paar Meter Raum entdeckt, schickte er prompt einen Kollegen zum Dichtmachen. Egal, wo die Münchner es versuchten, es stand immer schon ein Borusse als Türsteher bereit. Weil die Gladbacher vieles richtig machten, entwickelte sich eine Partie Rasenschach feinster Prägung.

Der Rest der Liga sollte dieses Spiel in Dauerschleife beim Training betrachten, denn es zeigte sich: Wer gut vorbereitet ist, kann die Bayern durchaus schlagen. "Je länger es dauerte, desto sicherer wurden wir", erklärte Verteidiger Tony Jantschke, der dazu einen entscheidenden Beitrag geleistet hatte. Er stoppte Arjen Robben so unsanft mit einer Grätsche, dass Bayerns wichtigster Betonknacker verletzt raus musste. Danach hatten die Münchner überhaupt keine Waffe mehr.

"Die zweite Hälfte war viel besser. Wir haben Fußball gespielt und gute Lösungen gefunden", sagte Favre, der zufrieden beobachten konnte, wie die Bayern dutzendweise Harmlosigkeiten in den Strafraum flankten und chippten - oder sich schlicht verhedderten. "Unser Matchplan ist fast aufgegangen", sagte Abwehrboss Stranzl, "wir wollten sogar noch höher stehen." Das war gegen die geballte Einfallslosigkeit des Meisters aber nicht nötig. Es war kein Sieg des Zufalls, es war ein Sieg taktischer Präzision.

FC Bayern in der Einzelkritik
:In Gedanken beim Langlaufen

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Aus dem Stadion von Benedikt Warmbrunn

Die offenbarte sich auch in der Offensive: Wenn die Gladbacher an den Ball kamen (das passierte immer öfter), ging es flott nach vorne. Wenige Ballkontakte reichten aus, um wie bei Raffaels zweitem Treffer den Gegner niederzurennen. Dass sogar noch weitere Chancen ungenutzt blieben - geschenkt. So kam die Anerkennung schließlich sogar vom Gegner, von Pep Guardiola höchstpersönlich: "In der zweiten Hälfte haben wir mit zu viel Herz und zu wenig Kopf gespielt. Gladbach hat es sehr gut gemacht."

Der Katalane erlebt an diesem Abend eine Seltenheit: Er wurde von Favre am Tüftlerbrett besiegt. Das gab es in der Bundesliga bisher nicht einmal bei der Niederlage in Wolfsburg. "Es ist Bundesliga, die Leute denken, es ist immer einfach", sagte Guardiola noch. Gegen diese Gladbacher, das wusste er, ist es aber nie leicht.

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