Super Bowl:Hurts gibt die bestmögliche Antwort

Lesezeit: 3 Min.

"Ich spiele nicht für Titel oder dafür, geliebt oder gehasst zu werden": Philadelphias Quarterback Jalen Hurts hat seinen Weg gefunden, mit Niederlagen umzugehen. (Foto: Brian Snyder/Reuters)

Eine Angriffsserie für die Geschichtsbücher: Quarterback Jalen Hurts legt für die Philadelphia Eagles eine denkwürdige Leistung hin, die gegen die Kansas City Chiefs zwar nicht reicht - aber beispielhaft den Umgang mit Fehlern zeigt.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt für einen Quarterback kaum einen schlimmeren Moment als einen Ballverlust - wenn er also entweder das Leder-Ei in die Hände eines Gegenspielers wirft oder es ihm aus den Fingern entgleitet. Es ist der Augenblick, in dem eine Partie auf den Kopf gestellt werden kann, vor allem dann, wenn so etwas vor einem Millionenpublikum in einem wichtigen Finale passiert und dieser Ballverlust zu Punkten für den Gegner führt. Jalen Hurts, Spielmacher der Philadelphia Eagles, verlor im Super Bowl gegen die Kansas City Chiefs zu Beginn des zweiten Viertels den Ball, die Chiefs glichen aus - und die Frage war natürlich: Wie würde der erst 24-Jährige auf so einen Moment reagieren?

Nun, Hurts entschuldigte sich erst an der Seitenlinie bei den Kollegen, und direkt danach legte er eine Angriffsserie für die Geschichtsbücher hin: Zwei Mal holte er beim letzten Versuch mit Läufen genügend Yards für die Fortsetzung dieser Serie heraus; ein Mal, wieder beim letzten Versuch, provozierte er eine Strafe für den Gegner. Dann lief er aus kurzer Distanz in die Endzone: Touchdown, übrigens sein zweiter dieser Partie - er hatte sie bereits mit einem kurzen Sprint in die Endzone eröffnet. Zwei Lauf-Touchdowns eines Quarterbacks, das hatte vor ihm nur Jim McMahon für die Chicago Bears geschafft, vor 37 Jahren.

Welcher Mensch kann von sich schon behaupten, nach dem für ihn schlimmstmöglichen Moment auf größtmöglicher Bühne die bestmögliche Antwort zu geben? Nicht viele.

SZ PlusMeinungSuper Bowl
:Willkommenes Gedöns

Kommentar von Jürgen Schmieder

Man fragt sich bisweilen, was man lernen kann von diesen Leuten, die auf größtmöglicher Bühne das Bestmögliche schaffen. Man wird ja selbst nie so präzise passen oder so geschickt Gegnern ausweichen können, wie Hurts das tut. Was man dennoch von ihm lernen kann: den Umgang mit Fehlern, Demütigungen und den Unabwägbarkeiten des Lebens.

"Es tut weh, natürlich. Aber ich spiele nicht für Titel oder dafür, geliebt oder gehasst zu werden", sagte Hurts später. "Es geht mir um den Reiz, in einer Sache richtig gut zu werden, gemeinsam mit anderen. Es tut weh zu verlieren, aber es bedeutet, dass man wieder aufstehen darf." Hurts suchte bei diesem Super Bowl nicht nach Ausreden, er übernahm sofort Verantwortung für seinen Ballverlust - wie er es schon mal getan hatte.

Hurts zeigt, dass eine Karriere - nicht nur im Profisport - selten geplant werden kann

Im College-Finale 2018 hatte Hurts nicht gut gespielt, also setzte ihn Alabama-Trainer Nick Saban zur Halbzeit auf die Bank und schickte Ersatzmann Tua Tagovailova aufs Feld. Es war die größtmögliche Demütigung auf der für ihn damals größtmöglichen Bühne, die noch größer wurde dadurch, dass Tagovailova diese Partie drehte. Hurts sagte danach jedoch: "Ich wusste, dass er es schaffen würde. Ich freue mich wirklich für ihn und das Team."

In der Saison danach blieb Hurts Ersatzspieler, ohne zu murren, danach probierte er in Oklahoma einen Neubeginn und empfahl sich dort für einen Profivertrag in der NFL. Er beschwerte sich nicht, als ihn die Eagles nur als Ersatz-Quarterback für Carson Wentz holten und trotz toller Leistungen immer wieder auf die Bank setzten. Hurts sagt über diese Zeit, gerne auch in Vorträgen an jüngere Sportler: "Es geht nie um mich. Es geht immer ums Team." Was soll einen, der so was erlebt hat, noch erschüttern?

Es gibt Sportler, die zeigen durch Auf-die-Brust-Trommeln und Sich-selbst-Feiern, wie toll sind. Was soll man davon mitnehmen für sich, fürs Leben als Normalsterblicher? Hurts hingegen zeigt, dass eine Karriere - nicht nur im Profisport - nur selten geplant werden kann und nur selten geradlinig verläuft. Dass man Fehler ruhig zugeben darf. Und dass man nach schlimmstmöglichen Fehlern nicht verzweifeln oder gar vorsichtiger agieren muss, sondern seinen Weg selbstbewusst weitergehen darf.

Denn: Hurts lief später gleich noch mal in die Endzone. Drei Lauf-Touchdowns in einem Finale, das hatte davor nur Terrell Davis geschafft, vor 25 Jahren. Insgesamt warf er für 304 Yards und einen Touchdown, und er erlief 70 Yards, drei Touchdowns und eine Two-Point-Conversion für den zwischenzeitlichen Ausgleich zum 35:35. Besser geht es nicht - und es war dennoch nicht genug.

Hurts war der beste Spieler des Super Bowl; er durfte jedoch nicht der wertvollste sein. Das war, zu Recht, der Spielmacher des Siegerteams: Patrick Mahomes von den Chiefs, der sein Team zum siegbringenden Field Goal geführt hatte. Das Finale verlieren und dennoch MVP sein, das hat bislang nur Chuck Howley von den Dallas Cowboys geschafft, vor 52 Jahren, und er wird vorerst der Einzige bleiben.

Jalen Hurts hat dieses Finale nicht gewonnen, er hat es aber ganz sicher auch nicht verloren - und wenn er eines gezeigt hat in seinem Leben: Er wird auch nach dieser Niederlage zurückkehren.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Wichtige Fakten
:Der Super Bowl von A bis Z

In der Nacht zum Montag treten die Philadelphia Eagles gegen die Kansas City Chiefs an. Höchste Zeit, die Kenntnisse für das große Spiel aufzufrischen. Was man zum Finale der NFL wissen muss.

Von Jürgen Schmieder

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: